Nachrichten mit „Fair Share“-Modell

Monatelang beherrschte vor allem der Neid auf Googles Monetarisierung von Links auf fremde Webinhalte die Diskussion um Verlagsgeschäftsmodelle im Netz. Inzwischen hat aber zumindest die Burda-Webtochter Tomorrow Focus erkannt, dass es sinnvoller ist, nach dem Google-Prinzip eigene Plattformen für die Aggregation von Webinhalten zu entwickeln, die im Erfolgsfall monetarisiert werden können. Tomorrow Focus startete Ende August einen geschlossenen Betatest für sein neues Finanzportal Finanzen100.de, das automatisiert Informationen aus über 12.500 Quellen von Finanz- und Wirtschaftsthemen aufbereiten und mit Analyse-Tools anreichern will.

Seit dem 10. September ist nun nachrichten.de online – ein Portal, das Nachrichten aus über 600 journalistischen Quellen bündelt und verlinkt. Es soll sich mittelfristig über Werbung und Lizenzen (White-Label-Lösungen) finanzieren. Anbieter von Webportalen sollen über eine offene Schnittstelle (API) Nachrichtenticker mitsamt Stichwortsuche auf ihren Seiten unter ihrer eigenen Corporate Identity einbinden können, während Tomorrow Focus die Rolle des technischen Dienstleisters übernimmt.

Bemerkenswert an nachrichten.de ist vor allem das „Fair Share“-Modell: Publisher erhalten abzüglich Vermarkterprovision 20 Prozent der Netto-Einnahmen, die durch Werbung in Zusammenhang mit einem angezeigten Inhalt („Snippet“) erzielt werden. Ausgezahlt wird aus Gründen der Wirtschaftlichkeit allerdings erst ab einem Kontostand von mindestens 500 Euro, was bei kleineren Inhalteanbietern lange dauern dürfte. Jochen Wegner, Chefredakteur von „Focus Online“ und Geschäftsführer von Tomorrow Focus, begründet die Logik hinter der Entlohnung mit dem Mehrwert, den Inhalte für einen Aggregator schaffen – und mit einem Seitenhieb auf Google. „Wir wollten die lebhafte Debatte um ein faires Modell mit unserem pragmatischen Vorschlag vom Kopf auf die Füße stellen. Wenn unser kleines Team in zwei Wochen ein aus unserer Sicht sinnvolles und praktikables Share-Modell ersinnen und technisch umsetzen kann, sollte das für große Player ebenfalls kein Problem sein“, so Wegner.

Wir haben das neue Portal vorab getestet. Das Fazit: Die Idee, ein eigenes Verlinkungs-Netzwerk aufzubauen, um die Abhängigkeit von Google zu verringern, ist überfällig. Damit das Portal mit Google News konkurrieren kann, muss vor allem die Relevanz der Suchergebnisse verbessert – und auch der Anspruch, Blogs einzubinden, noch eingelöst werden. Trotzdem: Automatisierte Aggregatoren können die personalisierte Nachrichtenauswahl im eigenen RSS-Reader (s. a. „Journalisten-Werkstatt Web 2.0, die dieser mm-Ausgabe beiliegt) oder halbautomatische, zusätzlich redaktionell gepflegte Dienste wie die Blogsuchmaschine Rivva nur ergänzen, aber nicht ersetzen. Ulrike Langer

Tipp: Der nachrichten.de Test im Detail steht unter

www.mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 09/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 8 bis 8. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.