„Keine einsame Entscheidung“

?Sie sind jetzt ein Unternehmer-Journalist?

Markus Albers: Ich glaube, ich war im Geiste immer schon einer. Spätestens seitdem ich nach dem Studium Nicholas Negroponte und später Richard Florida gelesen hatte, war ich überzeugt, dass moderne Produktionsmittel für Wissensarbeiter lediglich in meinem Kopf, meinen Kontakten und vielleicht noch dem Inhalt meiner Festplatte bestehen. Es hat ein paar Jahre gedauert, bis sich diese Erkenntnis für viele durchgesetzt hat, aber jetzt – scheint mir – ist es langsam soweit. Die Wharton School empfiehlt auch Angestellten, sich heute als „embedded entrepreneurs“ zu sehen. Das trifft gut, wie ich mich in den Phasen meiner festangestellten Arbeit gefühlt habe.

Wie sieht Ihr Unternehmertum heute konkret aus?

Ich bin Autor für ausgewählte Magazine, entwickele neue Formate für Verlage und Agenture, schreibe Bücher, die ich manchmal selbst heraus bringe und gründe unter dem Namen „Future Publishing“ jetzt zusammen mit einem kleinen hochkarätigen Team eine Strategie- und Beratungsagentur, um Ideen und Produkte für die neue Medienwirklichkeit zu entwickeln. Ich arbeite mit anderen Experten zusammen und beschäftige sogenannte Virtuelle Persönliche Assistenten in Indien, Polen und Berlin. Man muss lernen zu delegieren, das fällt vielen Journalisten schwer.

In den USA werden Unternehmer für ihre Erfolge bewundert und auch für den Mut eines Neuanfangs, wenn sie gescheitert sind. Hierzulande gelten erfolgreiche Unternehmer eher als Kapitalisten und gescheiterte Unternehmer werden als Versager gebrandmarkt. Stört Sie das in Deutschland landläufig schlechte Image?

Zumindest scheint es sich gerade zu ändern. Ausgerechnet im Krisenjahr 2009 wurden in Deutschland mehr Unternehmen gegründet als pleitegingen. 2008 und 2009 wanderten erstmals mehr Menschen aus Deutschland aus als ein. Wir Deutschen sind traditionell eher risikoscheu und sicherheitsgläubig, aber das ändert sich gerade. Wir werden abenteuerlustiger.

Ihr vorheriges Buch „Morgen komme ich später rein“ haben Sie konventionell über einen Verlag veröffent- licht und es ist ein Wirtschaftsbestseller geworden. Warum haben Sie jetzt für „Meconomy“ lieber den finanziell riskanteren Weg ohne Verlag gewählt?

Der Verlag wollte das Buch gerne machen, wir hatten auch schon einen Vertrag. Aber dann war sich der Verlag nicht sicher, ob es in die Krise passt. Wir haben es geschoben, dann wollten sie es erneut schieben, auf Herbst 2010. Das war im Herbst 2009 und hätte bedeutet: Mein Buch wäre erst ein Jahr später erschienen. Ich möchte das dem Verlag gar nicht vorwerfen. Es ist verlagspolitisch manchmal sicher nicht anders zu machen. Nur: Wenn man dann als Autor auf einem fertig geschriebenen Buch sitzt, das auch eine gewisse Aktualität, recherchierte Fakten und Zahlen hat – es ist ja keine historische Abhandlung oder Biografie –, dann ist das natürlich eine schlechte Nachricht. Denn dann kann ich das Buch eigentlich fast noch mal neu schreiben. Ich hatte also die Wahl: Warte ich und überarbeite das Buch dann sehr stark oder mache ich es selbst? E-Reader waren im Trend, das Apple Tablet war auch schon am Horizont zu sehen. Dazu die Paid-Content-Debatte – die Frage, ob man im Internet auch Inhalte verkaufen kann. All das hat mich ermutigt, mein Buch selbst als E-Book herauszubringen. Vielleicht bin ich ein bisschen zu früh, aber vielleicht ist der Zeitpunkt auch genau richtig.

Hatten Sie strategische Beratung für „Meconomy“?

