Hilfe als Geschäftsidee

Ich will mich nicht verkaufen!“ Henriette, Teilnehmerin des Kurses „Marketing für freie Journalisten“ ballt die Fäuste. Die 28-Jährige blickt herausfordernd um sich, als wir zum Auftakt des zweitägigen Seminars in München über Vorbehalte zum Thema Marketing und Akquise reden – und erntet den Beifall der Runde.

Denn damit hat die junge Freelancerin den meisten Kursteilnehmern aus der Seele gesprochen. Und mir – der Trainerin – auch.

Mein Outing verblüfft die Kursteilnehmer zunächst, doch dies ist genau die Kern-Botschaft guten Marketings. Es geht als Freelancer nicht darum, sich bei Redaktionen anzubiedern, die eigene Seele zu verkaufen oder sich in 100 Kalt-Akquise-Anrufen von „Abendzeitung“ bis“ Zeit“ masochistisch den Tag zu versauen.

Beim Thema „Marketing für mich“ geht es nicht darum, „sich passend“ zu machen. Es geht darum, das Passende für mich zu finden. Und im Markt so attraktiv mit meinen Themen, meiner Schreibe oder meinen sonstigen Angeboten zu sein, dass ich mit konkreten Themenvorschlägen offene Redaktions-Türen einrenne und dass nach einer gewissen Anlaufphase neue Redaktionen freiwillig auf mich zukommen. Das klingt wie ein schönes Ideal, ist aber ganz realistisch: Ein gut positionierter Freelancer, der seine Stärken genau kennt und einzusetzen weiß, zieht auch in schwierigen Zeiten Auftraggeber an.

Woher ich das weiß? Weil ich es recherchiert habe – und weil ich es selbst erlebt habe. Ich bin mit großer Leidenschaft und seit vielen Jahren Marketingjournalistin, arbeite unter anderem für „Fokus“ und die „Wirtschaftswoche“. Doch in der letzten großen Medienkrise, gegen Ende der New Economy, beobachtete ich, dass einige freie Kollegen völlig baden gingen. Sie verloren Auftraggeber, und fanden stattdessen höchstens Redaktionen, die wenig oder bisweilen sogar gar nichts bezahlten. Aber ich sah auch Kollegen, denen es nach wie vor gut ging – so wie, Gott sei Dank, auch mir.

Ich überlegte: inwiefern kann mir mein Wissen über Marketing dieses Phänomen der freien Kollegen erklären helfen: Was machen die einen richtig und was fehlt den anderen? Ich interviewte rund 50 Redaktionen, fragte, was diese sich von freien Journalisten wünschen – und was in der Zusammenarbeit gar nicht geht. Aus all diesem Wissen kristallisierte ich ein Handwerkszeug heraus, das – wenn Freie es anwenden – zu gut bezahlten Aufträgen verhilft. Wer es ignoriert, landet früher oder später im Abseits.

Ich hatte eine neue Leidenschaft entdeckt: Man müsste den Kollegen zeigen, dass gute Aufträge zu bekommen leichter ist, als man denkt! Voller Begeisterung erzählte ich dem Bayerischen Journalistenverband davon – und wurde prompt als Referentin für den jährlichen FREI-Tag, einem Kongress freier Journalisten, eingeladen. Ich konzipierte einen Workshop und war gespannt: Würde es den Teilnehmern gefallen? Und würde es mir Spaß machen, mit einer Gruppe zu arbeiten? Am Abend die Erleichterung – ja, es war ein Volltreffer! Die Teilnehmer waren begeistert. Ich recherchierte weiter, sprach mit Chefredakteuren und Redaktionsleitern und schrieb schließlich für das „medium magazin“ eine Trainingsserie und eine Journalisten-Werkstatt zum Thema „Das ICH-Marketing für Journalisten“ (2003). Daraufhin kamen immer mehr Anfragen von Akademien und Verbänden.

Nach und nach stieg die Anzahl meiner Seminartage. Und weil Seminarteilnehmer immer wieder klagten, dass sie in ihrem beruflichen Alltag aus Zeitnot gar nicht dazu kämen, meine Empfehlungen richtig umzusetzen, nahm ich irgendwann das Thema „Zeitmanagement“ dazu und bot auch Einzelcoachings an. Inzwischen habe ich mehrere Bücher geschrieben, bin dadurch als Expertin gefragt – und die Trainings und das Coaching sind ein solide gewachsenes zweites Standbein gewordenen. Dafür habe ich auch selbst einiges investiert, mich gezielt weitergebildet und anerkannte Zertifikate als Coach und Trainerin erworben. So bin ich in der Zwischenzeit auch offiziell zugelassen als Coach bei verschiedenen Förderstellen des Arbeitsamtes, des Landes Bayern, der BRD und der Europäischen Union, berate Einzelpersonen und Unternehmen.

Ich habe das gemacht, was ich in meinen Seminaren auch freien Journalisten zu vermitteln suche: Ich habe nachgedacht, den Markt sondiert, meine eigenen Interessen und mein vorhandenes Wissen eingesetzt und mich damit am Markt gut positioniert. Wer von seiner Tätigkeit als freier Journalist leben will, darf seine künstlerische und kreative Ader voll ausleben. Und er darf von vornherein auch schauen, dass seine Arbeit angemessen bezahlt wird. Er muss es auch, denn wer sich unter Wert verkauft, wird auch als weniger wertvoll angesehen.

Mein Ansatz wird bestärkt von Erfolgsgeschichten anderer freier Kollegen, die es im Seminar gelernt oder einfach im Blut hatten – es klappt tatsächlich. Denn die gute Nachricht ist: Trotz der aktuellen Krise auch in der Medienbranche leben viele freie Journalisten sehr gut von ihrer journalistischen Arbeit. Weil sie wissen, was sie „wertvoll“ macht und weil sie Hand in Hand mit ihrem kreativen Anspruch auch ein Stück weit unternehmerisch denken. Das ist der wichtigste Schlüssel für eine erfolgreiche Freiberuflichkeit. Es lohnt sich, einige Zeit über den besten Weg für den eigenen Erfolg nachzudenken – die investierte Zeit oder das Geld für ein Seminar hat man mit einer konsequenten Strategie dann bald wieder eingespielt.

Serie „Freie Köpfe“: „mediummagazin“ stellt hier gemeinsam mit Freischreiber e.V., dem Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten, Projekte und Profile von Freien vor und wie sie sich im Markt behaupten.

Alle bisher erschienenen Folgen (ab „mm“ 4+5/09) sind nachzulesen im Online-Archiv unter www.mediummagazin.de

Linktipp

Die Website der Autorin: www.erfolgreich-reich-frei.de, u. a. mit kostenlosen Selbstchecks wie z. B. einen Honorar-Kalkulator für Freie. Ebenfalls über die Website zu beziehen ist ihr Buch: „Erfolg-Reich-Frei. Marketing, Strategie und Motivation für freie Journalisten“ (E-Book).

Die mediummagazin-Journalisten-Werkstatt „Ich-Marketing für Freie“ von Cordula Nussbaum erschien 2003 in der Reihe „Ich-AG“ ( www.newsroom.de, Rubrik shop)

Erschienen in Ausgabe 01+02/2010 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 54 bis 54 Autor/en: Cordula Nussbaum. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.