Top 30 bis 30

Als wir vor fünf Jahren das erste Mal auf die Suche nach den Top 30 bis 30 gingen, geriet diese Suche zu einem höchst schwierigen Unterfangen: Viele Chefredakteure wollten sich nicht mit Empfehlungen beteiligen – aus Angst, ihre so bundesweit „geouteten“ Talente gingen ihnen dann bald verloren an die Konkurrenz. Nicht wenige der Jungen wiederum waren, gelinde gesagt, zögerlich – aus Angst, eine solch exponierte Darstellung würde ihnen eher Chancen rauben als ermöglichen, die Erwartungen an sie sprunghaft steigen, der Neid auch.

Diese Probleme haben wir heute nicht mehr: Die jährliche Liste unserer Top 30 bis 30 hat sich rumgesprochen – beim Nachwuchs und in den Chefetagen. Und im Gegensatz zu 2005 haben wir eher das Problem, noch stärker unter den vielen potenziellen Kandidaten und Kandidatinnen auswählen zu müssen.

Daniel Bouhs, selbst noch unter 30, Daniel Kastner und Anne Haeming, beide knapp drüber, haben erneut wochenlang recherchiert, in Redaktionen und bei Ausbildungsinstitutionen, Preise- und Stipendien-Gewinner unter die Lupe genommen, Empfehlungen bei Redaktionsleitern, Kollegen, Juroren – und ehemaligen „Top 30 bis 30“-Kandidaten eingeholt. Erstmals haben wir in diesem Jahr auch über www.mediummagazin.de interessierte Leser und Leserinnen aufgerufen, sich mit eigenen Vorschlägen zu beteiligen. Nach der guten Resonanz darauf wird das künftig zur regelmäßigen Einrichtung.

Wir haben uns die Wahl der Top 30, die es 2010 auf die Liste geschafft haben, wahrlich nicht leicht gemacht. Viele unter den Kandidaten und Kandidatinnen, die letztlich nicht dort erscheinen, sind sicher ebenso qualifiziert und geben zu viel Hoffnung Anlass.

Doch wo zieht man da Grenzen? Soll beispielsweise Leo Fischer, Chefredakteur der „Titanic“ nun schon seit zwei Jahren und doch erst 28 Jahre alt, einen Platz auf der Liste finden oder nicht? Wir haben uns letztlich dagegen entschieden, zugunsten weniger bekannten Newcomern.

Eine weitere Schwierigkeit war eigentlich eine durchaus positive. Uns war wichtig, mit dieser Auswahl die tatsächliche Bandbreite darzustellen an unterschiedlichsten Talenten in allen Gattungen, die der Journalismus heute zu bieten hat. Aber ungewöhnlich viele Empfehlungen aus allen möglichen Richtungen betrafen diesmal den „Spiegel“ und „Spiegel Online“.

Auch hier mussten wir auswählen, der immer noch überproportionale Anteil des „Spiegel“-Nachwuchses in den Top 30 bis 30 – vier insgesamt – dokumentiert jedoch, wie stark gerade in diesem Haus qualifizierter Nachwuchs gefördert wird.

Ähnlich wie im Vorjahr ist der Nachwuchs aus Hörfunk und Fernsehen unter den Top 30 bis 30 bei weitem nicht so stark vertreten wie jener aus Print und (mit wachsendem Anteil) Online. Das bedauern wir, doch es unterstreicht zugleich auch einen Trend: Die Möglichkeiten, eigenverantwortliches journalistisches Können zu beweisen, sind für den Nachwuchs im Radio und TV rar gesät.

Den Auswahlkandidaten haben wir erneut eine Reihe an Fragen gestellt, zum Beispiel: Welche Geschichte ist Ihnen besonders gelungen? Wie würden Sie gerne in zehn Jahren arbeiten? Welcher Kollege hat Sie besonders unterstützt – und wie? Und: Warum tun Sie eigentlich, was Sie tun?

Die Antworten darauf finden Sie auf den nächsten Seiten.

