Medienköpfe & Karrieren

Früher aufstehen wird ab April 2010 Wulf Schmiese (42), bisher politischer Korrespondent der „Frankfurter Allgemeinen“ für die Außenpolitik und die Unions-Parteien. Er wechselt zum ZDF- Morgenmagazin – als Hauptmoderator, die Sendung soll politischer werden. Spätestens von April an wird er die Spätschicht von 7 Uhr bis 9 Uhr moderieren und den Umbau der Sendung mitgestalten. Sein Arbeitsplatz beim ZDF bleibt Berlin.

Schmiese war selbst überrascht, sagt er, als Intendant Markus Schächter und Chefredakteur Nikolaus Brender mit dieser Idee im Sommer auf ihn zukamen. Schließlich beschränkte sich seine TV-Erfahrung auf Gast-Auftritte im „Morgenmagazin“ und im „ARD-Presseclub“ sowie einem Grundkurs während seiner Ausbildung an der Henri-Nannen-Schule. Aber die Test-Sendung im September gefiel den Verantwortlichen in Mainz. Und Schmiese selbst hat es „Spaß gemacht.“ Sein dennoch langes Zögern begründet er mit seiner Liebe zur „FAZ“. „Mein Zaudern galt der „FAZ“, nicht dem ZDF. Es ist eine tolle Zeit bei dieser Zeitung.“

Elf Jahre hat der promovierte Historiker aus Bonn und Berlin berichtet, erst für die „Welt“, dann für „FAS“ und „FAZ“. In den vergangenen Jahren habe sich vor allem der „Sound“ verändert: Die Tageszeitungen wagten heute mehr Nähe. „Wir leisten, was früher nur Magazinen vorbehalten war. Unsere Analysen sind bildhaft und versuchen, authentisch die Stimmung am Kabinettstisch zu beschreiben“, sagt er. „So können wir den Aktualitäts-Nachtteil gegenüber den Online-Medien ausgleichen.“

Wichtig ist ihm, dass sein Wechsel nicht als Abgesang auf den Print-Journalismus verstanden wird; Ihm gehe es um „Genre-Erweiterung“, er werde auch weiterhin schreiben. „Die kommende Zeit beim Fernsehen sehe ich als Lehre.“

Schon beim Karnevalsruf fangen die Unterschiede an: Während die Düsseldorfer seit dem 11.11. „Helau“ rufen, heißt es in Krefeld-Hüls in der fünften Jahreszeit hingegen „Breetlook“ – was Porree bedeutet. Und wer den Karneval in Unterbach im Kreis Mettmann feiern will, sollte dies tunlichst mit „Unterbach I-Ah“ bekunden. Was wie unwichtige Details anmutet, ist für den künftigen Chefredakteur der „Westdeutschen Zeitung“ Martin Vogler (54) täglicher Bestandteil seines Jobs: Lokale Unterschiede beachten. „Unser Verbreitungsgebiet ist sehr heterogen: Wuppertal, Krefeld und Düsseldorf haben eine völlig andere Mentalität“, sagt Vogler. Diese Unterschiede in einer Zeitung einzufangen „ist eine schwierige Aufgabe“. Seit 75 Jahren gibt es die „Westdeutsche Zeitung“. Ebenso wie ihre Region hat sie zu kämpfen: Die Verkaufszahlen gingen allein in den letzten zwei Jahren um fast 15.000 auf 164.815 Verkäufe im dritten Quartal 2009 zurück. Auch damit spiegelt die Zeitung die Entwicklung des Verbreitungsgebietes: In etwa so viele Einwohner verlor Wuppertal in den letzten zehn Jahren, auch Krefeld schrumpft. Trotzdem sagt Martin Vogler: „Ich glaube an die Regionalzeitung, auch in gedruckter Form“. Als ehemaliger „Capital“-Textchef ging er den ungewöhnlichen Karriereweg: Vom Magazin zur Regionalzeitung. „Tageszeitungsjournalismus macht mir mehr Spaß, ein Magazin ist für mich zu behäbig. Eine Zeitung erscheint 300 Mal im Jahr – ich brauche das Tempo.“ Seit 2004 arbeitet Vogler als stellvertretender Chefredakteur bei der „WZ“, zum 1. Februar löst er Friedrich Roeingh (48) als Chef ab, der zur „Allgemeinen Zeitung“ nach Mainz wechselt.

