Stimmt’s, …?

01. … dass Hajo Schumacher für den MDR ein Buch zum 20-jährigen Bestehen des Senders schreibt?

Als der Mitteldeutsche Rundfunk zehn Jahre alt wurde, war es Hans-Hermann Tiedjes Firma WMP, die für gutes Geld den Auftrag bekam, eine Broschüre über den Sender zu produzieren. „Zehn Jahre – Ganz Ihr Programm“, war sie überschrieben. Im kommenden Jahr steht der 20. Geburtstag an, und diesmal hat der MDR Hajo Schumacher mit dem Jubiläumsprojekt beauftragt. Schumacher, einst hoffnungsvoller Journalist beim „Spiegel“, probiert sich seit dem Aus als Chefredakteur des verblichenen Magazins „Max“ auf vielen Bühnen aus. Er ist 46 und braucht das Geld.

Es muss Anfang dieses Jahres gewesen sein, als MDR-Intendant Udo Reiter ein paar Journalisten zum Hintergrundgespräch in eine Leipziger Villa einlud. Unüblich daran war, dass Reiter dafür einen Moderator engagierte, nämlich Hajo Schumacher, der wohl auch zur eigenen Erheiterung Witzchen über den MDR riss. Nun soll er zum Senderjubiläum ein Buch schreiben, nach dem Motto „MDR – 20 Jahre, 20 Vorurteile“. Einen Verriss oder gar die erschütternde Enthüllung investigativer Recherchen lässt das Geburtstagsbändchen nicht erwarten. Eher hofft wohl der MDR auf die Chance, endlich einmal mit all den schmutzigen, unbegründeten und undifferenzierten Vorurteilen aufzuräumen. 20 Stück sind da schnell beisammen, z. B.:

…, dass der MDR Schleichwerbung sendet. In aller Freundschaft: Nie würde sich der Sender dafür hergeben!

…, dass es sich beim MDR trotz Stasi-Vergangenheit gemütlich einrichten lässt. Dazu könnte Unterhaltungschef Udo Foht Stellung nehmen. Foht, der sich, wie Michael Jürgs in seinem Buch „Seichtgebiete“ schreibt, „schon im untergegangenen Zwei-Kanal-System der DDR intensiv um die Probleme seiner Mitmenschen gekümmert und deren Kummer weitergegeben (hat) ans Ministerium für Staatssicherheit“.

…, dass der MDR die Jugendwelle Sputnik nur deshalb kaputtspart, um keinen Grund mehr zu haben, neben der Dudelhüpfstation Jump einen niveauvollen Jugendsender aufrechtzuerhalten.

…, dass das Zusammentreffen ehemaliger DDR-Fernsehkader mit in die „Zone“ abgeschobenen Westdeutschen ein Geburtsfehler war. Vielmehr sitzen beim MDR nur die Fähigsten – nur deshalb ist er das quotenstärkste Dritte Programm.

…, dass es beim MDR seit jenen Anfangstagen Seilschaften gibt. Man hält hier eben noch zusammen, an guten wie an schlechten Tagen. Man könnte dazu den Produzenten Hans-Jürgen Kliebenstein fragen, Schöpfer der José-Carreras-Gala.

…, dass beim MDR „alle, die den Wernesgrüner Musikantenschenken nicht rechtzeitig entfliehen konnten, (…), von der Moldau bis zur Molde versendet“ werden (Copyright: Jürgs).

…, dass die Abkürzung MDR zu Unrecht für Mitteldoofer Rundfunk steht.

…, dass ein ehemaliger ARD-Vorsitzender nach dem Vorschlag des MDR-Intendanten, den Saarländischen Rundfunk und Radio Bremen abzuschaffen, fortan nur noch vom „apokalyptischen Reiter“ sprach.

…, dass „Super Illu“ den MDR eines Tages ganz übernehmen wird.

…, dass rbb-Intendantin Dagmar Reim lieber ein wenig länger beim Empfang zur Eröffnung des dpa-Newsrooms geblieben wäre, statt zur beliebten MDR-Übertragung des „Super Illu“-Preises „Goldene Henne“ zu gehen.

…, dass es der MDR nur wegen seiner guten Beziehungen schafft, auf dem kleinen Dienstweg für die „Osgar“-Verleihung der „Bild“-Zeitung das Fernsehprogramm für einen Sendeplatz im Ersten freizuräumen.

…, dass seit dem Spekulationsflop mit Ecuador-Anleihen in der Kantine des MDR in der Währung Sucre bezahlt wird.

…, dass der MDR nur aus Quotengründen die DDR am Leben hält (Copyright: „Der Spiegel“).

…, dass der Osten ein besseres Programm verdient hätte.

…, dass der durchschnittliche MDR-Zuschauer älter ist als der 66-jährige Udo Reiter.

…, dass Korruption beim MDR ein Fremdwort ist. An den ehemaligen Sportchef Wilfried Mohren kann sich ohnehin niemand erinnern.

