Medienköpfe & Karrieren

Als Ritterschlag habe sie ihren Wechsel zum Londoner „Guardian“ nicht empfunden, sagt Mercedes Bunz (38) über ihren neuen Karriereschritt als Leiterin Media & Technology des britischen Vorzeigeblatts, wohl aber als „Herausforderung, künftig an einem spannenden Ort gerade für Online-Journalismus zu sein“. Das klingt bescheiden, gilt der „Guardian“ in Europa doch vielen als Vorbild und König unter den Zeitungen. Seit Anfang September schreibt sie nun also über Online Journalismus für den gedruckten und digitalen „Guadrian“. Spekulationen über ein Zerwürfnis mit ihrem vorherigen Arbeitgeber, dem „Tagesspiegel“, wo sie seit 2007 Chefredakteurin der Online-Redaktion war, wehrt sie ab: „Mein Wechsel nach London hatte private Gründe.“ Mehr möchte sie dazu nicht sagen. Und auch Marion Bleß, Geschäftsführerin von „Tagesspiegel Online“, beschwichtigt: „Ich kann nachvollziehen, dass spekuliert wird, aber es war auf gar keinen Fall so“.

Tagesspiegel.de war Anfang 2009 zusammen mit Zeit Online zur Dachmarke Zeit Digital unter der Leitung von Wolfgang Blau gebündelt worden. Der Weggang von Bunz hätte jedoch nichts damit zu tun, beteuert Bleß.

Anfang September sind beide Online-Redaktionen wieder getrennt worden. Dafür sollen die Print- und Onlineredaktion des „Tagesspiegel“ künftig weiter zusammenwachsen, die Gesamtleitung haben nun die Chefredakteure der Zeitung Stephan-Andreas Casdorff und Lorenz Maroldt. Die Redaktionschef von tagesspiegel.de hat der bisherige leitende Online-Redakteur Markus Hesselmann (42)übernommen.

In London leitet Mercedes Bunz nun zwar keine Redaktion mehr, aber das sei kein Rückschritt, sagt sie: „eine der Seiten, die ich betreue, hat allein bei Twitter über 480.000 Follower, das sind mehr als die Auflagen der meisten deutschen Zeitungen. Außerdem sehe ich die Rückkehr zum Schreiben nicht als Abstieg an.“

Junge Leser lieben Modernisierung nicht immer – das erfuhr der „Trierische Volksfreund“ bei einer Umfrage unter seiner Leserschaft. 1200 Menschen, unter ihnen viele junge Leute, antworteten auf die Frage, ob der etwas altbacken anmutende Name „Trierischer Volksfreund“ modernisiert werden sollte. Seit 134 Jahren gibt es den Volksfreund – sein Name ist der Zeitung „ami du peuple“, Freund des Volkes, der französischen Revolution entlehnt. „Doch gerade die jungen Leser haben am lautesten protestiert“, sagt Chefredakteur Walter W. Weber (61).

Eben dieser sorgt nun doch für eine Veränderung: Der langjährige Chefredakteur des „Trierischen Volksfreundes“ – oder, „TV“ wie die Einheimischen sagen – verlässt nach 16 Jahren aus gesundheitlichen Gründen die Zeitung und gibt sein Amt zum ersten Oktober an Isabell Funk (53) ab. Seine Nachfolgerin durfte Weber selber aussuchen und so geht er „ruhigen Herzens, denn ich sehe das Medienhaus auf einem guten Weg“. Weber verabschiedet sich zunächst in die Südsee, „um ein bisschen Abstand von 42 Jahren Journalismus zu bekommen“. Der Alte und die Neue kennen sich noch von früher, Funk (s. a. Fragebogen medium magazin 4-5/09) volontierte bei Weber, als dieser noch Politikchef der „Saarbrücker Zeitung“ war. Beide Blätter gehören zur Holtzbrinck-Gruppe, zu der Funk nun zurückkehrt. Der „Volksfreund“ wird übrigens künftig erstmalig von einer weiblichen Doppelspitze zusammen mit der Geschäftsführerin Inga Scholz geführt. Ganz schön modern für so eine alte Zeitung.

