Stimmt’s, …?

01. … dass Joachim Gauck Hans-Ulrich Jörges instrumentalisieren wollte?

Elf Minuten musste der „stern“-Vize am 6. Juni warten, bis er bei Anne Will an die Reihe kam. Er wollte eine Geschichte loswerden, und zwar gleich zu Beginn der Sendung. Thema war die Kandidatur von Christian Wulff und Joachim Gauck für das Amt des Bundespräsidenten. Jörges begann zu erzählen:

„Ich habe heute Mittag einen Telefonanruf erhalten. Und weil ich nicht gleich erreichbar war, eine SMS erhalten. Gemeldet hat sich bei mir der Mitarbeiter von Joachim Gauck. Wegen dieser Sendung soll ich ihn nochmal zu einem kurzen Gespräch zurückrufen. (…) Offenbar in der Annahme, dass ich dann zu gewinnen wäre, heute Abend für ihn zu sprechen. Ich habe nachher den Namen des Büroleiters gegoogelt und festgestellt, dass er aus dem Büro von Frank Walter Steinmeier beim SPD-Parteivorstand stammt.“

Jörges erhob die Stimme: „Einen solchen Versuch der Einflussnahme vor einer solchen Fernsehsendung habe ich n-o-c-h n-i-e erlebt.“

Anne Will nahm den Ball auf. An die stellvertretende SPD-Parteivorsitzende Manuela Schwesig gerichtet, fragte sie: „Hat die SPD das nötig, dass sie unsere Gäste zu instrumentalisieren versucht?“ Schwesig wich einer Antwort aus, denn sie kannte den Vorgang nicht. Das „Medium Magazin“ auch nicht. Angesichts der Schwere des Vorwurfs hakten wir nach.

Der oben genannte Büroleiter, Johannes Sturm, hört sich am Telefon etwas bedröppelt an. Obgleich es um ihn geht, will er sich nicht selbst äußern und verweist auf Gaucks Pressesprecher, Johann Legner. Sturm begründet das damit, dass er zwar an jenem 6. Juni für die Pressearbeit zuständig gewesen sei – allerdings nur, weil der tatsächliche Pressesprecher erst am Montag darauf seinen Posten angetreten habe. Er wolle sich an die Ordnung halten. Kurz darauf ruft Johann Legner an, früher Redaktionsleiter und zuletzt freier Korrespondent von „Lausitzer Rundschau“ und „Potsdamer Neueste Nachrichten“. Den Pressejob für Gauck, sagt er, habe er ehrenamtlich und vorübergehend übernommen. Schließlich erklärt er, was es mit dem Anruf bei Jörges auf sich hatte.

Als Gauck bei Anne Will abgesagt und dabei erfahren hatte, wer ihre Gäste an diesem Sonntagabend seien, will Gauck anstatt Jörges Jürgs verstanden haben. Jürgs, wie Michael Jürgs, der ihm bekannte, ehemalige „stern“-Chefredakteur. Er bat Sturm, mit Jürgs ein Telefonat zu arrangieren. Der tat, aber nicht wie geheißen, denn er ging davon aus, dass Jörges vom „stern“ gemeint war. Jörges war nicht zu erreichen, also schickte er ihm eine SMS.

Soweit deckt sich das mit Jörges’ Angaben, die er dem „Medium Magazin“ auf Anfrage erneut schildert. Sturm habe ihm um 11.45.38 Uhr folgende SMS geschickt: „Sehr geehrter herr joerges, ich bitte um einen kurzen rueckruf wegen der heutigen will-sendung. Vielen dank! Johannes sturm / bueroleiter joachim gauck“.

Jörges sagt, er habe Sturm um 12.27 Uhr zurückgerufen. Aus dem Telefon habe er den Satz gehört: „Wir haben gesehen, dass Sie bei Anne Will sind.“ Daraufhin sei ihm angeboten worden, vor der Sendung mit Gauck zu telefonieren. Jörges: „Ich habe das abgelehnt, weil ich einen sicheren Eindruck von Gauck hätte und mich auf einen solchen Beeinflussungsversuch vor der Sendung nicht einlassen könne.“ Sturm habe daraufhin „nochmals nachgehakt und mich gefragt, wann ich denn zuletzt mit Gauck Kontakt gehabt hätte. Worauf ich geantwortet habe, das sei zwar eine Weile her, ändere aber nichts an meiner Haltung.“

Tatsächlich, sagt Legner, habe Gauck gar nicht mit Jörges sprechen wollen. Er habe nicht einmal an Jörges gedacht. Vielmehr sei er immer davon ausgegangen, dass von Jürgs die Rede sei. Jürgs, der am Tag, als Horst Köhler zurücktrat, abends bei „Beckmann“ zu Gast war; der Journalist, den er seit Jahren kennt, weil sich Jürgs in Artikeln und Büchern immer wieder mit Ost und West, der Treuhand und der Stasi beschäftigt, und mit dem er regelmäßig Kontakt hat.