Medium:online

Die ausführlichen Antworten der Kandidaten 2010 sind dokumentiert unter www.mediummagazin.de, für Abonnenten exklusiv zugänglich bis zum 1. Oktober: Passwort T302010

„Les Mads“

Julia Knolle (24) und Jessica Weiß (21)

Sie gehören zu den Pionierinnen der deutschen Modeblog-Szene, hier werden Themen gesetzt. Die beiden überzeugten sogar den Burda-Verlag von ihrem Projekt, kaum dass es 2007 online war – da waren Julia Knolle und Jessica Weiß 24 und 21 Jahre alt. „Les Mads“ stellt private Outfits vor, dokumentiert die aktuellen Modeschauen, weist auch einmal kritisch auf das Gebaren der Bekleidungsindustrie hin. Vor allem aber sind die Macherinnen als Trüffelschweine in Sachen Stil unterwegs. Mit dieser Mischung aus persönlichem und journalistischem Ansatz hat „Les Mads“ mittlerweile über 500.000 Besucher im Monat. Und dieses Jahr gab’s den „Lead Award“ in Gold für das beste Weblog des Jahres obendrauf. Knolle ist vor ein paar Wochen ausgestiegen, Weiß ist nun alleinige Chefredakteurin des stetig wachsenden Netzwerks, gerade startete der Relaunch. Außerdem sitzen sie derzeit an einem Buch über „Les Mads“, es erscheint Anfang 2011. Egal, was die beiden noch machen werden: Ihr Gespür für Neues und ihr Händchen für zukunftsträchtigen Onlinejournalismus haben sie bereits bewiesen.

Katharina Beckmann (28)

„Geolino“-Redakteurin

„Journalismus für Kinder ist guter Journalismus in seiner reinsten Form“, sagt sie. Und sie beherrscht, was viele als Kinderkram abtun: für junge Leser texten, ohne sich anzubiedern. Mit 15 fing sie als Freie in der Lokalredaktion des „Westfalen-Blatt“ an; sie studierte Journalistik in Dortmund, volontierte beim WDR, landete über ein Praktikum bei „Geolino“ – seit 2006 ist sie dort Redakteurin.

Stolz auf: ein Hörstück über eine Kölner Palliativstation. Und das Porträt ihrer fast 100-jährigen Urgroßmutter, in dem sie neben Biografischem auch gleich ein wenig Biochemie erklärte. Förderer: Lothar Fend (WDR3). Und ihre „Geolino“-Chefs Kirsten Bertrand, Martin Verg und Barbara Lich. In zehn Jahren: „Das, was ich jetzt mache, ist genau das Richtige.“

Justus Bender (28)

„Zeit Campus“-Redakteur

Das muss man erst einmal schaffen: Er kam als 24-jähriger Praktikant und wurde prompt für Redakteursvertretungen zurückgeholt – von der FAZ und der „Zeit“. Neben seinem Philosophie-Studium arbeitete er frei für „Zeit Campus“ und „Die Zeit“, seit 2009 hauptberuflich. Derzeit ist er noch bis Oktober als Arthur-F.-Burns-Stipendiat beim „Boston Globe“.

Stolz auf: den Wasserkocher, den er auf einem Schützenfest gewonnen hat, als er drei Monate für das „Zeit Magazin“ undercover Mitglied in einem deutschen Schützenverein war.

Förderer: Manuel J. Hartung, Chefredakteur „Zeit Campus”, und Christoph Amend, Redaktionsleiter „Zeit Magazin”, weil „sie meine Texte gedruckt haben“.

In zehn Jahren: will er offline arbeiten „und hoffentlich auf Papier!”

Johannes Boie (26)

Volontär „Süddeutsche Zeitung“

Fast wäre er fort gewesen: Boie textete leidenschaftlich für die Werbeagentur BBDO – und schaute dann doch bei „Spiegel Online“, „Tagesspiegel“ und „Jüdische Allgemeine“ vorbei. Nun volontiert er bei der „Süddeutschen Zeitung“ und klärt über Ressortgrenzen hinweg über das Web 2.0 auf. Selbst lebt er vor ‚wie’s geht: Derzeit ist er bei der „Los Angeles Times“ zu Gast und bloggt für die SZ über seine Recherchen zu „Gangs in LA“.

Stolz auf: seine SZ-Geschichte über arabische Familienclans und Imame, die hierzulande ihr eigenes Rechtssystem etablieren. Förderer: Andrian Kreye (SZ), Christian Boehme („Jüdische Allgemeine“).

