Folgenreicher Agenturen-Umzug

Für die Nachrichtenagenturen geht das Jahr so turbulent zu Ende, wie es begonnen hat: Nachdem seit Januar die vier in Nordrhein-Westfalen erscheinenden Zeitungen der WAZ-Gruppe ebenso auf die Dienste der dpa verzichten wie drei ihrer Zeitungen in Thüringen, hat nun auch der „Tagesspiegel“ der Agentur geschrieben, vom Sommer 2010 an auf ihre Dienste verzichten zu wollen.

Offiziell stört sich die Zeitung an den Plänen der dpa, ihre neue Zentralredaktion vom Juli an in der Axel-Springer-Passage ansiedeln zu wollen. Die Sorge: Die Mieten fließen in die Kassen eines harten Mitbewerbers auf dem Berliner Zeitungsmarkt.

In der Redaktion hält sich hingegen das Gerücht, die Holtzbrinck-Gruppe habe diesen politischen Konflikt lediglich zum Anlass genommen, um unter einem Deckmantel Geld sparen zu können. Chefredakteur Stephan-Andreas Casdorff betont jedoch: „Wir hatten nie vor, dpa zu kündigen.“ Ihm und seinen Redakteuren bleiben für die tägliche Arbeit die Dienste von AFP, AP, Reuters, ddp, epd und KNA. Casdorff sagt sogar, sein Haus habe vor der plötzlich notwendigen Entscheidung, dpa kündigen zu müssen, einen Konkurrenten „aus Kostengründen“ eine Zeit lang nicht bezogen – ihn aber wieder in das Agenturportfolio des „Tagesspiegels“ aufgenommen.

Auf die Redaktion dürfte aber trotz dieses bunten Agenturstraußes mehr Aufwand zukommen, hatte doch der Testlauf bei der „Hessisch/Niedersächsischen Allgemeinen“ ohne dpa deutlich gemacht: Es geht ohne, aber nur, wenn sich die Redakteure mühen, die Nachrichtenlage weitgehend selbstständig zu erörtern statt sich auf dpa zu verlassen (siehe auch „Sechs Wochen ohne dpa“ in mm 06/09).

Unterdessen hat der ddp neue Räume bezogen. Er hat sein Domizil direkt unterhalb des Berliner Funkturms verlassen und ist in die fußläufig zum Regierungsviertel gelegene Reinhardtstraße gezogen – am anderen Ende der Straße sitzt die Innenpolitikredaktion der dpa. Gleichzeitig dauern die Gespräche um den Kauf des deutschen AP-Dienstes durch den ddp länger als erwartet. Die beiden ddp-Eigentümer Peter Löw und Martin Vorderwülbecke sagten ihren Leuten beim Einzug, der Kauf solle bis Weihnachten fertig sein. Sie halten derzeit unter den beiden ddp-Etagen eine für AP frei.

Ob AP-Deutschland dann in den ddp integriert wird: völlig unklar. Kenner der Agenturszene spekulieren, dass beide Dienste parallel weitergeführt werden. Sollte der ddp nämlich einfach die Auslandsmeldungen von AP in seinen Dienst integrieren, müsste er nach deutschem Recht auch die Mitarbeiter der jetzigen AP Deutschland GmbH übernehmen. Das wiederum käme den ddp teuer: Anders als die deutlich schlechter bezahlten ddp-Mitarbeiter erhält die AP-Mannschaft Tariflohn, der beizubehalten wäre.

Obwohl die Verhandlungen noch laufen, hat die Muttergesellschaft der AP bereits damit begonnen, einzelne Mitarbeiter ihrer noch 100-prozentigen deutschen Tochterfirma abzuwerben, die künftig für den Weltdienst eine Berichterstattung aus Deutschland sicherstellen sollen. Für Verwunderung sorgt bei den ddp-Mitarbeitern aber vielmehr, dass ihre Spitze gleich mehrere Stellen nicht besetzt, die schon seit dem Sommer ausgeschrieben sind, darunter ein Redakteur im Vermischten und eine Stelle am „Tisch“, wo die Meldungen in den Dienst eingegeben werden. Daniel Bouhs

Erschienen in Ausgabe 12/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 8 bis 8. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.