Wer in der ARD schon die Sektkorken knallen ließ, in der Hoffnung, das Medienmagazin „Zapp“ würde sich unter seinem neuen Leiter Steffen Eßbach (40) künftig mit Kritik am eigenen Haus eher zurückhalten, mag sich zu früh gefreut haben. Bei „Zapp“ solle es „genauso mutig, hartnäckig und kritisch weitergehen wie bisher“, sagte Eßbach, der in der Sommerpause Mitte Juli die Nachfolge von Kuno Haberbusch angetreten hat. Haberbusch hatte mit seiner kritischen Haltung auch gegenüber dem eigenen Haus – gelinde gesagt – nicht nur Sympathiepunkte gewonnen. Zuletzt empörte er einen Teil seiner Kollegen mit einem Beitrag über die Nebenverdienste von Fernsehmoderatoren bei öffentlich rechtlichen Sendern. Laut Eßbach gelte jedoch auch in Zukunft: „Wenn bei einer Geschichte die Fakten stimmen, dann greifen wir jeden an, der es verdient“. Gleichwohl soll es die eine oder andere Änderung geben, so könne die Themenauswahl durchaus „etwas populärer“ werden: „Die Sendung wirkte manchmal eher wie ein Journalistenmagazin statt wie ein Medienmagazin. Themen, die alle beschäftigen, wie die Sendung „Germanys next Top Model, sollten wir aufgreifen“. Eßbach volontierte beim NDR, arbeitete bereits als Redaktionsleiter der Sendungen „extra 3“ und „Markt“. Künftig wird er als Abteilungsleiter für „Zapp“ und gleichzeitig für die Satiresendung „extra 3“ verantwortlich sein.

Traditionsreich, aber dennoch unbekannt, mit diesem Problem kämpft das Internationale Presse-Institut (IPI) in Deutschland, wo Jörg Riebartsch (49) nun zum zweiten Mal zum Vorsitzenden des deutschen Nationalkomitees gewählt wurde. „Wir sind die älteste Organisation, die sich international für die Pressefreiheit einsetzt“, sagt Jörg Riebartsch, der hauptberuflich als Chefredakteur des „Darmstädter Echo“ arbeitet, „aber wir waren zuerst da“. Ein Grund für das Schattendasein im Vergleich zu anderen Organisationen wie Reporter ohne Grenzen sieht Riebartsch in der schlanken Verwaltungsstruktur: „Im Gegensatz zu anderen halten wir keine Geschäftsstelle, die jeden Tag Pressemitteilungen rausschicken könnte, sondern geben jeden Cent unserer Spenden weiter für die Förderung der Pressefreiheit“ – auch Riebartsch arbeitet ehrenamtlich. International genießt die Organisation einen guten Ruf „uns gelang es sogar, bei Hugo Chavez vorgelassen zu werden“. Im Vergleich dazu nehmen sich die Hauptaufgaben der deutschen Zweigstelle bescheiden aus: Spenden sammeln und zum Hauptsitz nach Wien weiterleiten. Handlungsbedarf sieht Riebartsch allerdings auch in Deutschland: „In den letzten Monaten erreichten uns immer wieder Meldungen von Übergriffen der Polizei auf Journalisten“, sagt er. Kollegen seien unter fadenscheinigen Gründen für eine Zeit festgesetzt worden. „Das scheint eine Mode geworden zu sein, mit der wir uns in Zukunft beschäftigen müssen“.

Linktipp: Die Homepage des IPI www.freemedia.at

Däumchendrehen war seine Sache nicht, und so ist Dirk Lübke „sehr froh, in diesen schwierigen Zeiten wieder eine Herausforderung an exponierter Stelle gefunden zu haben“. Nach acht Monaten Pause zwischen seiner letzten Tätigkeit als Chefredakteur der Zeitungsgruppe Lahn-Dill, führt der 48-Jährige seit Mitte August die „Goslarsche Zeitung“. Die Zukunft sieht Lübke auch für die kleine Lokalzeitung mit etwa 27.000 Lesern im Internet. Mitarbeiter besuchen gerade crossmedia-Schulungen, künftig „wollen wir lokale Videos auf unseren Seiten einbinden“, sagt Lübke. Wie das geht, weiß Lübke aus eigener Erfahrung. Er besuchte selbst crossmedia-Schulungen, „weil ich wissen wollte, wovon ich rede und was ich von meinen Mitarbeitern verlange“. Mit dem Wechsel in den Harz rückt Lübke seiner alten Heimat wieder näher. Der geborene Niedersachse lebte lange in Hannover. Mit dem Einstieg Lübkes ziehen sich die Verleger Klemens Karl und Philipp Krause aus der Chefredaktion zurück, die sie übergangsweise für ein Jahr geführt hatten.

Einwechseln zum „Kicker“: Nach 21 Jahren holt Rainer Holzschuh seinen Stellvertreter von der Reservebank ins Spiel und macht ihn zum Mannschaftskapitän des Sportmagazins. Ende des Jahres soll Klaus Smentek (50), seit 1988 in „Kicker“-Diensten, soll die Chefredakteurs-G
eschäfte übernehmen, während Holzschuh, dann 65 Jahre alt, die Entwicklungen beim „Kicker“ als Herausgeber vom Tribünenposten künftig beobachten wird. Dort wird er wiederum Karl-Heinz Heimann (fast 85) ablösen). Diese Art von Wachwechsel hat bereits Tradition beim Pflichtblatt der Fußball-Welt: Heimann kam 1952 zum „Kicker“, war dessen Chefredakteur von 1968-88 und übergab dann an Rainer Holzschuh, der seit 1971 für den „Kicker“ arbeitete, unterbrochen nur von fünf Jahren als DFB-Pressechef.

