Acht Tipps für erfolgreiche Webclips

Der Filmemacher von morgen braucht keine Redaktion mehr. Niemanden, dem er ein Thema schmackhaft machen muss. Er produziert einfach drauflos – ganz ohne Auftrag -, später lädt er den Film bei YouTube hoch, er bewirbt den Film in Social Networks, und YouTube beteiligt ihn an den Werbeeinnahmen. Was nach einer Zukunftsvision klingt, ist in Ansätzen schon Realität. Seit 2008 gibt es das YouTube-Partnerprogramm in Deutschland. Das Unternehmen schaltet Werbespots vor dem Clip, blendet Anzeigen im Video ein und beteiligt die Inhalteproduzenten an den Werbeeinnahmen.

Genaue Zahlen sind Henning Dorstewitz, bis vor kurzem YouTube-Pressesprecher in Deutschland (mittlerweile in Australien), nicht zu entlocken. Demnach gebe es in Deutschland bisher eine dreistellige Zahl an YouTube-Partnern, die durch Werbung drei- bis vierstellige Beträge im Monat verdienen. „Wenn man sieht, wie die Prognosen für den Online-Werbemarkt sind, dann werden die Einnahmen für die Produzenten noch deutlich steigen in Zukunft“, so Dorstewitz.

Den Partnerstatus beantragen kann jeder, genommen werden aber nur die wenigsten. Genaue Voraussetzungen nennt das Unternehmen nicht: „Sie laden regelmäßig Videos hoch, die von Tausenden YouTube-Nutzern gesehen werden“, heisst es diffus auf der Homepage für das Partnerprogramm. Nutzerberichten nach, ist es wenig sinnvoll sich zu bewerben, wenn der YouTube-Kanal noch weniger als 100.000 Videoabrufe vorweisen kann.

Ebenfalls wichtig: Die Zahl der Abonnenten. Möglichst viele sollten es sein, aber manche sind schon mit unter hundert YouTube-Partner geworden. „Wir sind da ganz bewusst etwas intransparent mit den Informationen, weil wir selbst in der Hand behalten wollen, wen wir als Partner einladen“, sagt Henning Dorstewitz. Eigentlich selbstverständlich: Man muss natürlich über die kompletten Rechte an dem Material verfügen, das man hochlädt – das gilt auch für Hintergrundmusik.

Einer der fest an YouTube glaubt, ist der Kölner Journalist Christoph Krachten. Er moderiert die Online-Talkshow Clixoom bei YouTube. Seine Promi-Interviews wurden bisher mehr als 20 Millionen Mal angeschaut – mehr Abrufe hat die ARD auf ihrem YouTube-Kanal auch nicht. Er produziert die Filme mit Team und professionellen Kameras. Bisher zahlt er allerdings drauf. Dennoch: „Produktionen, wie wir sie machen, die vergleichsweise aufwendig sind, da wird es vermutlich noch ein Jahr dauern, bis sich das trägt“, ist sich Christoph Krachten sicher.

Richard Gutjahr, freier Journalist und Moderator beim Bayerischen Rundfunk, ist ebenfalls YouTube-Partner. Um Medien und Technik geht es meist in seinen Filmen. Tausende schauten zu, als er im Frühjahr in New York der weltweit erste Käufer eines iPads von Apple war. Für ihn sind die Einnahmen durch YouTube eher ein kleines Taschengeld und kein nennenswertes Standbein. Aber ein interessantes Experimentierfeld mit Zukunft.

Um die eigenen Filme bei YouTube erfolgreich zu vermarkten, gilt es jedoch einiges zu beachten.

1. Inhalt

Wenn Sie nicht gerade über besonders spektakuläre Aufnahmen verfügen (z.B. einziges Video eines Flugzeugabsturzes), werden Sie bei YouTube nicht kurzfristig reich. Wählen Sie für die Videos Themen, die idealerweise über Jahre interessant sind und immer wieder abgerufen werden. Beispiel: In meinem YouTube-Kanal ( www.youtube.com/matthiasmorr) geht es um Kreuzfahrtschiffe. In meist fünf Minuten langen Videos erleben die Zuschauer eine Tour über das Schiff. So lange das jeweilige Schiff vermarktet wird, kann ich auch davon ausgehen, dass das Video regelmäßig angeschaut wird. Die Chance liegt also in der Spezialisierung auf ein Nischenthema. Die erfolgreichsten Inhalte bei YouTube sind Comedy-Videos, Anleitungen (sogenannte Tutorials) und Videoblogs. Die beliebtesten Videos haben gemeinsam, dass es einen Frontmann oder eine Frontfrau gibt. Daher ist neben einer guten Idee noch etwas anderes wichtig: „Wer nicht gern in den Vordergrund tritt, der kann das nicht machen“, sagt Christoph Krachten. Richard Gutjahr rät: „Mach das, wovon Du am meisten Ahnung hast, mach das so gut Du kannst, so authentisch es irgendwie geht.“