Wenn die Sehnsucht nach eigenen Geschichten ganz groß wird, denkt Angelica Netz (55) zurück an ihre Tour durch die USA, der Route 66 folgend: „Das Wahnsinnigste und Tollste, das ich je für den WDR machen konnte“, sagt sie, einen Monat lang als Reporterin, jeden Tag auf dem Sender. Sie hat es geliebt, im Ausland unterwegs zu sein, sich selbst ein Bild zu machen, als freie Reporterin in Burma und Thailand, als Korrespondentin in Rom und Washington. Vor sechs Jahren hat sie sich davon verabschiedet und wurde Programmchefin von WDR2. Seit November ist sie zusätzlich Chefredakteurin des gesamten WDR-Hörfunks, was auch mit dem internen Umbau der Redaktionen zu tun hat. Fortan soll eine Koordinierungsstelle namens „Radio aktuell“ die Sender besser aufeinander abstimmen, damit sie zum Beispiel Termine nicht mehr doppelt besetzen: „Es kam schon mal vor, dass mehrere Reporter beim selben Termin waren“, sagt Netz. Transparenz erhöhen, Qualität steigern – das sind die Ziele, aber auch Kosten senken, allerdings ohne Personal abzubauen. Sie versteht die neue Organisationseinheit, die sie mitentwickelt hat, als „Informationsdrehscheibe“, auf die die WDR-Wellen zugreifen. Durch die neuen Strukturen und ihren neuen Job sind ihr jetzt auch das Hauptstadtstudio unterstellt, die Nachrichten, das CvD-Büro – und die Korrespondentenstudios, sodass sie sich jetzt wieder stärker um die geliebte Auslandsberichterstattung kümmern kann, allerdings als verantwortliche Planerin. Selbst rausgehen, das fehlt ihr zwar, aber sie sagt: „Heute gibt es Leute, die das besser können als ich.“

Vor einem Jahr wurde er noch als der Retter bejubelt: Der Verlag DuMont Schauberg, der Anfang 2009 nach Jahren des Zwangssparens die „Berliner Zeitung“ und auch die zum Berliner Verlag gehörende „Netzeitung“ vom britischen Investor Mecom übernahm. Doch langsam bekommt das Retter-Image Risse: Zuerst stießen die sogenannten Schreiberpools, die alle Blätter des Verlages (u. a. „Frankfurter Rundschau“, „Kölner Stadt-Anzeiger“) mit Berichten beliefern sollen, auf heftigen Widerstand. Nun ist für die „Netzeitung“ nach fast zehn Jahren ganz Schluss. „Aus wirtschaftlichen Gründen wird das bisherige Konzept Internetzeitung mit eigener Redaktion“ Ende Dezember aufgegeben, teilte der Verlag mit. Das kam auch für Domenica Ahlrichs (36), noch Chefin des Online-Portals, unerwartet: „Wir wurden informiert, kurz bevor die Pressemitteilung verschickt wurde. Die Nachricht von der bevorstehenden Kündigung der gesamten Belegschaft kam für uns überraschend“. Und weiter: „Wie es uns geht, kann man sich ja denken.“ Schon seit Jahren bangt die „Netzeitung“. Zuletzt wurde noch diskutiert, ob sie verkauft oder der Online-Abteilung von DuMont Net zugeschlagen werden sollte. Bei der „Netzeitung“ hoffte man hingegen auf eine Fusion mit dem Internet-Auftritt der „Berliner Zeitung“. „Wir hätten gern daran mitgewirkt, die Online-Strategien der gesamten Verlagsgruppe voranzutreiben“, sagt Ahlrichs. Dazu kam es nicht mehr: Die Internetzeitung sei in ihrer derzeitigen Form „wirtschaftlich nicht zu betreiben“, heißt es vom Verlag. Sich nur über Anzeigen zu finanzieren „war für die ‚Netzeitung’ immer schwierig“, sagt Ahlrichs, aber „zeitweise haben wir es geschafft“. Noch offen ist, wie sich die Entscheidung von DuMont Schauberg auf die „Berliner Zeitung“ auswirkt. Dort wartet man seit Jahren auf Investitionen in zeitgemäße Technik. Schon öfter war eine Online-Offensive angekündigt und dann doch wieder vertagt worden. „Der Chefredakteur Uwe Vorkötter hat bei der ‚Frankfurter Rundschau’ gezeigt, dass er den Onlineauftritt der Zeitung stärken will. Darauf hoffe ich auch für die ‚Berliner Zeitung’“, sagt Ahlrichs. Ob dabei der ein oder andere Redakteur der „Netzeitung“ einen neuen Job findet, ist unklar.

