Mangelware Auslandskorrespondenten

Presse und Prominenz sind zum jährlichen Sommerfest eingeladen, gerade wird ein Riesling-Sekt im Garten der Residenz des deutschen Botschafters in Belgrad gereicht. Die Stimmung ist locker, das Wetter gut. Man kennt sich sowieso, denn, wenn Feten und Feiern angesagt sind, trifft man dieselben Gesichter. „Kannst du über die Wahlen und Land und Leute berichten, wenn du nach Deutschland fährst“, fragt mich unerwartet der Chefredakteur von „Politika“, (serbisches Gegenstück zur „FAZ“). Zwei Tage später stellt der Chef der liberalen Wochenzeitschrift „Vreme“ („Focus“ von Serbien) dieselbe Frage und plötzlich komme ich mir ziemlich begehrt vor. Für serbische Printmedien schreibe ich ab und zu, jedoch meistens schlage ich selbst ein Thema vor. Jetzt melden sich die hehren Herren selbst. Sogar „NIN“, der „Spiegel“ von Belgrad, fragt nach. So viel Ehre erfreut mein Herz, doch die Anfragen haben vor allem mit einem zu tun: kaum ein Blatt kann sich die Auslandskorrespondenten leisten. Das war nicht immer so. Als das Land noch Jugoslawien hieß und alle Medien staatlich waren, saß in jedem Eckchen Erde ein „dopisnik“, der, je nachdem, ob er aus Paris oder Peking berichtete, entweder die Nase über das Lotterleben der Kapitalisten rümpfte oder die Kommunistenführer in den Himmel hob. Heute ist die serbische Presse in privater Hand und kämpft ums Überleben. Die Auslandsthemen werden per Agenturmeldungen und Internet abgedeckt. Die Bezahlung ist miserabel, für einen Artikel von 2000 Zeichen gibt es gerade 30 Euro. Wenn es sie gibt. Der „Vreme“-Mann kündigt schon an: „Seit zwei Monaten haben wir keine Anzeigen, vielleicht wird’s ab September besser.“ Heißt, Bezahlung zurzeit ungewiss. Nur bei „Politika“ werden die Honorare pünktlicher überwiesen. Kein Wunder: der WAZ-Konzern sitzt mit im Boot und produziert neben „Politika“ auch das „Auto-BILD“. Damit die Serben wissen, welche Autos sie sich nicht leisten können.

www.vreme.com/

Erschienen in Ausgabe 09/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 46 bis 46 Autor/en: Danja Antonovic, Belgrad. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.