In zehn Jahren: will er in einer Welt arbeiten, in der „die Möglichkeiten des Print-Online-Zusammenspiels voll ausgenutzt werden“.

Jan Philipp Burgard (25)

Student und „Tagesthemen“-Mitarbeiter

Studium in Bonn und an der renommierten Pariser Sorbonne, von dort Berichte für „Handelsblatt“ und „Focus“, etwa über den französischen Präsidentschaftswahlkampf – eine Mischung aus Ehrgeiz und Talent, mit der Burgard früh Eindruck hinterließ, vor allem bei der ARD: Für die war er erst als Producer des Washingtoner Studios mit Barack Obama auf Wahlkampf-Tour, um dann mit 23 Jahren als jüngstes „Tagesthemen“-Redaktionsmitglied aller Zeiten anzutreten.

Stolz auf: das Anschieben der Veranstaltungsreihe „Wege in den Traumberuf Medien“ (mit etwa 10.000 Jugendlichen pro Jahr). Förderer: Tom Buhrow (ARD), Manfred Weber-Lambardière („Focus“, Paris)

In zehn Jahren: will er einen „innovativen Polit-Talk für junge Leute“ moderieren.

Christoph Cadenbach (30)

Redakteur beim „SZ-Magazin”

Ein Händchen für Mensche
n und ihre Geschichten hat er früh bewiesen: Zuerst als Markus Peichls Praktikant bei „Beckmann“, der Jubiläumsausgabe von „Tempo“ und den „Lead Awards“. Nach Volontariat an der Berliner Journalistenschule begann Cadenbach als Pauschalist beim „SZ-Magazin“. 2009 war er doppelt nominiert: für den Theodor-Wolff-Preis und den Reporterpreis des Reporterforums.

Stolz auf: die erste Geschichte fürs „SZ-Magazin“: „Eine Sekunde nur” (ein Kriminalfall). Und auf „Der lange Schatten der Schuld”, eine Geschichte über zwei mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher. Förderer: Dominik Wichmann („SZ-Magazin“), Markus Peichl. In zehn Jahren: soll alles so sein wie heute: Er will als Reporter arbeiten – „aber gerne wieder in Berlin“.

Amrai Coen (23)

Schülerin HNS

Anderthalb Jahre reiste sie nach dem Abitur um die Welt – und schrieb darüber. 2009 gewann sie das Gabriel-Grüner-Recherchestipendium, um Mexikaner zu porträtieren, die illegal in die USA einwanderten. Da hatte der „Spiegel“ sie längst als Talent entdeckt. Amrai Coen ist zäh, Idealvoraussetzung für eine Reporterinnenkarriere. Sie war auf der Zeitenspiegel-Reportageschule, nun ist sie Teil des neuen HNS-Jahrgangs in Hamburg. 2010 machte sie beim Journalistenpreis „Meridian“ den dritten Platz.

Stolz auf: das Journalistenkollektiv „Enarro“. Förderer: die Agentur Zeitenspiegel und Ariel Hauptmeier („Geo Special”).

In zehn Jahren: will Amrai Coen ganz klar „frei“ arbeiten.

Sofie Donges (29)

Redakteurin N-JOY

Als der Finanzdienstleister AWD in die Kritik geriet, weil seine Kundendaten in Umlauf gerieten, war diese Enthüllung dem Sender NDR Info zugeschrieben worden. Tatsächlich steckte Donges hinter vielen dieser Recherchen, als Mitglied des investigativen NDR-Reporterpools. Donges war Reporterin für die Jugendwellen des HR (und Axel-Springer-Preisträgerin), startete beim NDR durch – als Volontärin, Reporterin für NDR Info und im Londoner Studio. Inzwischen versorgt sie die Jugendwelle N-JOY mit ihren Recherchen.

Stolz auf: ihre exklusiven Geschichten rund um das Thema Datenschutz, die dem NDR bundesweit zu enormem Presseecho verhalfen. Förderer: Regina König (NDR Info) und Hendrik Lünenborg (N-JOY).

In zehn Jahren: k. A.