…, dass eine Führungskraft aus der Verwaltung einen Mitarbeiter aus der Maske erst dann darauf hinwies, dass es verboten ist, nicht vor der Kamera stehende Mitarbeiter zu frisieren, als einmal kein Termin frei war.

…, dass der MDR Mitarbeiter fallen lässt, wenn sie das tun, was ihnen der MDR vorgibt und im Intranet auch schon einmal anbietet, nämlich für Privatreisen Presserabatte zu beanspruchen.

…, dass beim MDR die Mentalität vorherrscht, sich zu bedienen und mitzunehmen, was immer angeboten wird, ob Reisen oder andere Einladungen.

…, dass die deutsche Teilung erst dann überwunden sein wird, wenn das letzte Bein des MDR-Fernsehballetts ausgeschwungen hat.

02. … dass die G+J-Wirtschaftspresse es nicht nötig hat, Abos zu verschleudern?

Gruner+Jahr versteht sich als ein Haus für Qualitätsjournalismus. Und Qualität hat nun mal ihren Preis. Nicht ohne Grund sagt der Verlag, er setze auf kostenpflichtige Apps für mobile Geräte und bei Print auf eine Hochpreisstrategie. In der Praxis sieht es bisweilen anders aus: „Unser Dankeschön-Medien-Paket“, jubelt die Firma BCA und verspricht: „Wir sichern Ihren Informationsbedarf!“ Wie die „1985 als Serviceunternehmen für unabhängige Versicherungs- und Finanzmakler“ gegründete Firma dies tun will, ist der beigefügten Preisliste zu entnehmen. Im Angebot für seine „derzeit über 10.000 Partner“ präsentiert der Maklerpool aus Bad Homburg alle vier von G+J herausgegebenen Wirtschaftstitel, und zwar zu folgenden Schnäppchenpreisen:

* Das Medienpaket 1 sieht vor: „Börse Online“, 52 Ausgaben pro Jahr, für 59 statt regulär 155 Euro. Preisersparnis: 96 Euro.

* Medienpaket 2: „Capital“; 12 Ausgaben pro Jahr, für 39 statt der regulären 80 Euro. Ersparnis: 41 Euro.

* Medienpaket 3: „Impulse“, 12 Ausgaben pro Jahr, für 39 statt 83 Euro. Ersparnis: 44 Euro.

* Medienpaket 4: „Financial Times Deutschland“, 252 Ausgaben pro Jahr, für 139 Euro statt regulär 478 Euro. Ersparnis: 339 Euro.

03. … dass bei der dpa jetzt alle den Chef duzen müssen?

Schuld ist der Praktikant, der zuvor bei „Spiegel Online“ gearbeitet hatte. Als sein Praktikum bei der dpa zu Ende ging, sagte er, der größte Unterschied sei der gewesen, dass man sich bei „Spiegel Online“ vom Praktikant bis zum Chefredakteur duzt, bei dpa aber nicht. Im redaktionsinternen dpa-Blog „PunktPunktPunkt“ entspann sich daraufhin eine lebhafte Diskussion über die Vor- und Nachteile des Duzens und Siezens am Arbeitsplatz. Davon animiert schrieb der neue dpa-Chefredakteur Wolfgang Büchner vor ein paar Wochen eine E-Mail an alle. Bei der „Financial Times Deutschland“ und als Chefredakteur von „Spiegel Online“ sei für ihn das Duzen in der Redaktion völlig normal gewesen, es habe das Arbeiten miteinander sogar erleichtert. Seiner Ansicht nach gehe der Respekt durch den Verzicht auf das „Sie“ nicht verloren. Im Übrigen finde er, nicht die Hierarchie, sondern das Alter sei entscheidend, wer wem das Du anbietet. Die Mail endet: „Allen Kolleginnen und Kollegen, die am oder nach dem 23. Juli 1966 geboren sind, biete ich hiermit das Du an. Alle anderen sind herzlich eingeladen, es mir anzubieten – wenn sie mögen.“ Sicherheitshalber ergänzte Büchner: „Ganz wichtig: Das ist nur ein Angebot. Wer nicht duzen will, hat meinen Respekt und ist mir als Kollegin oder Kollege deshalb nicht weniger wert oder wichtig als die anderen. – Herzliche Grüße, wob.“

Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. Viele bei der dpa freuten sich über das Angebot. Doch nicht jeder fand die Vorstellung angenehm, den Vorgesetzten zu duzen bzw. überhaupt vor die Entscheidung gestellt zu sein. Auch sah sich mancher Ressortchef bemüßigt, seinen Redakteuren nun auch das Du anzubieten. Eine verzwickte Sache, die, einmal entschieden, nicht rückgängig zu machen ist. Es ist eben ein Unterschied, ob sich ein Redakteur und sein Chefredakteur ohnehin mögen und der ältere Vorgesetzte dem jüngeren Mitarbeiter beim Glas Wein in persönlicher Atmosphäre das Du anbie
tet – oder ob einen das Duz-Angebot per Rundmail ereilt.

Erschienen in Ausgabe 10+11/2010 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 12 bis 13 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.