Kultur des Schweigens

Heuschrecken sind scheue Tiere. Besonders in der Karibik. Wer zum Beispiel auf den Cayman Islands Vertreter einer der 289 internationalen Banken sucht, sollte lieber nach einem Goldstück im weißen Karibiksand fahnden. Die Chancen sind größer, fündig zu werden. Blasse Banker in blauen Hemden verschanzen sich zumeist in viel zu tief gekühlten Großraumbüros und wollen nicht, dass ihnen jemand beim Jonglieren zuschaut. Wer zum Beispiel die Vertretung der Deutschen Bank am vornehmen Criquet Square in der Hauptstadt George Town aufsucht, kommt sich vor wie ein Eindringling. Beim Überreichen der Visitenkarte einer großen deutschen Wirtschaftspublikation schreckt die Sekretärin zurück, als setze man ihr die Pistole auf die Brust. Der Chef? Nicht da! Wie heißt er denn? Darf ich nicht sagen! Können Sie ihm meine Karte geben und ihn bitten, mich zurückzurufen? Aber sicher! Kam der Anruf? Natürlich nicht! Frank McField, ein schwarzer Mann mit mächtigem Leib und einem Doktortitel der Universität Bremen hat dazu eine interessante Theorie. Der frühere Sport- und Jugendminister der Cayman Islands nennt das die Kultur des Schweigens. Das Versteckspiel der Banker sei eine Gewohnheit, die aus den achtziger Jahren stammt, als Männer mit falschen Schnurrbärten und Sonnenbrillen schwarze Aktenkoffer mit grünlichen Banknoten auf die Insel trugen. Diese Zeiten seien aber längst vorbei. Geblieben sei aber die Angst, etwas Falsches zu sagen. Daher schweigen sie lieber.

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Erschienen in Ausgabe 12/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 38 bis 38 Autor/en: Klaus Ehringfeld, George Town. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.