Die Kraft der Marke

Links rein, rechts raus. täglich hören wir mehr Namen, als wir uns merken können. Keine gute Voraussetzung für den Start als freier Journalist, der darauf angewiesen ist, dass sich Redakteure an ihn erinnern. Deswegen haben wir im vergangenen Jahr beschlossen, uns zusammenzutun. Unter einem gemeinsamen Namen, der häufiger fällt als der eines einzelnen Autors: Textsalon.

Anders vernetzt. Wir, das sind zwölf Journalistinnen und Journalisten, der dritte Jahrgang der Zeitenspiegel-Reportageschule Günter Dahl in Reutlingen, genauer: Anne Meyer, Carolin Gagidis, Julia Rommel, Kety Quadrino, Sascha Hellmann, Selina Byfield, Torben Dietrich, Kristin Oeing, Sarah-Juana Holz, Anke Lübbert, Markus Wanzeck und ich selbst, Sara Mously. Weil den meisten von uns klar war, dass sie nach der Ausbildung nicht im Schwäbischen bleiben wollten, kam eine echte Bürogemeinschaft nicht in Frage. Wir mussten uns also anders vernetzen.

Dafür hatten wir gleich mehrere Vorbilder: Die Agentur Zeitenspiegel, deren Mitglieder zusammen weit mehr Kontakte zu Redaktionen knüpfen können als einer allein; die Weltreporter die ein virtuelles Korres- pondenten-Netzwerk aufgebaut haben; und die Gründer von Plan 17, die durch ihren Zusammenschluss zum bekanntesten Jahrgang der Henri-Nannen-Schule geworden sind.

Kern unseres Netzwerks bildet eine Website. Auf einer Karte können potenzielle Auftraggeber auf den ersten Blick sehen, wo unsere Autoren sitzen: in Berlin, Braunschweig, Köln, Osnabrück, Hamburg, Greifswald, Jena, Stuttgart und Tübingen. Diese dezen- trale Organisation verschafft uns einen großen Vorteil: Durch unsere unterschiedlichen Standorte können wir kurzfristig Aufträge in ganz Deutschland annehmen. Das ist vor allem für Redakteure interessant, die Reporter für tagesaktuelle Einsätze suchen. Arbeitsproben und Werdegang jedes Autors finden sich auf den jeweiligen Profil-Unterseiten.

Partnerbeziehungen. Außerdem präsentieren wir auch unsere Partner: Fotografen, mit denen wir regelmäßig zusammenarbeiten, und Schreiber, mit denen wir unsere Büros teilen – auch diese Vernetzung ist für potenzielle Auftraggeber interessant. Und jeder Einzelne kann ganz konkret von der Zusammenarbeit profitieren: Hat jemand zu viel zu tun, vermittelt er Aufträge an andere weiter. Erfährt einer von einer Magazin-Rubrik oder einem neuen Ressort, das auch für die Kollegen interessant sein könnte, sagt er den anderen Bescheid.

Und natürlich verraten wir auch Redakteuren gern, wer sich für welches Thema besonders eignet. Denn auch wenn wir alle keine Fachjournalisten sind, unterscheiden sich unsere Inte- ressen und Schwerpunkte.

Ganz wichtig auch: Gemeinsam können wir ganz andere Projekte stemmen als einer allein. So konzipierten wir Kundenmagazine und Geschäftsberichte und schrieben gemeinsam eine „mare“-Sonderausgabe, für die wir in alle Himmelsrichtungen ausgeschwärmt sind: nach Island und Frankreich, Japan, Israel und Peru. Und dank unserer engen Kontakte zu Fotografen können wir Reportagen und Porträts in Wort und Bild anbieten.

Teamarbeit. Über das Internet versuchen wir, eine Zusammenarbeit zu organisieren, die ganz ähnlich funktioniert wie in einem echten Journalistenbüro. Wer kann die erste Fassung meines Artikels gegenlesen? Wer hat Erfahrungen mit der Redaktion x? Wem kann ich das Thema y anbieten? Solche Fragen mailen wir uns zu oder greifen kurz zum Telefonhörer. So steht keiner von uns als Einzelkämpfer da, man hat das Gefühl, gegenüber Redaktionen als Team auftreten zu können. Doch obwohl wir zusammenarbeiten, wirtschaften wir getrennt. Zu aufwendig ist es, Kosten und Honorare zentral zu verwalten, außerdem wollen wir finanziell unabhängig sein. Wir sehen uns also in erster Linie als freie Journalisten, die sich gegenseitig unterstützen.

