Spezialisiert euch!

Meinungen

Die Fragen:

Frage 1: Warum arbeiten Sie frei?

Frage 2: Was ist die größte Hürde für freie Journalisten?

Frage 3: Was wünschen Sie sich von der Seite der Auftraggeber?

Frage 4: Welche Tipps können Sie anderen Freien geben?

Simone Schlindwein

(30), Freiberuflerin seit: über zehn Jahren, für u.a. ARD-Hörfunksender, „taz“, und „Spiegel“.

1. Ich mag die Freiheit, mir Ort und Zeit meiner Arbeit aussuchen zu können und welche Themen ich mit welchem Aufwand recherchiere. Ich lebe und arbeite in Afrika, hier passiert nichts unter Zeitdruck oder einfach nur so am Telefon. Ich mag dieses Gegenteil der Redaktionshetze. Ich brauche die Zeit, meine Themen aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Nur Freie finden noch wirklich die Zeit, der Leidenschaft Journalismus wirklich nachzugehen.

2. In meinem Fall die Reisekosten, Visa, Impfungen und Journalistenakkreditierungen, die niemand außer mir selbst bezahlt und die Recherche in meinem Fall sehr teuer machen.

3. Mehr Verständnis dafür, dass in manchen Teilen der Welt die Arbeit nicht einfach ist, zum Beispiel wegen Strommangels. Wenn das schon nicht entlohnt wird, dann wenigstens ab und an mehr Anerkennung und Verständnis dafür. Ich kenne nur wenige Redakteure, die jemals frei und im Ausland über längere Zeit gearbeitet haben. Für deren Verständnis bin ich sehr dankbar.

4. Es wagen und es versuchen. Das Ausland ist sicher eine bessere Spielwiese für Freie als Deutschland selbst! Vor allem Regionen, in welchen sich nicht die festen Korrespondenten aufhalten.

Tong-Jin Smith

(39), Freiberuflerin mit Unterbrechungen seit: 1992 u.a für „Tagesspiegel“, „FR“, „WamS“, „Natürlich“, ZDF.

1. Ich habe versucht in der Festanstellung zu arbeiten, aber kann das auf Dauer nicht. Der Umgang mit den Hierarchien und der ganzen Politik in Redaktionen und Verlagen ist mir zu anstrengend. Der größte Vorteil: Freiheit – zeitlich, inhaltlich, geistig.

2. Für viele sind die eigene Selbstvermarktung und die unregelmäßigen Verdienste eine Hürde. Man braucht eine Portion Mut, eine Portion Können und eine Portion Organisationstalent, um als freier Journalist oder freie Journalistin zu überleben.

3. In erster Linie eine angemessene Vergütung – gemessen am Aufwand, an Inhalt und Form. Ich möchte von meinem Beruf leben können, ohne wie am Fließband Artikel produzieren zu müssen, um über die Runden zu kommen. Außerdem mehr Respekt für „echte“ Journalisten, die Zeit und Kraft in ihre Arbeit investieren, über Jahre Wissen und Kontakte ansammeln und ihr Handwerk verstehen. Und von Redakteuren mehr Mut zu originellen und neuen Themen und mehr Vertrauen in die Recherchen der freien Kollegen.

4. Spezialisiert euch – desto einfacher ist es für Redakteure zu wissen, wann sie jemanden einsetzen können. Das heißt aber auch: Pflegt euer Wissen und bleibt auf der Höhe in eurem Fachgebiet. Und pflegt Kontakte. Ohne professionelles Vernetzen innerhalb und außerhalb der Medienszene lassen sich kaum kompetente Ansprechpartner oder gute Auftraggeber finden.

Wolfgang Michal

(56), Freiberufler seit: 1999, für Buchverlage, Magazine, Zeitungen, Onlinemagazine, Blogs.

1. Weil meine Redaktion langweilig wurde, weil ich langweilig wurde und weil ich mit 44 dachte: Das kann doch nicht alles gewesen sein! Der größte Vorteil: Dass man morgens ausschlafen kann, wenn man bis um drei Uhr nachts an einer Geschichte geschrieben hat. Dass man seine aufwachsenden Kinder nicht nur vor dem Zubettgehen sieht. Dass man die Jahreszeiten wieder entdeckt.

2. Die Angst vor der ungewissen Zukunft.

3. Auftraggeber sollten regelmäßig anrufen, neugierig sein, ein gutes Vorstellungsvermögen besitzen, die Handschrift eines Autors respektieren und nicht um Geld feilschen.

4. Als freier Autor müssen Sie auch mal „Nein“ sagen können! Gehen Sie Ihren Weg!

Klaus Bardenhagen

(33), Freiberufler seit: 2005 für taiwanreporter.de: NDR, Deutsche Welle, DLF, WDR etc.

1. Weil ich gerne selbst bestimme, woran ich arbeite, wann und wie viel. Der größte Vorteil: Dass ich mit taiwanreporter.de freier Auslandskorrespondent werden konnte.