Seine Stimme kennen die meisten Zuschauer von der Fußball-WM 2006 in Deutschland: Gerd Gottlob (44) war damals einer von drei ARD-Kommentatoren. Eine Begegnung begeisterte ihn ganz besonders: „Spanien gegen Tunesien in Stutt-gart war ein Spiel, wie man es sich als Kommentator wünscht. Flutlicht, tolle Atmosphäre, der
Außenseiter geht in Führung, aber die Spanier spielten weiter ihren schönen Offensivfußball und wurden am Ende auch belohnt“, erinnert er sich. Doch seine Bewährungsprobe war Peking 2008. Weil er dort als ARD-Programmchef für die Olympischen Sommerspiele „seine Fähigkeiten als Programm-Manager unter Beweis gestellt“ habe, wie NDR-Intendant Lutz Marmor lobt, leitet Gottlob seit 1. November den Programmbereich Sport beim NDR. Gottlob ist ein echtes Nordlicht: in Schleswig-Holstein geboren, Volontariat beim „Stormaner Tageblatt“, Redakteur bei der „Hamburger Morgenpost“, dann startete er schon seine Karriere beim NDR. Als Sport-Chef löst er Axel Balkausky (44) ab, der jetzt hauptamtlich den Sport in der ARD koordiniert – bisher tat er das auch schon, allerdings parallel zu seinem NDR-Job.

Ein Treffen von alten Bekannten: Rainer Schmidt übernimmt bei Axel Springer künftig die Verantwortung für die drei Musiktitel „Musikexpress“, „Rolling Stone“ und „Sounds“ und arbeitet dadurch wieder eng mit seinem ehemaligen Chef Ulf Poschardt zusammen. Beide kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit bei „Vanity Fair“, wo Schmidt als Poschardts Stellvertreter fungierte. Auch Poschardt tritt bei Springer in Doppelfunktion auf: Als Herausgeber der Musiktitel und als stellvertretender Chef der „Welt am Sonntag“. Rainer Schmidt löst zum 1. Januar 2010 Christian Stolberg („Musikexpress“) und Bernd Gockel („Rolling Stone“) ab. Ebenfalls aus der alten „Vanity-Fair“-Runde rückt der frühere Reporter Jörg Rohleder beim „Musikexpress“ als Stellvertreter in die Riege der Chefs vor. Neben der personellen Änderungen müssen sich die Mitarbeiter der Zeitschriften auch an eine neue Stadt gewöhnen: Die Titel ziehen von der Isar an die Spree und werden der in Berlin ansässigen „Welt“ Gruppe zugeordnet.

>>> ausserdem

Nun ist es amtlich: Knapp sechs Monate, nachdem Barbara Thomas das Amt der Vorstandsvorsitzenden der Akademie für Publizistik nach dem plötzlichen Tod von Rainer M. Cabanis kommissarisch übernommen hatte, wurde sie im November offiziell darin bestätigt. Neben der Professorin am Institut für Medienwissenschaften der Ruhr Universität in Bochum treten außerdem Rüdiger Ditz (Chefredakteur „Spiegel Online“), Hans Werner Kilz (Chefredakteur „Süddeutsche Zeitung“) und Claudia Spiewak (Chefredakteurin NDR Hörfunk) dem Vorstand bei. Seit fast 40 Jahren bietet die von Verlagen, Verlegern und Journalistenverbände sowie Einzelunterstützern getragene Akademie journalistische Aus- und Fortbildungen an.