Unser Web-Auftritt und die enge Zusammenarbeit haben sich für uns gelohnt – das kann man schon jetzt – nach eineinhalb Jahren sagen. Zu unseren Auftraggebern gehören unter anderem Die „ZEIT“, „Süddeutsche Zeitung“, „Frankfurter Rundschau“, verschiedene „GEO“-Titel, „mare“, „Focus“, „Brigitte“, „Neon“, „Stern“, stern.de und Spiegel Online. Von Zeit zu Zeit flattert tatsächlich ein Auftrag herein, weil uns ein Redakteur über Google gefunden hat. Manch einer meldet sich, weil die Stichworte auf einer unserer Profilseiten zu seinem Thema passen. Meist aber rufen Auftraggeber an, weil sie mit uns gute Erfahrungen gemacht haben – und sich den Namen unseres Netzwerks gemerkt haben.

Serie „Freie Köpfe“:

„mediummagazin“ stellt hier gemeinsam mit Freischreiber e.V., dem Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, Projekte und Profile von Freien vor und wie sie sich im Markt behaupten.

Bisher sind erschienen: Das Online-Magazin „16vor“ (mm 4-5/09),

Das Büro „Freizeichen“ (mm 6/09), „Spezialist in der Nische“, Hinrich Neumann (mm 7-8/09), „Audio-Slideshows“, Matthias Eberl (mm 9/09), nachzulesen auch unter

www.mediummagazin.de

* Arbeitsproben sind neben den Kontaktdaten das Herzstück des Internetauftritts des Netzwerks Textsalon. Da das Urheberrecht beim Schreiber liegt, darf er seine Texte nach dem Erscheinen auch selbst wieder veröffentlichen, doch gibt es dafür Fristen: Wurde nichts anderes vereinbart, dürfen Web-Texte und Zeitungsartikel ab dem nächsten Tag auf der Website erscheinen; Magazinbeiträge erst nach einem Jahr. Vorsicht: Nur die Texte online stellen, da das Recht auf die gelayouteten Seiten bei den Reaktionen liegt. Auch die Rechte von Fotografen oder Illustratoren würden durch die Veröffentlichung ganzer Zeitungs- oder Magazinseiten verletzt.

* Um zu zeigen, dass auf Wunsch Texte und Bilder auch im Doppelpack geliefert werden, präsentiert der Text-Salon regelmäßig Fotos in einer Diashow – natürlich nur, wenn die Fotografen damit einverstanden sind.

* Für Aktualisieren der Website sollte ein Content Management System so einfach sein, dass jedes Mitglied des Netzwerks es bedienen kann. Bevor man einen Webdesigner beauftragt, sollte man daher klären, ob eine schriftliche Anleitung und die Unterstützung bei späteren Fragen im Honorar enthalten sind.

* Für allgemeine Fragen und Diskussionen nutzt das Textsalon-Netzwerk eine Mailingliste, auf der alle Mitglieder stehen. Bei Entscheidungen – etwa wenn es darum geht, ob eine Rubrik der Website geändert werden soll – werden der Einfachheit halber Enthaltungen als Zustimmung gewertet.

* Will jemand die Autoren kontaktieren, weiß aber nicht, an wen er sich wenden soll, kann er ein Kontaktformular nutzen. Die Nachrichten, die dort eingehen, werden nicht an alle verschickt, sondern nur an ein Netzwerk-Mitglied. Alle sprechen sich intern darüber ab, wer sich an dem Auftrag beteiligen kann, danach bekommt der Absender eine verbindliche Antwort. So werden mehrfache und schlimmstenfalls widersprüchliche Reaktionen vermieten.

* Für den Austausch über Erfahrungen mit Redakteuren und über Honorare gibt es ein passwortgeschütztes Intranet. Dort werden die Informationen in Tabellen gesammelt und lassen sich z. B. nach Autor, Redaktion und Ressort sortieren.

Erschienen in Ausgabe 10+11/2009 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 64 bis 65 Autor/en: Sara Mously. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.