2. Auftragsmangel, Motivationsmangel, langfristige Pläne.

3. Eine Antwort auf jedes Themenangebot. Eine Absage ist viel besser als gar keine Reaktion.

4. Spezialisiert euch, macht euch unverzichtbar. Schön schreiben oder drehen können andere auch.

Thilo Schmidt

(33), Freiberufler seit: 2004, für u.a. Deutschlandradio Kultur, DLF, SWR2.

1. Weil frei zu arbeiten nicht nur den Verzicht auf bezahlten Urlaub und Krankengeld bedeutet, sondern auch: Frei zu sein, nicht weisungsgebunden zu arbeiten und im wahrsten Sinne des Wortes unabhängiger Journalist zu sein. Weil ich – was zugegeben selten vorkommt – Aufträge ablehnen kann und selbst über mich bestimmen kann. Der größte Vorteil: Kein Verwaltungs-Journalist zu sein, der sich mit bürokratischen Bürden herumärgern muss, hierarchiefrei arbeiten und entscheiden zu können. Und aufstehen, wann es einem passt.

2. Für freie Hörfunkjournalisten wie mich ist ärgerlich, dass wir auf unsere ohnehin nicht üppigen Einnahmen sieben Prozent Umsatzsteuer abführen müssen, damit faktisch sieben Prozent unseres Umsatzes einbüßen, weil die öffentlich-rechtlichen Anstalten (als Körperschaften des öffentlichen Rechts von der Umsatzsteuer befreit) keine Umsatzsteuer auf die Honorare drauflegen.

3. Dass sich langsam mal in jeder Redaktion herumspricht, dass ohne die Leistung der Freien kaum ein Medium mehr funktioniert. Daran gemessen ist die Behandlung, die freie Journalisten durch manche Redaktion erfahren, indiskutabel, wie wochenlang auf eine Reaktion, wenn überhaupt, auf ein Angebot warten zu müssen. Wir sind schließlich keine Bittsteller und wollen auch keine Almosen.

4. Sich klarmachen, dass man ein Teil des kreativen Prekariats ist und dass nur wir selbst etwas an dieser Situation ändern können. Lobbyarbeit betreiben! Sich organisieren! Und, bitte: Etwas mehr Selbstbewusstsein. Auch einer Redaktion mal sagen, dass man auf Augenhöhe behandelt werden will!

Felicitas Witte

(37), Freiberuflerin seit: 2004, für u.a. „SZ“, „NZZ“, „Standard“, „netDoktor“, IQWiG, Thieme Verlag.

1. Ich kann so mehr schreiben und so das sein, was ich am liebsten möchte: Journalistin. Die Arbeit als Redakteurin mit Redigieren, Inhalt und Layout planen gefiel mir zwar auch, aber ich schreibe lieber. Ich recherchiere über so unterschiedliche Themen und richte mich an verschiedene Leser – das finde ich spannend und herausfordernd. Und ich kann mir meine Zeit frei einteilen. Frei sein ist einfach super!

2. Für die größte Hürde halte ich die oft geringe Bezahlung, vor allem wenn man eine Familie hat. Aber wenn wir uns alle für bessere Honorare einsetzen, könnte sich diese Hürde deutlich verringern!

3. Ich wünsche mir, dass sie uns wahrnehmen und adäquat auf E-mails oder Telefonanrufe antworten. Sie sollten uns Freie als gleichberechtigte Partner betrachten und nicht als „minderwertige Schreiber“, mit denen man nicht zu kommunizieren braucht. Dass sie uns für unsere Arbeit adäquat bezahlen und klar sagen, bis wann sie was haben möchten und berücksichtigen, dass gute Recherche und gute Texte Zeit brauchen.

4. Seid selbstbewusst und fordert ein adäquates Honorar! Missbraucht nicht den „guten Ruf“ des Journalismus: Leistet qualitativ hochwertige Arbeit und „verkauft“ euch nicht. Arbeitet redlich und schreibt nichts, was ihr nicht belegen könnt! Lasst euch von niemandem für Werbezwecke missbrauchen. Sucht euch frühzeitig Kontakte und pflegt euer Netzwerk. Seid gerne frei!

Fabienne Hübener

(43), Freiberuflerin seit: 2006, u.a. Springer Medizin, Wort & Bild Verlag.

1. Ich kann arbeiten,
wann ich will, mir die Themen aussuchen, auf die ich Lust habe, und kein Monat gleicht dem nächsten. Der größte Vorteil: Das schöne Gefühl, frei zu sein.

2. Das Leben in ständiger finanzieller Unsicherheit.

3. Nicht vergessen: Honorierung und Qualität stehen in direkter Beziehung.

4. Spezialisieren!

Erschienen in Ausgabe 04+05/2010 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 38 bis 39 Autor/en: Umfrage: Isabelle Buckow. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.