Lars Gaede (29)

Freier Journalist, TV und Print

Er gehörte zu Stefan Austs Entwicklungsredaktion, deren „Woche“ die WAZ dann doch nicht haben wollte. Dem DJS-Absolvent hat die Absage nicht geschadet, er arbeitet weiter für Austs Agenda Media – u. a. an einem 90-minütigen Dokumentarfilm für die ARD. Davor schrieb er für das „Spiegel“-Jugendspecial, den „Humanglobalen Zufall“ und drehte für die Deutsche Welle.

Stolz auf: ein „sonntaz“-Stück über einen in Afghanistan gefallenen deutschen Soldaten, dessen Vater 25 Jahre zuvor für die Sowjets am Hindukusch gekämpft hatte. Förderer: „Meine Freunde sind mir die besten Förderer und Ratgeber.“ Die werden wissen, dass sie gemeint sind. In zehn Jahren: will er weiter als Reporter arbeiten – „erzählend, erklärend, erhellend, in Buchstaben oder Bewegt-Bild“.

Lukas Heinser (26)

„Bildblog“-Chefredakteur

Ohne ihn gäbe es „Bildblog“ vielleicht nicht mehr. Heinser begann als Freier bei der „Rheinischen Post“-Lokalausgabe in Dinslaken, während des Studiums arbeitete er fürs Bochumer Campusradio. Anfang 2007 gründete er mit Freunden das Blog coffeeandtv.de – und fing kurz darauf schon bei „Bildblog“ an. Seit Anfang 2010 leitet er nun das wichtigste deutsche Watchblog.

Stolz auf: Oslog.tv, ein Videoblog, für das er im Mai 2010 mit Stefan Niggemeier zehn Tage vom „Eurovision Song Contest” aus Oslo berichtete. Förderer: Stefan Niggemeier.

In zehn Jahren: würde Heinser gerne „in einem kleinen Büro“ arbeiten, „mit Menschen, mit denen ich mich gut verstehe“.

Bernhard Hübner (28)

freier Bayern-Korrespondent der taz

Angefangen hat alles in Röhrmoos. Als Freier arbeitete Hübner für den Dachauer Lokalteil der „Süddeutschen“ und war dort zuständig für das 6.000-Seelen-Dorf. Inzwischen hat es den DJS-Absolventen in die Landeshauptstadt verschlagen – als Korrespondent für die taz. Damit auch die Bayern bald mehr von ihm zu sehen bekommen, macht er zurzeit erste Gehversuche als „Quer“-Autor im BR.

Stolz auf: die Titelgeschichte zu den tödlichen Schüssen der Polizei auf den Regensburger Studenten Tennessee Eisenberg – „die Rekonstruktion eines Justizskandals“.

Förderer: Martin Bernstein (SZ), Steffen Grimberg (taz).

In zehn Jahren: möchte er genauso hintergründig und kritisch arbeiten können wie heute als taz-Korrespondent. Nur besser bezahlt.

„Geo Epoche“

Jonathan Stock (27) und Joachim Telgenbüscher (27)

„Jonathan bringt den Wahnsinn mit, ich die Pedanterie“ – so beschreibt Joachim Telgenbüscher den Charme ihres Teams, das seine Entstehung der HNS verdankt. Der Wahnsinnige trampte einst von Schleswig-Holstein nach Indien, der Pedant gewann kurz vorm Abi 50.000 Mark in einem ZDF-Quiz. Beide haben in Großbritannien Geschichte studiert – Stock in London und Edinburgh, Telgenbüscher in Cambridge. Gemeinsam absolvierten sie ein HNS-Praktikum bei „Geo Epoche“ – wohin man sie noch vor dem Ende ihrer Ausbildung abwarb und wo sie nun federführend das nächste Heft vorbereiten. Schulleiter Andreas Wolfers nennt sie „das Idealbild des journalistischen Doppelpacks“ und „Meister der Langstrecke“. Neben Wolfers sind Stock und Telgenbüscher vor allem „Geo Epoche“-Chefredakteur Michael Schaper dankbar. Und Google Docs, „weil wir unsere Gedanken sonst nie zusammengeführt hätten“.