2. Reichweite

Ein Video produzieren und dann auf die Zuschauer warten, das funktioniert nicht. Erhöhen Sie die Reichweite, indem Sie in Foren und Social Networks für Ihr Video werben. Fügen Sie den Link zum neuesten Video in Ihrer Mail-Signatur ein. Posten Sie Ihr Video als Videoantwort bei anderen thematisch passenden YouTube-Videos. „90 Prozent der Abrufe auf meinem Kanal kommen durch Twitter und Facebook“, sagt Richard Gutjahr. Der Unterschied zum Fernsehen? „Beim Fernsehen hat man die größere Aufmerksamkeit auf einen Schlag, bei YouTube läppert sich das über die Zeit“, sagt der Fernsehjournalist.

3. Kommunikation

YouTube ist nicht wie das Fernsehen ein reines Sendemedium. Stellt ein Nutzer in den Kommentaren unter Ihrem Video eine Frage, sollte es selbstverständlich sein, dass Sie die auch beantworten. Fordern Sie Ihre Zuschauer ausdrücklich zum Kommentieren des Videos auf. Denn: Umso mehr Kommentare, umso weiter oben landet Ihr Film bei den YouTube-Suchergebnissen. „Es ist das Allerwichtigste, dass die Videos diskutiert werden“, sagt Christoph Krachten. Findige Videoblogger greifen in einer nächsten Folge die Reaktionen der anderen YouTube-Nutzer auf und verstärken so die Bindung zu ihnen.

4. Authentizität

Für den Erfolg bei YouTube müssen Sie weder Moderator sein noch benötigen Sie ein Fernsehstudio. Die Erfolge vieler YouTuber zeigen: Gerade die Eigenheiten machen Sie als Person interessant. Während das Fernsehen auf aalglatte Präsentatoren setzt, ist im Netz Ihre Persönlichkeit mit all Ihren Schwächen wichtiger.

5. Form

Eine „zunehmende Professionalisierung“ hat Richard Gutjahr in der vergangenen Zeit bei YouTube beobachtet. Sowohl bei der technischen Qualität als auch bei den Inhalten. Wer sich nun ein Standbein als Produzent bei YouTube aufbauen will: Die technische Qualität sollte einen gewissen Mindeststandard haben – der Ton sollte beispielsweise gut verständlich sein. Sonst werden Sie möglicherweise in Ihrem Themenfeld von jemandem verdrängt, der bessere Qualität liefert. HD-Auflösung ist mittlerweile Standard bei YouTube. Aber letztlich gilt: Der Inhalt schlägt die Form. „Auch mit einfachstem Equipment kann man eine riesige Fanbasis aufbauen“, sagt Ex-YouTube-Sprecher Dorstewitz.

6. Länge

Häufig diskutiertes Thema bei Webvideos. Letztlich zeigt sich aber: Pauschale Aussagen sind wenig sinnvoll. Manch selbst ernannter Webvideo-Experte propagiert Längen zwischen zwei und drei Minuten – letztlich entscheidet der Inhalt, welche Länge für das Video trägt. Ein 37-Minuten-Interview mit Rapper Bushido wurde auf Christoph Krachtens YouTube-Kanal bisher bemerkenswerte 300.000 Mal angeschaut.

7. Internationalität

Mit deutschen Inhalten sprechen Sie nur eine vergleichsweise kleine Gruppe der YouTube-Nutzer an. Überlegen Sie, ob Ihr Thema geeignet ist, ein englischsprachiges Video zu erstellen. Ich experimentiere bei meinen Kreuzfahrt-Videos mit unterschiedlichen Formen. Zum einen habe ich Versionen mit einer englischen Beschreibung hochgeladen, die aber über keinen Sprechertext verfügen, sondern nur über englische Untertitel – durchaus erfolgreich sind aber auch die Filme, in denen ich einen englischen Text spreche. Auch Christoph Krachten könnte sich vorstellen für den internationalen Markt zu produzieren, dann aber eher mit einem Muttersprachler.

8. Weitere Plattformen

Alle Tipps gelten natürlich auch für andere Videoplattformen. Pro tausend Zuschauer gibt es dort möglicherweise eine höhere Beteiligung an den Werbeeinnahmen. Das Problem ist: Keines der anderen Videoportale, wie Vimeo oder Sevenload, ist nur annähernd so erfolgreich wie YouTube. Dementsprechend würden Sie mit Ihren Videos weniger Nutzer erreichen und trotz höherer Beteiligung weniger verdienen.

Tipp:

„How to make money with YouTube”, Brad Schepp, Debra Schepp, McGraw-Hil
l-Verlag, 2009, ca. 18 Euro

Link:Tipp

www.clixoom.de

www.youtube.com/richardgutjahr

www.youtube.com/matthiasmorr

Erschienen in Ausgabe 10+11/2010 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 40 bis 41 Autor/en: Matthias Morr. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.