Frischer Wind

Wie da mal eben Dutzende Redakteure gekündigt und ganz en passant ihres Lebensentwurfs beraubt werden – das zeugt natürlich von einer armseligen Unternehmenskultur beim Jahreszeiten-Verlag (Jalag). Auch ist jedes Wort zuviel, mit dem der Mini-Konzern diese Streichorgie zum Geschäftsmodell der Zukunft verbrämt – auf das er ja ohne eine Unternehmensberatung wahrscheinlich nicht mal gekommen wäre. Und dennoch kann man sich ja mal fragen, ob denn wirklich jede Zeitschrift eine eigene Redaktion benötigt oder ob es nicht viel besser wäre, wenn ständig frischer Wind durch die Stube wehte.

Es ist ja leider so, dass bei vielen Kollegen kurze Zeit nach der Festanstellung die Verve erlahmt – haben sie doch dann alles erreicht, was sie erreichen wollten. Eine schöne Festanstellung, vielleicht sogar einen kleinen Dienstwagen, die Anzahlung für die Eigentumswohnung und vor allem einen geregelten Tagesablauf, der Sicherheit in unsicheren Zeiten bietet. In vielen Redaktionen sieht der Alltag so aus: Morgens schön Tageszeitung lesen, um zu schauen, was die Kollegen so machen, dann eine kleine Konferenz, nach der man mal schaut, wie es weitergeht, anschließend ist es oft schon wieder Zeit für den geliebten Gang in die Kantine und danach für einen schnellen Espresso. Was schon drei? Jetzt aber schnell mal ein paar Mails checken. Wer es nicht glauben mag, kann ja mal in einer x-beliebigen Redaktion anrufen, um sich sagen zu lassen, dass die Person, die man sprechen wollte entweder „zu Tisch“ oder „ in einem Meeting“ ist. Selbst bei Tageszeitungen kann einem das erschreckend häufig passieren. Und hat mal jemand die Anzahl der Kicker-Tische in deutschen Verlagen eruiert?

Es ist eben nicht so, dass große Redaktionen ein Blatt gleich besser machen – oft stimmt viel mehr, dass viele Köche den Brei verderben. Man muss sich ja manchmal wundern, wie viele feste Redakteure manche Blätter haben – beim Blick in das Impressum von „Zeit-Magazin“ oder „stern“ kann einem regelrecht schwindelig werden vor lauter Namen – einige darunter, von denen man höchst selten liest. Klar, bei manchen Magazinen ist eine Redaktion – auch eine große – unerlässlich. Der „Spiegel“ etwa muss es sich leisten können, seine Leute auch über Wochen zu unterstützen, damit sie wühlen können. Bei „Vital“ oder „Merian“ ist das eher nicht der Fall.

Die Saturiertheit vieler festangestellter Journalisten kann man aus ihren Texten herauslesen. „Die meisten Medienleute leben in einem wohlanständigen Leben, das vor allem verteidigt werden soll“, benennt der Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister einen Grund für den zahnlosen Wohlfühljournalismus, der einem aus vielen Blättern entgegenschlägt. So betrachtet steckt in dem Modell des Jahreszeiten-Verlags wirklich die Chance, die etablierte Ideenlosigkeit durch kreative Frische von außen zu ersetzen. Vorausgesetzt natürlich, man ist bereit, einen Teil des Ersparten in die Honorare für die Freien zu investieren. Bei Organen wie der „Petra“ werden sich richtig gute Schreiber, die auch andernorts gefragt sind, noch ein Schmerzensgeld obendrauf zahlen lassen wollen. Das sollte man einkalkulieren.

Feste Redaktionen neigen zu festen Ritualen, wie die langen Redaktionskonferenzen etwa, deren Hauptzweck oft darin besteht, die Vorschläge der anderen kaputtzureden. Am Ende solcher Sitzungen stehen dann oft faule Kompromisse – aus den Geschichten wird irgendwas Halbgares, weil jeder noch eine Idee hatte, wie man es machen könnte. Da ist es oft besser, dass einer entscheidet, was und wie es ins Blatt kommt, und mit sicherem Blattmachergespür aus den Angeboten wählt. Wenn man es richtig macht, also die Ideen der Freien durch die Chefredaktionen und deren Anhang vernünftig orchestrieren lässt (und genügend Geld dafür bereitstellt) hat der Befreiungsschlag des Jalag durchaus Charme. Es gibt ja einige Zeitschriften, die vormachen, wie gut man ohne große Redaktion sein kann – etwa „brand eins“ oder „mare“, beide kreativer als das Gros der deutschen Magazine. Und wenn es richtig gut läuft, werden aus den rausgeschmissenen Redakteuren freie Journalisten, die wieder näher am echten Leben sind und bei denen aus diesem Initiationserlebnis neuer schreiberischer Furor erwächst. Politisierter sind sie ja nun allemal.

Zum Thema Jalag siehe Seiten 26-27.

Erschienen in Ausgabe 04+05/2010 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 81 bis 81. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.