Hochkonjunktur für investigativen Journalismus

Prag. Die Geschichte sieht aus wie eine Agentenstory: Drei ganze Seiten in der Zeitung füllt sie, auf ihnen verteilt Fotos von Männern bei konspirativen Treffen. Die Reporter mit Super-Tele und versteckten Mikrofonen sind in Tschechien inzwischen zu den prägenden Figuren des investigativen Journalismus geworden. In der jüngsten Geschichte schreiben Kollegen von „Mladá Fronta Dnes“, der größten Zeitung des Landes, wie sich ein hoher Beamter aus dem Verteidigungsministerium bei einem großen Waffengeschäft offenbar schmieren lassen wollte – eine Geschichte, abgedruckt inklusive Wortprotokollen von heimlich mitgeschnittenen Gesprächen.

Die tschechischen Zeitungen verschärfen ihre Gangart im Enthüllungsjournalismus. Dahinter steht vor allem die Enttäuschung über den schleppenden Kampf gegen die Korruption, den seit Jahren jede Regierung proklamiert – und der dann doch meistens im Sande verläuft. Die Wirtschaftszeitung „Hospodarské Noviny“ hat eine eigene Rubrik eingeführt, in der sie fast täglich den Parlamentariern auf die Finger schaut: Wer ist wieder einmal eine Kurzstrecke geflogen, obwohl gleichzeitig ein Zug verkehrte? Kann es sein, dass sich ein Minister in wenigen Jahren genug Geld für ein luxuriöses Eigenheim erspart? So kleinlich bisweilen die Fragen auch sind, so fragwürdig manche Methoden anmuten: Die Zeitungen haben es geschafft, den Druck auf die Politik zu erhöhen. Die Korruption wird dank solcher Enthüllungsgeschichten nicht mehr als gottgegebenes Übel gesehen – und das ist etwas Neues in Tschechien.

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Erschienen in Ausgabe 10+11/2010 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 15 bis 15. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.