Stellvertretende Chefredakteure werden Jörg Jakob, (46), heutige CVD des „Kicker“ und früher Chefredakteur der Gießener Anzeigers“, sowie Jean-Julien Beer (32), Vize-Ressortchef Sport des „Kölner Express“, ernannt. Zusätzlich wird „Kicker“-Chefreporter und Leiter der Südwestredaktion, Rainer Franzke, 57, Mitglied der Chefredaktion.

PS: Preisfrage an die Leser: Kennen Sie einen Redaktionsleiter/in, der/die länger als 33 Jahre ein und derselben Redaktion treu geblieben ist? Antworten an redaktion@mediummagazin.de

Ausserdem

Das ging schnell: Thomas Garms (51) hat den Axel Springer Verlag verlassen, in dem er als „Vice President Business Development“ gearbeitet hatte. Im August wurde die Trennung bekannt und gleich vollzogen. Springer-Chef Mathias Döpfner hatte seinen ehemaligen Studienfreund (beide sind promovierte Musikwissenschaftler) 2001 in den Verlag geholt, zuerst als Chefredakteur der „Welt am Sonntag“, dann sollte er die „Hörzu“ modernisieren. Nach seinem Scheitern dort hieß es, Döpfner hätte den Development-Posten mit dem pompösen Titel extra für Garms eingerichtet. Springer-Pressesprecher Tobias Fröhlich sagte dazu „Wir richten für Personen nicht extra Stellen ein“, er gab aber zu, dass „es sich um eine neu geschaffene Stelle handelte“, die im Verlagsbereich Internationales angesiedelt war. Ob die Stelle künftig wieder besetzt werde, sei noch nicht entschieden. Thomas Garms wollte sich über seine beruflichen Pläne noch nicht äußern.

„Wie wichtig ist der Job für mein Glück?“, fragte Bettina Wündrich (43) die Leserinnen der Zeitschrift „Emotion“ im Editorial der August-Ausgabe. Anscheinend kam sie für sich selbst zu dem Schluss, dass für ihr Glück ein neuer Job her muss: Zum September hat Wündrich ihren Posten als (Gründungs-)Chefredakteurin des Gruner+Jahr-Blattes verlassen. „Sie möchte ihre vielfältigen Kompetenzen und wertvollen Erfahrungen aus der Entwicklung von redaktionellen Konzepten und Positionierungsstrategien in eine selbstständige, unternehmerische Tätigkeit einbringen“, hieß es aus dem Verlag.Was das genau heißen soll, bleibt einstweilen unklar, Wündrich war für Fragen nach ihren beruflichen Plänen nicht erreichbar.

Ihr Nachfolger Peter Hummel (41), der das Blatt bereits als stellvertretender Redaktionsleiter betreute und wie Wündrich vorher für „Glamour“ arbeitete, sieht jedenfalls keinen Anlass für negative Gerüchte und sagt: „Ich übernehme das Heft bei einer stabilen Auflage.“ Allerdings hat die Frauenzeitschrift in einem Jahr ein Viertel ihrer Gesamtauflage verloren (heute rund 101.000 II/09), im Einzelverkauf (heute 36.854 II/09) sogar 32 Prozent. Zuletzt hieß es, G+J wolle die Zeitschrift zusammen mit „Healthy Living“ verkaufen. Der „Kontakter“ meldete im August, Verkaufsgespräche zwischen G+J und dem Atlas Verlag seien in der Schlussphase gescheitert. Hummel sieht die Zukunft aber positiv: „Emotion ist der Coach zum persönlichen Glück.“ Das Blatt soll nun noch emotionaler und meinungsstärker werden. Damit liege das Blatt exakt in der Zeit. Dass das G+J-Chef Bernd Buchholz auch so sieht, ist für das „Emotion“-Team zu hoffen.

Aufstieg für zwei G+J-Männer aus der zweiten Reihe in die erste: Christian Schuldt (39) leitet nun brigitte.de, für das er vorher als stellvertretender Redaktionsleiter mit verantwortlich war. Seine Vorgängerin Andrea Huss wechselt in das Ressort Zeitgeschehen des Heftes. Und Gala.de hat mit Gregor Poniewasz (40) einen neuen Chefredakteur. Er verdankt seinen Aufstieg bei „Gala“ dem großen Erfolg der von ihm verantworteten People-Seite. Sie steigerte innerhalb eines Jahres ihre Klicks um über 400% – entsprechend hoch sind die Erwartungen an ihn.

Wulf Wein (51), bis Ende 2008 stellvertretender Leiter der Regionalredaktion Mitte bei der „Saarbrücker Zeitung“, hat sich selbstständig gemacht. Er berichtet jetzt als freier Journalist aus dem Saarland und dem Saar-Lor-Lux-Raum. E-Mail: wwein.presse@mail-buero.de

Erschienen in Ausgabe 09/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 60 bis 60. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.