Sprechernotizen

Sie wollen rein …

Die Auseinandersetzung zwischen den elektronischen Medien, vorzugsweise Fernseh-Journalisten, auf der einen und Unternehmen auf der anderen Seite um die Teilnahme an Hauptversammlungen wird immer heftiger. Seit Langem verlangen TV-Sender, allen voran die ARD, dass die Unternehmen ihnen Zutritt zu den Hauptversammlungen börsennotierter Gesellschaften verschaffen. Das wollen die auch gar nicht verhindern und erlauben Aufnahmen, allerdings fast ausschließlich Aufnahmen aus dem Vorraum und Mitschnitte der Rede des CEO oder CFO. Dann müssen sie raus. Und das stinkt ihnen. Der Deutsche Journalistenverband protestiert seit Langem dagegen. Und einzelne TV-Journalisten haben gar Aktien gekauft, um damit das Recht zu erlangen, auf der HV zu sprechen und gegen den Ausschluss der TV-Kameras zu wettern. Für die jüngste Eskalation sorgte der vollständige Ausschluss der Damen und Herrn Berichterstatter bei Hypo Real Estate und Premiere. Die TV-Sender argumentierten gar, die HRE werde mit öffentlichem Geld gestützt und müsse somit die Türen öffnen, weil ja der Journalist der Anwalt des Zuschauers sei. Wo steht das eigentlich im Grundgesetz?

Fakt ist: Erstens sind Hauptversammlungen in der Regel stinklangweilig – eben auch weil die Kameras fehlen, und zweitens tun die Unternehmen gut daran, weiter so zu verfahren, wie sie verfahren. Denn Hauptversammlungen, davon kann jedes Unternehmen ein Lied singen, sind auch gern genutzte Bühnen für Spinner, Träumer und Durchgeknallte. Kameras ziehen noch mehr davon an, und aus Mangel an anderen kameragerechten Ereignissen würden die Kameras mit Sicherheit die Krawallmacher senden – und damit wiederum noch mehr anziehen.

Die Folge wäre, dass ein Unternehmen keine Hauptversammlung mehr anständig durchführen könnte. Wenn die Medien es schaffen würden, das wirklich Wichtige vom Theater zu unterscheiden, dann wäre vielleicht ein neues Miteinander möglich. Aber darum scheint es nicht zu gehen. Denn wo wollen die Damen und Herren mit den Kameras rein? Na klar: Bei HRE, Commerzbank, Telekom. Dort ist für Stimmung und Krawall gesorgt. Dort, wo es langweilig, aber dafür substantiell zugeht: gähnende Leere auf der Presse-Liste.

ZAPP schießt PR-Hochschule an

In mm Nr 7+8/09 meldete es Dr. Who als erster: In Berlin geht eine neue Hochschule – wie sie sich nennt – für PR an den Start, hinter dem der Helios-Verlag steht, der schon dereinst den Pressesprecher-Verband ins Leben gerufen hatte. und . Unter dem Namen Quadriga sollen zukünftig PR-Leute ausgebildet werden. Vor allem aber, so scheint es, soll ein umfangreich mit Journalisten und Kommunikationsleuten besetztes Kuratorium für Netzwerkpflege und Geldfluss sorgen. Das fand nun auch die Mediensendung „Zapp“ des NDR nicht so gut und hinterfragte kritisch das Konzept und die Herren Beiräte. Ergebnis: Großes Unwohlsein wegen des sehr offensichtlichen Klüngels von PR, Medien, Politik. Interessant: „Zapp“ wollte die Journalisten im Beirat befragen, darunter so illustre Namen wie Steffen Klusmann (Chefredakteur der Gruner+Jahr-Wirtschaftspresse), Wilm Herlyn (Noch-Chefredakteur dpa), Thomas Schmid (Chef der „Welt“-Gruppe), Verena Wiedemann, Generalsekretärin der ARD, Wolfgang Kenntemich (Chefredakteur des mdr), Sven Gösmann (Chefredakteur „Rheinische Post“) usw. Ergebnis: Keiner der Kuratoriums-Journalisten wollte vor die „Zapp“-Kamera und etwas sagen. Genau dies, das Verweigern von Auskünften, kritisieren aber diese Damen und Herren und ihre Kollegen immer wieder bei Unternehmen. Wenn zwei das Gleiche tun, ist das wohl in Medienkreisen noch lang nicht dasselbe. Wir schauen uns das weiter an. Es wird sicher weiter unterhaltsam bleiben.