Anja Kellner (28)

Mit-Gründerin „Cut Magazin“

„Wir planen gerade, das Magazin auf Englisch herauszubringen“, sagt die Diplom-Modedesignerin. Das spricht für den Erfolg des höchst einfallsreichen „Cut Magazin“, das sich mit voller Wucht der „Do It Yourself“-Szene widmet; gegründet 2008 von Kellner, Marta Olesniewicz und Lucie Schmid. Dafür gab’s schon internationale Zeitschriftendesignpreise, einen „red dot“-Award und den Lead-Award in Bronze als Newcomer.

Stolz auf: die Titelstory „Denn nicht nur die Milch macht’s“ (wie man sein eigenes Label erfolgreich hochzieht).

Förderer: Horst Moser, Independent Medien Design.

In zehn Jahren: würde sie gerne mit den beiden Kolleginnen „ein, Cut‘-Imperium errichtet haben“.

Simon Kerbusk (23)

Freier Journalist

Er will als Wissenschafts-journalist das „Staunen über die Welt“ vermitteln. Der Humanbiologe war Studienstiftungs-Stipendiat – und begann nebenher zu schreiben: für die „Frankfurter Rundschau“, „Die Zeit“ und „Zeit Campus“. Ab Oktober macht er in London seinen Master in „Biomedicine, Bioscience, and Society“.

Stolz auf: eine kritische Recherche über das System der Begabtenförderung in Deutschland in der „Zeit“.

Förderer: Manuel J. Hartung, und Julian Hans („Zeit Campus“). In zehn Jahren: will er in einer Wissenschaftsredaktion arbeiten, „die ihre Aufgabe nicht nur darin sieht, Kompliziertes in einfache Sprache zu übersetzen, sondern Forschung kritisch begleitet“.

Johannes Kloth (29)

Redakteur „Saarbrücker Zeitung“, Ressort Landespolitik

Froschschenkel waren das Thema der Geschichte, mit der Kulturwissenschaftler Kloth im Mai den deutsch-französischen Journalisten-preis gewann. Im August übernahm die „Saarbrücker Zeitung“ (SZ) ihren Volontär, dessen erster Text 2000 in der „Badischen Zeitung“ erschien. Kloth plant gerade sein erstes Buch.

Stolz auf: die Umbenennung der Lettow-Vorbeck-Straße in Saarlouis nach seiner Geschichte über Gräueltaten des Ehrenbürgers in Deutsch-Ostafrika. Förderer: Ilka Desgranges, Oliver Schwambach (SZ), Roger Willemsen als Inspirationsquell.

In zehn Jahren: hofft er auf die allgemeine Erkenntnis, „dass die geistige Unterforderung der Leser weder journalistisch noch ökonomisch sinnvoll ist“.

Dialika Krahe (27)

Redakteurin „Der Spiegel”

Sie berichtete aus Namibia und Nigeria, Winnenden und Neukölln. Ihre Reportagen beeindrucken immer wieder mit
eingefangenen kleinen Szenen, Gesten, Halbsätzen. Sie war auf der HNS, mit Stationen bei „Tagesspiegel“ und „Zeit Magazin“. Mit „Das Traumschiff“, eine „Spiegel“-Reportage über Bootsflüchtlinge, schaffte sie es 2009 auf die Shortlist des Henri-Nannen-Preises.

Stolz auf: ihre erste große Reportage, mit 24 für den „Spiegel“, über gewalttätige Jugendliche, die ein Theaterstück inszenierten. Förderer: ihr Ressortleiter Cordt Schnibben. In zehn Jahren: möchte sie so arbeiten wie jetzt: „Ständig neue Menschen treffen, die neue Geschichten erzählen – ich liebe das.“ Allerdings mit „mehr Gelassenheit“.

Ina Küper (26)

„Alley Cat“-Chefredakteurin

„Recherche kann erwachsen machen“, findet Küper. Sie studierte Modejournalismus und Medienkommunikation, begann danach ein Volontariat – und schob nebenher „Alley Cat“ an. Sechs Ausgaben und zwei Jahre später wurde der Burda-Verlag auf das junge erotische Frauenmagazin aufmerksam. Und kaufte es 2010 ein. Die erste „neue“ Ausgabe ist nun erschienen.

Stolz auf: ein Dossier aus einer der ersten „Alley Cat“-Ausgaben, Thema: Edel-Prostitution.