Ich habe sehr viele Leute gefragt: Kann man das machen? Ist das Irrsinn? Hassen mich dann die Verlage? Verkaufe ich nur zehn Bücher? Ich habe wirklich sehr viele Gespräche geführt, zum Beispiel mit Bloggern, Webdesignern, E-Book-Experten und anderen Autoren. Es ist bei so einem Projekt wichtig, dass man keine einsamen Entscheidungen trifft, sondern eine Marktstudie macht und überprüft, ob die eigenen Pläne realistisch sind. Allen voran möchte ich das Berliner Unternehmen textunes erwähnen, die das Buch nicht nur aufs iPhone sondern auch im EPUB-Format in die E-Book-Stores wie Libri oder Thalia gebracht haben. Textunes kooperiert sonst eigentlich nur mit Verlagen und hat für mich als Autor eine Ausnahme gemacht. Sie haben mir viele Tipps gegeben.

Ist für Sie das Arbeiten auf eigenes Risiko erstrebenswert? Zumindest in einer Mischung mit herkömmlichen Auftraggebern?

Mischung ist jeden Fall das richtige Stichwort. Ein Finanzberater würde dazu wohl sagen: Portfolio-Diversifizierung. Für mich als freier Journalist ist es gut, wenn ich ab und zu mal ganz klassisch einen Artikel verkaufe, ab und zu mal in einer Entwicklungsredaktion auf Tagessatz arbeite, hin und wieder ein Buch auf eigene Faust veröffentliche oder auch mal wieder bei einem Verlag. Ich kann mir bei jedem Text überlegen, welches der beste Vertriebsweg ist.

Steigert das unternehmerische Denken auch das Selbstbewusstsein bei Verhandlungen mit klassischen Auftraggebern?

Ja, natürlich. Als Freier, der ein Portfolio von Kunden und verschiedene Aktivitäten hat, kann ich leichter sagen: Wenn ein Kunde mich nervt, dann arbeite ich halt für den nicht mehr. Es sei denn, er zahlt irrsinnig gut.

Wie schafft man den Spagat zwischen Unternehmer-Journalist mit Selbstbewusstsein und Dienstleister mit Servicebewusstsein, wenn man weiterhin auch für klassische Auftraggeber arbeitet?

Als Unternehmer hat man ja auch Kunden, da ist es besonders wichtig, sich nicht als kreative Diva aufzuspielen, sondern der zuverlässige, freundliche Dienstleister zu sein. Trotzdem: Ich habe die Freiheit zu entscheiden, mit wem und für wen ich arbeite. Dieses Gefühl einer fundamentalen Unabhängigkeit ist für mich fast schon existenziell wichtig. Glücksforscher sagen ja zu Recht: Nur wer weitgehend selbstbestimmt arbeitet, ist mit sich im Reinen.

Was können Sie anderen Journalisten raten, die ebenfalls stärker unternehmerisch arbeiten wollen? Welche Fehler sollten sie vermeiden?

Trotz allem oben Gesagten: Nicht gleich frei anfangen. In Redaktionen gehen, Erfahrungen und Kontakte sammeln. Das Business verstehen und das Handwerk lernen. Dann all das nehmen und mit mutigen eigenen Ideen freiberuflich monetarisieren.

Gibt es zusätzliche Finanzierungsquellen, die den Start erleichtern können?

Ein Lottogewinn? Eine Erbschaft? Im Ernst: Geld muss man verdienen und auch das will gelernt sein. Ich habe mich immer selbst finanzieren müssen und das schult. Ein Beispiel: Dramatisch zu schlecht bezahlte Jobs sollte man selbstbewusst ablehnen. Der eine oder andere Zeitungsverlag darf sich hier angesprochen fühlen. Was da teilweise an Honoraren geboten wird, ist absurd. 200 oder 300 Euro pro Story, die drei Tage Arbeit bedeutet, entspricht einem Tagessatz von unter 100 Euro – das kann doch nicht die Grundlage einer soliden Geschäftsbeziehung sein.

Linktipp:

Wie Markus Albers sein Buch selbst auf den Markt gebracht und vermarktet hat und wie er das wirtschaftliche Risiko einschätzt, sagt er in der Online-Fassung des Interviews unter www.mediummagazin.de, exklusiv den Abonnenten vorbehalten bis 30.3., unter Eingabe des Passworts MA310

Erschienen in Ausgabe 03/2010 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 36 bis 36 Autor/en: Interview: Ulrike Langer. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.