Sprechernotizen

Neues aus der Image-Pathologie

Sollte für dieses Jahr jemand befürchtet haben, angesichts laufender Budgetschrumpfungen könnte es langweilig werden in der Kommunikationsbranche, so darf er aufatmen. Ganz im Gegenteil, es wird spannend:

So wetten Beobachter derzeit darauf, wie sich wohl Susanne Wegerhoff in ihrem neuen Job als „Vice President Kommunikation“ schlagen wird. Seit dem 1. Februar betreut sie nämlich die Öffentlichkeitsarbeit eines der pathologischsten Image-Fälle der Nation – die von Opel in Rüsselsheim. Aber nun ja, Wegerhoff kennt sich mit Krisen aus. Bei Ford Europe einst Vorzeige-PR-Frau im Vorstandsrang, wechselte sie Mitte 2004 zur Bahn als Kommunikationschefin und Nachfolgerin von Mehdorn-Intimus Dieter Hünerkoch. Den Chefsessel dort wärmte sie allerdings nicht lange: Bei der Fusion von Kommunikations- und Marketingabteilung 2006 zog sie den Kürzeren, der mächtige Job des PR-Chefs der Bahn fiel an Ralf Klein-Bölting. Wegerhoff durfte sich zwar fortan mit dem Titel „Leiterin Investor Relations und Financial Communication“ im Bahn-Imperium schmücken. Hat aber alles nix genutzt, der Traum vom Börsengang ist auf Eis gelegt, Wegerhoff war also zuletzt so etwas wie ein Geschäftsführer ohne Geschäft. Nun also der nächste Schleudersitz. Dr. Who wünscht „good luck“.

Für die politische Kommunikation des gebeutelten Autobauers ist übrigens ein anderer neuer Wegerhoff-Kollege zuständig, der reichlich persönliche Erfahrung mit Krisen-PR mitbringt: Volker Hoff. Der mittlerweile Ex-CDU-Landtagsabgeordnete war mit seiner damaligen Agentur ZHP in den millionenschweren Ruzicka-Skandal verwickelt, was ihn wohl im neuen Kabinett Roland Kochs nach der Landtagswahl 2009 seinen Stuhl als hessischer Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten gekostet hat. Mal sehen, welche Kohlen er nun für Opel aus dem Feuer holt – oder zum Glühen bringt.

Willkommen, Kollege Ziesemer

In Zeiten der Not klammert man sich bekanntlich an jeden Strohhalm. Aus diesem Grund erfreut sich daher jetzt eine bislang eher randständige Branche ungewohnter Aufmerksamkeit. Die Rede ist von Corporate Publishing vulgo Kundenzeitschriften, also einem PR-Zweig. Nicht nur dass Bernd Ziesemer, durch permanenten Sparzwang zermürbter Chefredakteur des „Handelsblatt“, nun die Seiten und zu Hoffmann&Campe Corporate Publishing wechselt. Dabei wurde doch eben jener Ziesemer in der Medienbranche gerne als furioser Streiter wider den journalistischen Ausverkauf, geradezu als Vorzeigekämpfer gefeiert. Für nicht wenig Irritation bei seinen bisherigen Kollegen, dafür für Freude bei seinen Demnächst-Kunden sorgte da besonders sein Satz: „Aus meiner bisherigen Arbeit als Chefredakteur des „Handelsblatt“ weiß ich, wie schwer heute viele Unternehmen mit ihrer Botschaft in der Öffentlichkeit durchdringen. Kreative Lösungen sind gefragt.“ Willkommen an Bord, lieber Neu-Kollege Ziesemer!

Übrigens hat sich auch der Zeit-Verlag, noch ein Flaggschiff des unabhängigen Journalismus, unlängst mit der Tempus (sic!) Corporate GmbH ein schickes Beiboot für PR-Medien zugelegt. Natürlich wäre der Zeit-Verlag nicht der Zeit-Verlag, wenn „Tempus“ einfach nur mit Blick auf schnöden Mammon entstanden wäre. Nein, es war vielmehr so, dass Kunden ausdrücklich darum „gebeten“ hätten, in ihrem Auftrag „Magazine oder sonstige Publikationen zu erstellen“. Na dann. Einer dieser Kunden ist die dem Zeit-Verlag sehr verbundene Bucerius Law School. Es bleibt zu hoffen, dass sie ihren Wunsch nach Betreuung durchaus freiwillig äußern durfte.

Stirnrunzeln in Vertrauensfragen

Vertrauen unter Geschäftspartnern ist heutzutage ein gefährdetes Gut. Dass an so mancher Stelle Kontrolle die bessere Wahl wäre, zeigt sich nicht nur im Fall der „Bunte“ und ihrer vom „Stern“ enttarnten Subunternehmer im vorgeblichen Dienste der Aufklärung von „Staatsaffairen“.

Man fragt sich ja, was Chefredakteurin Patricia Rieckel – assistiert von Burda-Vorstand Philip Welte – reitet, so ungebremst „investigativen Journalismus“ für sich zu reklamieren und lieber dem „Stern“ eine Neid-Berichterstattung vorzuwerfen. Jetzt muss Rieckel fürchten, nicht mehr in Berlin bei Kanzlers eingeladen zu werden, das wäre freilich die Höchststrafe.

Für Stirnrunzeln in Vertrauensfragen sorgte in München aber auch die Kür der „Media-Persönlichkeit des Jahres“ beim Deutschen Media Award 2010. Glücklicher Preisträger wurde nämlich Florian Haller, Chef und Mitinhaber der serviceplangruppe und damit auch deren Mediatochter Mediaplus.

Warum er die Trophäe erhielt, wurde in der Laudatio von RTL-Vermarkter Wolfgang Krapf allerdings nicht ganz klar. Es reichte offenbar, dass Haller – gemeinhin eher als Marketing- und Werbemann und in der Mediaszene eher wenig profiliert – „für das, was gerade in diesen Zeiten wichtig ist, nämlich Vertrauen“ stehe. Aha.

Der MediaPlus-Kunde Haribo teilt diese Einschätzung wohl weniger. Haribo fühlt sich nämlich von seiner ehemaligen Agentur (seit Ende 2008 arbeiten sie lieber mit Mindshare zusammen) ziemlich schlecht informiert und hat diese kürzlich vor dem Münchner Landgericht auf Offenlegung aller Kundenrabatte verklagt. Am 20. April soll nun die Verhandlung in München stattfinden. Eine Laudatio wird da wohl kaum gehalten werden.

Dr. Who ist das Pseudonym einer bekannten Führungskraft der PR-Branche. E-Mail: autor@mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 03/2010 in der Rubrik „PR“ auf Seite 74 bis 75. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.