Förderer: Ulrike Zeitlinger („Freundin“), Philipp Welte (Hubert Burda Media), Henning Ecker (Burda Style Group). In zehn Jahren: möchte Küper „selbstsicherer und weiser“ sein; die Position: „zweitrangig.“

Jana Lange (27)

Volontärin Sport-Informations-Dienst (sid)

Beim sid schwärmen sie regelrecht von Lange als „echtem Naturtalent“, das neben der Textausbildung auch als Kamerareporterin geschult wurde. Mit Erfolg, wie ihre täglichen Berichte von der Winter-Olympiade in Vancouver und der Fußball-WM in Südafrika zeigten. Inzwischen bildet sie selbst die zweite Welle der sid-Videojournalisten aus.

Stolz auf: die Tatsache, dass sie als klassische Schreiberin es schaffte, sich „in kurzer Zeit” auf ein „völlig anderes und technisch anspruchsvolles Medium” umzustellen.

Förderer: sid-Chef Timon Saatmann, Norbert Krings und Rainer Wallasch („Westdeutsche Zeitung“). In zehn Jahren: will sie mit Block, Stift „und/oder mit Kamera und Stativ das aktuelle Sportgeschehen begleiten“.

Inga Leister (30)

Stv. Redaktions-leiterin brigitte.de

„Der Journalismus im Internet ist noch nicht so gut, wie er sein könnte“, befindet Leister. Nach Journalistik-Studium in Dortmund und HNS arbeitet sie seit 2007 daran, das zu ändern. Sie betreut die Online-Auftritte von „Brigitte“ sowie „bym“ und „Brigitte Woman“ und verknüpft die „Brigitte“-Community konsequent mit Facebook.

Stolz auf: das Wachstum von brigitte.de und den Relaunch vor zwei Jahren.

Förderer: die „Brigitte“-Chefredaktion, Till Raether, ihre Kolleginnen Nele Justus und Katrin Schmiedekampf. In zehn Jahren: will sie „definitiv“ für ein Online-Medium arbeiten – „wahrscheinlich sind bis dahin alle so selbstverständlich ‚online‘, dass es den Begriff gar nicht mehr gibt.“

Jochen Leufgens (29)

Autor WDR-Fernsehen

Er blickt lieber hinter die Fassade, als mit den Athleten zu glänzen. Das fiel bereits während seines WDR-Volontariats dem Team von „Monitor“ auf. Beiträge zu Doping im Spitzensport folgten, aber auch Recherchen zu den Machenschaften bei „Schlecker“ und zum geplanten Atommüll-Endlager „Asse“. Zur Zeit arbeitet er als freier Autor für das einzige investigative Sportmagazin im deutschen Fernsehen, „Sport Inside“, und weiterhin für „Monitor“.

Stolz auf: seine Mitwirkung beim 30-minütigen Feature „Geheimsache Doping: Eiskalter Betrug“. Förderer: Uli Loke („Sport Inside“), Steffen Simon (WDR-Sport). In zehn Jahren: will Leufgens nicht vor 10 Uhr aufstehen.

Veit Medick (30)

Redakteur „Spiegel Online”

Er ist meist dort ‚wo’s brennt. Bei „Spiegel Online“, wo er seit 2009 im Parlamentsbüro arbeitet, ist er der Mann für politische Analysen, Hintergrundstücke, Politikerporträts. Vorher hat er bei der taz volontiert.

Stolz auf: sein „journalistisches Erstlingswerk“: ein Stück über die ägyptischen Präsidentschaftswahlen, für die Deutsche Welle. Förderer: Jens König (jetzt „stern“), Claus Christian Malzahn (jetzt „Welt“), Daniel Schulz (taz), Henryk M. Broder („Der Spiegel“).

In zehn Jahren: möchte er „weniger tagesaktuell“ arbeiten. Jeden Tag zu versuchen, „neue Säue durchs Dorf zu treiben“, sei zwar aufregend, „aber es schlaucht“.

Birger Menke (30)

Redakteur „Spiegel Online“

So also geht’s, wenn ein überzeugter Online-Journalist über Bande auch für Print arbeitet: Der ehemalige Henri-Nannen-Schüler, der bei „Spiegel Online“ seit 2008 den „Unispiegel“ stützt und auch mit Videoprojekten glänzt, recherchiert zunehmend für den „Spiegel“, z. B. deckte er auf, wie Verbände und Konzerne mit subtilen Unterrichtsmaterialien Schüler beeinflussen wollen.