Zwangspause für drei Bauer-Chefredakteurinnen: Der Verlag baut die wöchentlichen Frauenzeitschriften gerade um und strich dabei die Posten der Chefinnen von „Mach mal Pause“ (im 3. Quartal 136.927 verkaufte Exemplare), „Alles für die Frau“ (263.292 Verkäufe im 3. Quartal) und „Bella“ (143.636 Verkäufe im 3. Quartal). Alle drei Titel hatten in den letzten zwei Jahren etwa 20 Prozent verloren, „Alles für die Frau“ mit Chefredakteurin Imme Schröder sogar fast 30 Prozent. „Bella“ wird künftig dem anderen Bauer-Frauentitel „Tina“ unter der Leitung von Sabine Fäth angegliedert, „Mach mal Pause“ und „Alles für die Frau“ wandern unter das Dach von „Laura“ und zu Chefredakteurin Viola Wallmüller. Wie viele Angestellte der neue Sparkurs ebenfalls betrifft, sollen die neuen Chefredakteurinnen erarbeiten. Fest steht aber schon: Die Kölner Druckerei wird geschlossen, künftig laufen die Druckmaschinen im Osten, in Polen.

>>>Lob und Preis

Mut, Sorgfalt, Beharrlichkeit. Diese drei Eigenschaften charakterisieren die drei Prämierten des zum dritten Mal verliehenen Preises „Der lange Atem“. Der Journalistenverband Berlin-Brandenburg würdigt mit dieser Auszeichnung Arbeiten von Journalisten, die sich einem in der Hauptstadtregion gesellschaftlich relevanten Thema „über einen längeren Zeitraum widmen und es engagiert in die Öffentlichkeit tragen“. Den ersten Preis erhielt in diesem Jahr Andreas Förster, der sich bei der „Berliner Zeitung“ seit vielen Jahren mit seinen Recherchen um die Aufarbeitung der Machenschaften in der Stasi verdient macht. Für ihre klugen und engagierten Berichte über Geschlechterstereotype wurde „taz“-Redakteurin Heide Oestreich mit dem zweiten Preis ausgezeichnet. Der dritte ging an Jo Goll vom Rundfunk Berlin-Brandenburg. Er überzeugte mit seinen ebenso sachlichen wie tiefgründigen Beiträgen über „Wege aus der Parallelgesellschaft“.

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Seit 2007 gehören Länder wie Bulgarien oder Rumänien zur EU und doch verbinden entweder nichts oder Vorurteile wie Mafia und Autodiebstahl mit den entfernten Nachbarn. Texte, die darüber hinausgehen, die eindringlich über außergewöhnliche Themen in Mittel- und Osteuropa berichten, zeichnet der n-ost Reportagepreis aus. 2500 Euro erhielt der „FAZ“-Korrespondent Michael Martens für seine Reportage über bulgarische Krankenschwestern, die acht Jahre lang in der Gefangenschaft lybischer Entführer verbrachten und noch immer mit den Spätfolgen kämpfen. Weitere Preisträger sind der freie Journalist Nicol Lubic (1.000 Euro) und Oliver Bilger (500 Euro), Volontär bei der „Süddeutschen Zeitung“ für seine Geschichte über einen Misshandlungsfall in der russischen Armee.

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Den Blick für die uneigennützige Tat will der Journalistenpreis „pro Ehrenamt“ schärfen. Den Gesamtpreis von 20.000 Euro teilen in diesem Jahr vier Journalistinnen unter sich auf: Heike Faller von der „Zeit“ erhielt den Preis für ihre Reportage über Partnerschaften zwischen Ehrenamtlichen und Menschen, die am Rand der Gesellschaft stehen. Jennifer Wilton von der „Berliner Morgenpost“ begleitete zwei jungen Frauen mit dem Kältebus durch Berlin. Ebenfalls geehrt wurden Regine Beyer (SWR 2) und Rita Stingl (Frontal 21).

Der absurdeste Journalistenpreis im Dezember: „Business of Beauty – Medienpreis Friseur“, gestiftet von der Interessenvertretung Friseurprodukte, dotiert mit insgesamt 20.000 Euro: „Prämiert werden Beiträge, die sich anspruchsvoll mit dem Berufsbild auseinandersetzen und die Komplexität und Vielseitigkeit des Berufes anschaulich vermitteln“, heißt es auf der Internetseite des Stifters. Einsendeschluss: 31. Januar 2010.

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Erschienen in Ausgabe 12/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 60 bis 60. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.