IAA? Geil!

Die Pressetage der Internationalen Automobil-Ausstellung in Frankfurt sind etwas Tolles. Nur Presse darf rein, alle haben Spaß, es ist nicht so voll, eine Pressekonferenz jagt die Nächste, abends wird gefeiert auf Kosten der Hersteller, und die Mädels, die an die Autos gelehnt werden, sind erstklassig. Dabei gilt offensichtlich: Je schwächer die Automodelle, umso besser die Models. Sehenswert immer wieder die Italiener wie Alfa Romeo oder Fiat, die zwar nur mit mäßigem Erfolg Autos verkaufen, aber die Models sind Spitzenklasse – und wirklich spärlich bekleidet. Da können VW, Daimler und Co nicht mithalten. Die Damen dort wirken eher bieder. Dafür verkaufen diese Marken mehr Autos. Ätsch!

Grenzwertig war diese Art der Anmache immer schon, und gerade in diesem Jahr, wo die Menge an political correctness und „vernünftigen“ Autos (was sind dann unvernünftige?) fast schon Depressionen verursachte, waren die Hormon-steigernden Messeauftritte hier und dort leicht am Zeitgeist vorbei platziert. Den Vogel schoss aber eindeutig Lancia ab. Die dortigen Messe-Menschen hatten ihre bedauernswerten Messe-Models in Kostüme gezwängt, dass (ihnen) die Tränen kamen: Schulmädchen-Bluse, Krawatte, kurzer Faltenrock, schwarze Overknee-Strümpfe über der Seiden-Strumpfhose. Entweder sollte die Assoziation Lolita sein, eine Anlehnung an hier und dort von einzelnen Herren gewünschtem Schulmädchen-Fetisch erreicht oder aber die Vorlieben bestimmter japanischer Erotik-Manga-Liebhaber bedient werden. Wie dem auch: Urteil: Voll daneben!

Trainerwechsel

Wer glaubt, dass Fußball-Trainer nur Fußball können, wird nun eines Besseren belehrt. Felix Magath, neuer Trainer von Schalke 04, hat auch das Ressort Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit und den Bereich Marketing übernommen. Donnerwetter! Das hat es bisher noch nicht gegeben. Macht aber eigentlich Sinn. Dann kann er gleich auch offiziell mit der Presse reden, wenn die z. B. über die Ablösung des Trainers spekuliert. Oder er bereitet seinen eigenen Abschuss kommunikativ vor, so mit Presseinfo und Pressekonferenz – und vorherigem Durchstechen an die „Bild“-Sportredaktion und Ähnlichem. Das Ganze sieht nach einer der grandiosen Ideen von Schalke-Präsident und FDP-Grande Tönnies vor. Der kennt sich aus. Im Hauptberuf ist Tönnies Inhaber eines großen Schlachtereibetriebes. Und als solcher fiel er erst wegen eines Gammelfleisch-Skandals unangenehm auf und dann bei den Medien in Ungnade. Da konnte ihm auch sein Haus- und Hof-PR-Berater, Freiherr von Gumppenberg aus München, nicht mehr helfen.

Dr. Who ist das Pseudonym einer bekannten Führungskraft der PR-Branche. E-Mail: autor@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 10+11/2009 in der Rubrik „PR“ auf Seite 60 bis 61. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.