In & Out

IN: Blogger-Aktivismus: „Zensursula“ war erst der Anfang. Dann kamen Köhlers Afghanistan-Debatte, „My Gauck“, und breite politische Diskussionen zu Sparpaket, Sozialpolitik und unzähligen E-Petitionen. Es ist eine Binsenweisheit, aber trotzdem kann es kaum oft genug gelobt werden: Viele Blog-Beiträge greifen ganz im Sinne des „Long Tail“ auch eher abwegige Themen differenziert auf und können auf Kommentatoren jenseits des stumpfsinnigen „Die da oben“-Spektrums zählen. Ebenfalls erfreulich: Die Darstellungsformen nutzen die Freiheiten des Mediums und sind mindestens so vielfältig wie die Twitter-Avatare, die das Gauck-Mosaik bildeten. Ergebnis: Die Blogosphäre wird zum zurecht akzeptierten Teil der vierten Gewalt im Staate. Und auch „alte“ Medien bauen endlich Berührungsängste ab …

OUT: Blogger-Stolz: … nur leider will’s dann manchmal keiner gewesen sein. Für die (zu?) zugespitzte These im ZDF-„heute-journal“, dass Blogger Horst Köhler gestürzt haben, wollte keiner der angeblich „Schuldigen“ vor die Kamera. Ihr Argument: Die traditionellen Medien wollten nur personalisieren, um zu skandalisieren. Schlüssig? Nein, denn der eigene Anteil am Köhler-Aus hätte auch vor Kameras sinnvoll eingeordnet werden können. Viele Zeitungen taten genau das und arbeiteten die Web-Entrüstungswelle minutiös und unaufgeregt auf. Ein bisschen mehr Entdeckerstolz hätte der Netzgemeinde gut getan, denn für eine breite öffentliche Wahrnehmung braucht es immer noch die reichweitenstarken „alten“ Medien. Es zählen nicht nur die eigenen Aktivitäten – mit jedem unaufgeregten Bericht über die neue Macht aus dem Web gewinnt die Graswurzel-Demokratie im Netz ein verdientes Stück Relevanz.

Christian Fahrenbach (29),

ist freier Journalist in Stuttgart und Mitglied beim Netzwerk jungejournalisten.de

Erschienen in Ausgabe 07+08/2010 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 6 bis 6. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.