Jurystimmen zur „Causa Brender“

Axel Buchholz, ehemaliger ehemaliger HF-Chefredakteur Saarländischer Rundfunk und Professor für Journalismus an der Uni Mainz, fordert:

„… andauernde öffentliche Wachsamkeit über alle Parteigrenzen hinweg, wenn die Politik-Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bedroht erscheint. Und eine verfassungsgerichtliche Klärung der Frage, wie die Gremien des ö.-r. Rundfunks besetzt sein müssen, damit sie dem Gebot der Staats- (und Parteipolitik-) Ferne entsprechen.“

Bernd Gäbler, Publizist, meint:

„Die Gesellschaft – in all ihrer Vielfalt – muss sich die öffentlich-rechtlichen Anstalten zurückerobern. Die Befreiung von der Tyrannei der Parteien ist dazu der erste Schritt.“

Kuno Haberbusch, Leiter von „Zapp“/ „extra 3“ (NDR) bis Mitte 2009, seither Programmbereich Kultur und Dokumentation des NDR, sagt:

„Guter Journalimus lebt von der Kontroverse und nicht der Kuschelei. Brender hat sich den politischen Freundeskreisen des ZDF konsequent verweigert, hat Politikern und Funktionären klar gemacht, dass er bei versuchten Interventionen für Transparenz sorgen könne. Und hat nicht nur damit, sondern auch durch sein Agieren innerhalb des ZDF unter Beweis gestellt, dass er nicht „everybody‘s darling“ sein wollte. Damit schafft man sich ganz sicher auch Feinde. Aber es ist eine Haltung, die m. E. idealtypisch für einen unabhängigen Journalisten ist.“

Claus Kleber, Moderator „heute journal“ (Jurymitglied als Vorjahressieger in der Kategorie Politik), meint:

„Die „Causa Brender“ gehört – wie der große Theodor Eschenburg in einem anderen Fall zur Pressefreiheit sagte – „auf Wiedervorlage“.“

Klaus Liedtke, u. a. ehemaliger Chefredakteur „stern“, „National Geographic“, fordert

„Die Staatsferne des Fernsehens muss in Granit gemeißelt, der Verwaltungsrat (bei der Besetzung der Chefredaktion) entmachtet werden!“

Helmut Ortner, Medienberater, Autor und Blattmacher, fragt:

„Warum lässt sich Nikolaus Brender öffentlich so demütigen? Wo bleibt jetzt der „brutalstmögliche“ rhetorische Gegenschlag …? Wo der laute Protest der ZDF-Kollegen? Wenn der ausbleibt, wuchert der Parteienfilz.“

Gerd Ruge, TV-Journalist (Jurymitglied als Preisträger Lebenswerk 2008), fordert:

„… eine tiefgreifende, überaktuelle Diskussion über die gefährdete Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, seine Unabhängigkeit von Regierungsvertretern und die Beteiligung der Öffentlichkeit an den Diskussionen über Inhalt, Stil, Qualität und Zielsetzung besonders auch der Informations- und Kulturprogramme.“

Stephan Weichert, Professor für Journalistik an der MHMK – Hochschule für Medien und Kommunikation, Hamburg, erklärt:

„Der künftige Chefredakteur muss reformbereit sein und den ursächlichen Systemfehler des ZDF – die starre Trennung von Chef- und Programmdirektion – aushebeln, zudem muss er die „journalistische Unabhängigkeit“ des Senders gegen den wachsenden politischen Druck durchsetzen. Der Fall muss ein medienpolitisches Mahnmal für die innere Pressefreiheit in Deutschland sein: Weder Politiker noch Parteien sollten sich „ihre“ Journalisten gefügig machen können, konsequent wäre daher ein wie von den Grünen gefordertes Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, das die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Staatsfreiheit des Rundfunks im Hinblick auf die ZDF-Gremien genauer überprüft. Die Staatsferne muss oberstes Gebot in Mediendeutschland bleiben.“

Andras Wolfers, Leiter der Gruner+Jahr-Journalistenschule/Henri-Nannen-Schule, meint:

„Die Strukturen von Kontrolle und Einfluss sollten so geändert werden, dass es künftig nicht mehr notwendig erscheint, jemandem einen Heiligenschein zu verleihen, bloß weil er als ZDF-Chefredakteur seine Arbeit prima gemacht hat.“

Erschienen in Ausgabe 01+02/2010 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 29 bis 29. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.