Stolz auf: das Stemmen von Großlagen im Ressort „Unispiegel“ trotz des vergleichbar kleinen Teams.

Förderer: Jochen Leffers, Rüdiger Ditz und Wolfgang Büchner bei „Spiegel Online“.

In zehn Jahren: will er weiterhin Teil einer multimedial arbeitenden Redaktion sein, die ihm alle Möglichkeiten bietet: recherchieren, schreiben, filmen.

„Soukmagazine“

Jan Hendrik Hinzel (24), Marc Röhlig (24) und Simon Kremer (24)

Dieses Trio teilt eine Leidenschaft: den Orient. Für ihre Berichte aus dieser Region haben sie sich eine eigene Plattform aufgebaut, das „Soukmagazine“, frisch ausgezeichnet mit dem Grimme-Online-Award und dem Axel-Springer-Preis für Nachwuchsjournalisten. Hinzel, Kremer und Röhlig berichten in den Ressorts „Leben“, „Glauben“ und „Streiten“ sowie in Dossiers, mit Audio, Video und multimedialen Mischformen angenehm unaufgeregt und dafür umso präziser über Land und Leute. Sie zeigen Kinderarbeit in Damaskus, die Sonne über Kurdistan und Fußballer in Syrien. Und sie, die alle noch studieren und wann immer möglich für Wochen oder gar Monate gen Nahen und Mittleren Osten aufbrechen, gewinnen weitere Autoren für ihr Projekt, das „Gesellschaftsmagazin über den Orient“, das sich einzigartig gegen die Klischees vieler Mainstreammedien positioniert und damit viel mehr ist als bloß eine feine Spielwiese für junge kulturjournalistische Talente.

Johannes Patzig (29)

Redakteur im Ressort München Stadt beim „Münchner Merkur“

Patzig hat Fans: Seine Kolumne „Gestatten Patzig“ kommt bei den Lesern des „Münchner Merkur“ gut an – und trug ihm den Nachwuchspreis des Münchner Presseclubs ein. 2008 gewann er zudem den Reportagepreis der Akademie der Bayerischen Presse. So einen lässt der „Merkur“ nicht einfach ziehen: Gleich nach dem Volo übernahm ihn das Münchner Stadtressort als Redakteur.

Stolz auf: die Reportage über New Orleans, vier Jahre nach Hurrikan Katrina.

Förderer: Ressortleiter Robert Arsenschek bzw. Mike Schier, Chefredakteur Karl Schermann („Münchner Merkur“).

In zehn Jahren: möchte er mehr Reportagen schreiben können als heute.

Niklas Schenck (27)

Student und Autor

Ein Jahr in Neuseeland, Zivildienst in Guatemala, eine Weltreise inklusive sechs Monate als Küchenhilfe in Chamonix, Praktika bei „Geo“, FAZ und ZDF: Schenck ist schon weit rumgekommen auf dem Weg zum Profi-Journalisten, gefördert von der Konrad-Adenauer-Stiftung. Sein Glanzstück: die üppige Audioslideshow über das Dopingopfer Andreas Krieger.

Stolz auf: die (Axel-Springer-preisgekrönte) Audioslideshow auf faz.net über den Einfluss von Anabolika auf eine Kugelstoß-Europameisterin. Förderer: Christiane Moravetz (FAZ), Philipp Sohmer (SWR) Marcus Nicolini, Astrid Csuraji (KAS), Claus-Peter Bach („Rhein-Neckar-Zeitung“).

In zehn Jahren: will er Geschichten „in der passendsten Form“ erzählen – Print, Hörfunk, TV, Online.

Jochen Stahnke (30)

FAZ-Redakteur

Er hat sich auf ein Thema spezialisiert, das im Redaktionsalltag meist zu kurz kommt: Afrika. Inhaltlich prädestiniert, weil er Geschichte, Afrikanistik und Politik studiert hat, praktisch vorbereitet, weil er stets nebenher frei für Tages-zeitungen und Onlinedienste schrieb. Stahnke volontierte
bei der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und ist dort seit April Politikredakteur. Sein nächster Einsatz führt ihn nach Afghanistan.

