Wie ein Wissenschaftler und Journalist die Lage im Journalismus sieht.
* Die klassischen Medien stecken in der größten Sinnkrise ihrer Geschichte, schrieb die Süddeutsche Zeitung. Wie sehen Sie die Zukunft des Journalismus?
Bernhard Pörkensen: Der Qualitätsjournalismus ist tatsächlich bedroht. Die Eine-Million-Euro-Frage lautet: Wie lässt sich Qualität refinanzieren? Gleichwohl: Ich möchte mich nicht an den düsteren, oft apokalyptischen Prognosen beteiligen. Nach dem Motto: Am 5. Januar 2040 wird die letzte Zeitung erscheinen; das halte ich für reinen Unsinn.
Ist die Krise Katalysator einer Entwicklung hin zu einer Gesellschaft mit weniger professionellen Journalisten?
Nach dem Platzen der New-Economy-Blase gab es auch eine Krise, von der sich der Journalismus glücklicherweise wieder erholt hat. Mit einem Mal wurden wieder interessante Projekte begonnen. Insofern kann man sagen: Wenn die Wirtschaft wieder anzieht, werden sich auch die nun bedrängten Formen des Journalismus wieder erholen. Natürlich werden im Netz weniger professionelle Formen des Journalismus ausprobiert, aber das ist auch eine Lernchance für die Traditionalisten der Profession, die mit ganz anderen Darstellungsformen konfrontiert werden.
Allerdings laufen wir im Journalismus auf eine Drei-Klassen-Gesellschaft zu: Auf der einen Seite gibt es die Stars, die das Image der Branche prägen, auf der anderen Seite die Profis, die im Hintergrund ihre Arbeit machen. Und schließlich ein wachsendes publizistisches Prekariat, das sich von Job zu Job hangelt, das PR und Journalismus vermischt, sich oft auch durch kleine Tricksereien über Wasser halten muss. Die Zeiten der Festanstellung und der beruflichen Automatismen (man besucht ein renommiertes Institut und hat danach eine Festanstellung) sind in der Tat vorbei.
Können Sie angesichts dieser Situation jungen Menschen überhaupt noch empfehlen, Journalist zu werden?
Der Journalismus ist nach wie vor ein wunderbarer Beruf. Was ich jedoch mit leisem Schrecken beobachte ist, dass sich viele junge Leute, die in den Journalismus wollen, ihren eigenen Wünschen und Träumen mit einer gewissen Verzagtheit und fast depressiven Grundstimmung nähern. Sie sind schon glücklich, wenn sie nur einen Praktikumsplatz bekommen egal, wo und unter welchen Umständen. Die Konsequenz lautet aus meiner Sicht: Lehrende der Journalistik und Medienwissenschaft müssen immer auch im Ermutigungsgeschäft tätig werden. Es kann nicht sein, dass wir Schreckensmeldungen nur reproduzieren und die Begründung für Depressivität empirisch fundieren. Es ist, so meine ich, gerade die Aufgabe der Universitäten, ein Labor für das Neue und Andersartige zur Verfügung zu stellen, zur Kreativität zu ermutigen, auch zu einer gewissen Kantigkeit und einem robusten Selbstbewusstsein. Das Großartige des Berufs ist, dass man mit einer Idee, die noch niemand hatte, sehr weit kommen kann. Sie sehen: Ich plädiere nicht für einen puren Idealismus, aber doch für mehr Neugier, für mehr Mut und eine andere Lust an der publizistischen Kreativität. Diese wird sich, davon bin ich überzeugt, auch auszahlen.
Erschienen in Ausgabe 12/2009 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 13 bis 13 Autor/en: Interview: Paulina Henkel. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.