Auftritt mit Folgen

In dem Interview mit dem neuen ZDF-Chefredakteur war es ein Aspekt und keineswegs der wichtigste: Als wir Peter Frey Mitte Juni in Mainz trafen und über seine Pläne für „das Zweite“ sprachen, fragten wir ihn auch nach seiner Haltung zu Nebentätigkeiten für Moderatoren des ZDF. Sein Vorgänger, Nikolaus Brender, hatte einst erklärt, „Journalisten werben nicht“, als Johannes B. Kerner die Aktie von Air Berlin wärmstens empfahl. Diesmal gab es einen anderen Anlass, weit weniger plakativ und dennoch fragwürdig: Katrin Müller-Hohenstein, die Vorzeige-Sportmoderatorin und damit sogenanntes „programmprägendes Gesicht“ des ZDF, hatte sich in den Dienst des „Qualitätsbeirats“ der Molkerei Weihenstephan gestellt – eigentlich für eine gute Sache, nämlich gesunde Ernährung. Nur: Wie Weihenstephan Müller-Hohenstein „mit ihrer journalistischen Komptenz“ als Schirmherrin dieses Qualitätsbeirats promotete, war keineswegs nur uneigennützig, sondern werblich. Oder wie würden Sie Aussagen verstehen wie diese: „Zusammen mit den Verbrauchern dokumentiert Katrin Müller-Hohenstein, dass die Molkerei Weihenstephan ihr Qualitätsversprechen kompromisslos einhält.“

Peter Frey, von uns mit diesem Engagement seiner Sportmoderatorin erstmals konfrontiert, reagierte überrascht, bat sich Zeit zur Überprüfung aus und fand dann deutliche Worte: „Ihr Internet-Auftritt auf den Seiten von Weihenstephan ist nicht glücklich und kann so nicht bleiben. Er entspricht nicht den Vorstellungen des ZDF von Auftritten seiner journalistischen Köpfe.“ (siehe Interview S. 18 ff.) Die Reaktionen, die unsere Vorabmeldung mit Freys Aussagen auslöste, zeigen, wie sensibel das Thema „Journalismus und Werbung“ ist und zu Recht sein sollte. Und wie problematisch es ist, wenn Journalisten diese Bereiche nicht penibel voneinander trennen. Glaubwürdiger Journalismus im besten Sinne ist mehr als „nur“ ein Handwerk. Es ist auch eine Berufung im Dienst der Aufklärung. Das Berufsbild des Journalisten braucht scharfe Konturen – erst recht angesichts von inflationären Begriffen wie „Bürgerjournalisten“ und „Qualitätsreporter“ (Weihenstephan).

Als Antwort auf die Frage, warum er selbst Journalist geworden sei, zeigte uns Peter Frey einen Brief. Als 22-Jähriger hatte er, auf den Spuren des Romans „Das siebte Kreuz“ von Anna Seghers, die Geschichte eines Nazi-KZ in Rheinhessen recherchiert. Den Beitrag, in SWF3 und der „Zeit“ veröffentlicht, schickte er damals Anna Seghers, die ihm mit den Worten dankte: „… Ich wünsche mir sehr, dass es an sehr viel mehr junge Menschen herangebracht wird als bisher …“ Und wie zur steten Mahnung hat er dem gerahmten Brief ein Zitat von Anna Seghers hinzugefügt: „Wer auf Menschen einwirken will, muss von den Menschen, an die er sich wendet, verstanden werden.“ Seine Botschaft an Katrin Müller-Hohenstein dürfte auch für die anderen Mitarbeiter im ZDF unmissverständlich gewesen sein.

Der Neue. Nun ist es also offiziell: Kurt Kister wird Anfang 2011 Chefredakteur der „Süddeutschen Zeitung“. Ihm zur Seite als Stellvertreter Wolfgang Krach und als Mitglied der Chefredaktion der Innenpolitik-Chef Heribert Prantl. Eine interessante Konstruktion mit abgestufter Verantwortlichkeit – bei der man sich fragt, welche Zuständigkeiten das Triumvirat beim Blattmachen ausleben wird. Einstweilen aber gilt die Parole: Keine Details über Pläne, solange Hans-Werner Kilz noch die SZ regiert – bis Ende des Jahres also. Dafür haben wir zwei Kister-Kenner gebeten, ihre ganz persönlichen Sichtweisen auf den designierten SZ-Chef zu schildern: Thomas Steg, ehemaliger Regierungssprecher der großen Koalition, ein persönlicher Freund, und Oliver Gehrs, der als ehemaliger Kollege die Wirkungsweise von Kister auch aus dem Innenverhältnis kennt. Das Doppel-Portrait „Grandios & gnadenlos“ finden Sie auf Seite 24f.

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Annette Milz

Erschienen in Ausgabe 07+08/2010 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 4. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.