Stolz auf: seine ausführliche Dokumentation aus Haiti, kurz nach dem Erdbeben.

Förderer: Berthold Kohler, Klaus-Dieter Frankenberger und Alfons Kaiser (FAZ).

In zehn Jahren: will Stahnke in erster Linie „Reportagen schreiben dürfen“.

Verena Stehle (30)

Feste Freie beim „SZ-Wochenende“

Es geht ihr immer um den Blick unter die Oberfläche: „Mit Mode-Phänomenen lässt sich immer auch ein Stück weit die Welt erklären“, findet sie. Sie war Volontärin bei „Elle“ und landete über Praktika bei jetzt.de und beim „SZ-Magazin“ bei der „Süddeutschen Zeitung“. Seit 2007 ist sie feste Freie bei der „SZ am Wochenende“.

Stolz auf: eine Geschichte, bei der sie sehr behutsam sein musste: Sie ließ eine Mutter erzählen, deren zehnjährige Tochter wegen Magersucht in der Klinik war. Erschienen im „SZ-Magazin“.

Förderer: Rebecca Casati, Alexander Gorkow, Erhard Nickel (SZ).

In zehn Jahren: will sie nicht anders arbeiten als jetzt – „aber für das vierfache Honorar“.

Luise Strothmann (25)

Redakteurin bei der „sonntaz“

„Chefredakteurin der taz“ kann sich Strothmann bereits in den Lebenslauf schreiben. Auch wenn sie das nur eine Woche lang war, als im April die KollegInnen unter 31 das Blatt bestimmten. Die Alteingesessenen bescheinigten ihr viel blattmacherisches Talent und machten sie nach ihrem Volontariat gleich zur „sonntaz“-Redakteurin.

Stolz auf: das Porträt einer Teenagermutter und das Interview mit einem Escort (taz). Förderer: „Georg Löwisch, Martin Reichert („sonntaz“). In zehn Jahren: will sie Reporterin „in einem menschlichen Redaktionsumfeld bei einer intelligenten linken Zeitung“ sein – „oder in einer Landkommune“.

Lucas Wiegelmann (27)

Redakteur „Die Welt“

Dass er Kritik nicht scheut, hat er bereits bewiesen: Wiegelmann machte zuletzt mit der Rekonstruktion der Affäre um den Bischof Walter Mixa von sich reden. Nach Geschichtsstudium, Ausbildung an der katholischen Journalisten-schule IFP, Volontariat in der „Welt“-Gruppe ist er jetzt Mitglied des neuen „Investigativ“- Ressorts der „Welt“. Und will sich nun „im weitesten Sinn“ dem Zölibat widmen.

Stolz auf: seine „Welt“-Story „Das Heilige Buch des Islam wird entschlüsselt“. Förderer: Berthold Seewald („Welt“). In zehn Jahren: will Wiegelmann „Geschichten schreiben, von denen der Leser noch gar nicht wusste, dass sie ihn interessieren“.

Takis Würger (25)

„Spiegel“-Redakteur

Derzeit sorgt Würger dafür, „dass der Spiegel auf dem iPad rockt“. Er volontierte bei der „Münchner Abendzeitung“ und besuchte anschließend noch die HNS. Seit Juli 2010 ist er Redakteur beim „Spiegel“ im Ressort „Gesellschaft“. Für eine Reportage über Slumkinder in Rumänien erhielt Würger den Nachwuchspreis des Christlichen Medienverbundes.

Stolz auf: das Protokoll einer traurigen Liebesgeschichte über zwei, die es nach dem Abitur in zwei verschiedene Erdteile verschlug; erschienen in der „Süddeutschen Zeitung“.

Förderer: sein Ressortleiter Matthias Geyer, Timo Lokoschat (Sanssouci-Verlag).

In zehn Jahren: will er „so wie jetzt“, als „Spiegel“-Reporter für Heft und iPad arbeiten.

Erschienen in Ausgabe 09/2010 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 18 bis 18 Autor/en: Annette Milz | Recherche und Steckbriefe: Daniel Bouhs, Anne Haeming, Daniel Kastner. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.