Nachgefragt bei … Moritz Döbler

Der Moment kommt, früher oder später. „Zeig doch mal deinen Führerschein“, sagt der Kollege aus der Grafik zum Redaktionsleiter. Woraufhin Männer mit Seitenscheitel sich charmante Beleidigungen anhören müssen: „So ein Wilder warst du also“ und „interessante Frisur“, hören die Damen, die ihre Zeit als Dauerwellenstar gerne aus ihrer Frisurbiografie ausradieren würden.

Unser prominentes Foto-Opfer Nr. 6 (nach Dietmar Pieper, Peter Kloeppel, Peter-Matthias Gaede, Martin Sonneborn und Nikolaus Förster) ist Moritz Döbler, 44, Ressortleiter Wirtschaft beim „Tagesspiegel“. Er kommt aus dem Agenturjournalismus, setzt als Zeitungsmann jedoch weniger auf pure Nachrichten. Den Wirtschaftsteil hat er umgebaut, mehr Lesestücke, Debatten und Service. Eine Art Wirtschaftsfeuilleton, das ist sein Ziel. Dass seine Truppe große Geschichten stemmen kann, zeigt auch das Mittelstandsmagazin „Berlin Maximal“, einer „Line Extension“ des „Tagesspiegel.“

Döblers Fotokommentar: „Genau weiß ich nicht, wie alt ich damals war, Mitte 20 wahrscheinlich. Studium und Zivildienst lagen hinter mir, ich lebte in einem Abbruchhaus in Amsterdam und arbeitete für die Anne-Frank-Stiftung, schrieb ein bisschen für die „taz“ und fuhr samstags Gemüse aus. Von da aus bewarb ich mich an der Nannen-Schule – es klappte. Die Praktika waren mein erster Kontakt zum echten Journalismus, „FR“, „Zeit“, „stern“, dpa in Washington. Damals lief der erste Clinton-Wahlkampf, die Stimmung war in etwa so wie bei Obama, einfach toll. Da habe ich Blut geleckt, wollte ein Nachrichtenmann werden. Elf Jahre habe ich Agenturjournalismus gemacht, aus Ruanda berichtet, aus Bosnien; am Ende war ich Berliner Büroleiter von Reuters. Das Unmittelbare hat mich fasziniert, das Tempo, der Druck, das Adrenalin. Was sich geändert hat? Die Geschwindigkeit: Früher ging es um Minuten, heute um Zehntelsekunden. Und das Angebot ist größer – Zeitungen müssen genauer überlegen, was sie auswählen. Ob etwas zur Nachricht wird, ist auch ein Gradmesser für die Relevanz einer Geschichte. Wir beim „Tagesspiegel“ geben relativ viel an die Agenturen, ganz bewusst. Ich finde es nicht schlecht, sich auch auf diesem Markt mit den anderen zu messen.“

Erschienen in Ausgabe 10+11/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 10 bis 10. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.