Nachgefragt bei … Christoph Lütgert

Der Moment kommt, früher oder später. „Zeig doch mal deinen Führerschein“, sagt der Kollege aus der Grafik zum Redaktionsleiter. Woraufhin Männer mit Seitenscheitel sich charmante Beleidigungen anhören müssen: „So ein Wilder warst du also.“ Und „interessante Frisur“, hören die Damen, die ihre Zeit als Dauerwellenstar gerne aus ihrer Frisurbiografie ausradieren würden.

Unser prominentes Foto-Opfer Nr. 9 (nach Dietmar Pieper, Peter Kloeppel, Peter-Matthias Gaede, Martin Sonneborn, Nikolaus Förster, Moritz Döbler, Annette Dittert und Christoph Keese) ist Christoph Lütgert, 64, Chefreporter des NDR. In dieser Funktion war Lütgert in der ganzen Welt unterwegs, drehte Features und Reportagen. Jahrelang arbeitete Lütgert als erster Redakteur für das investigative Politmagazin „Panorama“. 2002 wurde sein Film „Das Lipobay-Desaster“ mit dem Leuchtturm-Preis des Netzwerk Recherche ausgezeichnet. Vor seiner Fernsehkarriere berichtete Lütgert zuerst für die dpa als landespolitischer Korrespondent, schließlich wechselte er als Bonner Korrespondent zum NDR.

Lütgerts Fotokommentar: Einem Zufall habe ich zu verdanken, dass überhaupt etwas aus mir geworden ist. Als permanenter Studienabbrecher (Jura, Publizistik, Theaterwissenschaften, Amerikanistik und Politologie) sah meine Zukunft nicht rosig aus. Vor lauter Verzweiflung schickten meine Eltern mich sogar auf eine Schule für Schreibmaschinenschreiben – unter lauter Mädchen. Dann lernte ich den Leiter der dpa in Berlin kennen, der mich zu einem Besuch der Redaktion einlud. Das war 1968, in Berlin tobten die Studentenproteste, Demos waren an der Tagesordnung – noch heute höre ich den Klang der Pflastersteine, die in Schaufensterscheiben geschleudert wurden. Im Gegensatz zu anderen dpa-Reportern hatte ich damals gute Kontakte in die linke Szene, und so wusste ich lange vor der Polizei, wo es knallt. Telefonisch diktierte ich meine Berichte den Sekretärinnen in die Schreibmaschinen. Schließlich bot mir der Berliner dpa-Chef ein Volontariat an – das habe ich tatsächlich abgeschlossen. Nach dem Volontariat durfte ich mir eine unbefristete Festanstellung aussuchen und entschied mich für das dpa-Landesbüro Düsseldorf. In meiner Zeit als landespolitischer Korrespondent der dpa in NRW ist das Foto entstanden. Dpa verbreitete damals wie heute Interviews, die andere Zeitungen geführt hatten – das stellte ich während meiner Zeit für den Landesdienst Nordrhein-Westfalen ab. Ich wollte, dass wir von den Zeitungen zitiert werden, und ich wollte nicht die Interviews der Zeitungen zitieren. So mussten in Nordrhein-Westfalen alle Politiker, die von dpa zitiert werden wollten, sich an die Agentur direkt wenden. Damit war ich „die Spinne im Netz“!

Jürgen Kellermeier, damals NDR-Hörfunkchefredakteur, holte mich schließlich zum NDR, als Bonner Korrespondent. Danach engagierte mich das NDR-Fernsehmagazin „Panorama“. Ich sollte meine Bonner Kontakte einbringen. Die ersten Monate bei „Panorama“ waren furchtbar: Ich hatte keinerlei Fernseherfahrung und musste mich richtig durchbeißen. Meinen jetzigen Posten als Chefreporter werde ich noch bis zum Mai ausüben, danach gehe ich in Rente – aber den ein oder anderen Film mache ich vielleicht noch.

Erschienen in Ausgabe 03/2010 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 10 bis 12. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.