Doch wenn ein Jörges sich erst einmal eine Meinung gebildet hat, lässt er sich nicht beirren, schon gar nicht von der Möglichkeit, einer schlichten Namensverwechslung aufgesessen zu sein. Er bleibt dabei: „Es ging um mich und um die Sendung am Abend.“ Die Jürgs-Erklärung sei eine „Legende“. Sie sei „der billige Versuch, Spuren zu verwischen“. Das Telefongespräch zwischen Michael Jürgs und Joachim Gauck kam übrigens einige Tage später doch noch zustande.

Angenommen, Gauck habe Jürgs tatsächlich anrufen wollen, weil er ihn bei Anne Will vermutete. Wohl kaum, um Jürgs dafür zu gewinnen, sich für ihn, Gauck, als den „Besseren“ (Zitat „Spiegel“) einzusetzen. Oder glaubt irgendwer, Michael Jürgs hätte sich für Christian Wulff als Bundespräsident eingesetzt???

02. … dass Kai Diekmann eine Karriere als Schauspieler anstrebt?

Dem „Bild“-Chef ist vieles zuzutrauen, wenn es um die Inszenierung seiner selbst geht. Man erinnere sich nur an seine taz-Aktionen oder das Blog oder jüngst das Telekom-Filmchen auf youtube. Gerüchteweise kursiert nun, Kai Diekmann könnte eine Rolle in der Verfilmung von „Frag mich, Schatz, ich weiß es besser!“ übernehmen. Geschrieben hat die vom Diana-Verlag (Random House) veröffentlichten „Bekenntnisse einer Ehefrau“ Diekmanns Gattin Katja Keßler – als Kolumnensammlung aus dem Alltag der Familie Diekmann/Keßler. Schon vor drei Jahren wollte Regina Ziegler ein Buch der einstigen „Bild“-Miezen-Betexterin verfilmen („Herztöne“). Damals standen die Rechte nicht zur Verfügung. Jetzt hat es mit dem neuen Buch geklappt. Gedanken darüber, wer welche Rolle spielen könnte und ob Diekmann infrage käme, hat sich die Berliner Produzentin noch nicht gemacht. Erst müsse das Treatment geschrieben sein.

03. … dass Ove Saffe vergessen lässt, wer vor ihm „Spiegel“-Geschäftsführer war?

Bernd Buchholz wusste, warum er damals Ove Saffe nicht ziehen lassen wollte. Zwei Jahre sind seither vergangen. Buchholz, damals Gruner+Jahr-Zeitschriftenvorstand, ist jetzt Vorstandschef bei G+J, „stern“-Verlagsgeschäftsführer Saffe „Spiegel“-Geschäftsführer. Und Mario Frank? Der Mann, der als Saffes Vorgänger nur schlechte Erinnerungen hinterließ, lebt in Berlin-Charlottenburg, gibt keine Auskunft über seine angeblichen Buchprojekte und wiederholt am Telefon stoisch: „Ich lebe als Privatmann und gebe keine Interviews.“

Saffe lässt die kurze Frank-Ära tatsächlich fast vergessen. Anstatt mit Traditionen zu brechen, hält Saffe sie hoch. Womöglich liegt es daran, dass er Augstein noch gekannt hat. Nur vordergründig mag unbedeutend sein, dass Saffe, wenn er an einem Donnerstag in der „Spiegel“-Kantine Labskaus isst, zu erzählen weiß, warum es hier, anders als anderswo, freitags nie Fisch gibt. Augstein hatte es nicht so mit der Kirche, und Saffe fand das immer sehr sympathisch.

Wenige wissen, dass Saffe seine Schulzeit einst für ein halbes Jahr unterbrochen hat, um am Konservatorium dann doch zu merken, dass eine klassische Ausbildung an Klavier und Schlagzeug nichts für ihn ist. Privat wie im Beruf agiert er ruhig, unaufgeregt und kontrolliert. Wie Karl-Dietrich Seikel, sein Vorvorgänger. Aber Saffe scheut auch Härte nicht. Das bewies er mit dem Rauswurf seines langjährigen Freundes, dem „Spiegel“-Anzeigenmann Christian Schlottau. Anders als Schlottau hält Saffe übrigens nichts von Vermarktungsallianzen mittelständischer Verlage, um den marktmächtigen Medienkonzernen Paroli zu bieten. Er sucht auch keinen Anschluss zu Partnern. Weder würde er den „Spiegel“ von G+J vermarkten lassen, noch käme eine Anzeigenkombi mit FAZ oder „Süddeutsche“ infrage. Und auch vom Mandantengeschäft, bei dem der Spiegel-Verlag Dritte ver
markten würde, hält er nichts. Mag sein, dass er damals, frisch von G+J kommend, anders gedacht hat. Aber jetzt ist er „Spiegel“-Mann, und als solcher fragt er sich: Was würde es dem „Spiegel“ bringen, sich als Marktführer mit einem anderen, schwächeren Medium zusammenzutun? Saffe findet: Höchstens Nachteile.

Erschienen in Ausgabe 07+08/2010 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 12 bis 13 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.