Blasen und Phrasen

„Game Changer“

Früher suchten Abenteurer nach dem Stein der Weisen, heute suchen Unternehmer nach einem „Game Changer“. Einer Idee oder Erfindung also, die das Spiel, beziehungsweise den Markt, von Grund auf neu definiert. Führte der FC Bayern Fußballschuhe ein, mit denen der Ball nicht mehr vom Spieler zu trennen wäre, dann hätten wir es mit einem „Game Changer“ zu tun. Auf dem Spirituosenmarkt würde ein alkoholfreies Bier, das tatsächlich so schmeckt wie eines mit Alkohol, das Gewerbe umkrempeln. Und entwickelt Apple einen Zwitter zwischen einem Hightech-Handy und einem Laptop und nennt es iPad, dann haben wir es nach Meinung vieler Medienexperten mit einem, jawoll, „Game Changer“ zu tun. Wer von diesen spielverändernden Gedankenblitzen spricht, könnte natürlich auch auf das übliche Phrasen-Arsenal zurückgreifen und von „Innovation“, „Premium-Strategie“, „aufgeladenen Marken“ oder der „Zukunft der Qualität“ faseln. Aber „Game Changer“ ist da natürlich viel eleganter, cooler, weltmännischer. Der Ausdruck ist quasi das iPad der Phrasen. Wer es in seine Rede einbaut, wird sich wie Steve Jobs bei der Vorstellung seiner neuen Geräte vorkommen – unkonventionell, überlegen und ein wenig angeberisch.

„Magisch und revolutionär“

Wo wir schon bei Steve Jobs sind – zu dessen Lieblingsworten zählen „magisch“ und „revolutionär“. Beide beziehen sich auf das eben schon erwähnte iPad und beide klingen im Grunde kindisch. Wenn Disneyland damit Werbung macht, dass seine Freizeitparks „magisch“ sind, mag das angemessen sein. Wenn ein Automobilmanager von einem „magischen“ neuen Fahrzeug spräche, klänge das dagegen verkehrt. Denn würde man nicht erwarten, das Auto könne auch tauchen und fliegen? Irgendwie schon. „Revolutionär“ hat derweil als Vokabel seine politische Sprengkraft schon länger hinter sich gelassen. „Revolutionär“ sind heute vor allem Produkte, die „innovativ“ sind und versprechen, „Game Changer“ zu sein. Aber auch mit der Ankündigung eines „revolutionären“ Produktes lockt man heute kaum noch Leute aus ihren Coffeebars und Townhouses, zu durchgenudelt ist das Wort. Und trotzdem darf man es benutzen. Wenn man Steve Jobs ist. Oder zumindest so ein großes Ego hat wie er.

„Wir stehen am Beginn einer neuen Ära“

Großspurige Ankündigungen, wir stünden am Beginn einer „neuen Ära“, sind meistens Quatsch. Zeitalter werden meistens erst im Nachhinein definiert. Es ist schwer, historische Zäsuren zu erkennen, wenn man sie selber erlebt. Ausnahmen stellen vielleicht das Ende von Kriegen, Hiroshima oder der Fall der Mauer dar. Wenn nun aber Manager oder Politiker hergehen, um geschwind eine „neue Ära“ anzukündigen, nur wenn mal die Regierung wechselt oder ein neuer Computer entwickelt wurde, dann ist das möglicherweise etwas vorschnell. Insofern ist eigentlich davon abzuraten, den verbalen Holzhammer rauszuholen und bei einer Rede oder in einem Interview eine „neue Ära“ herbeizureden. Viele Menschen haben Veränderungen gar nicht gern, denn sie bedrohen ihre Sicherheit, im schlimmen Fall ihr Weltbild. Wer nun hergeht und sagt: „Veränderungen sind aber doch gut!“, hat zwar nicht Unrecht. Veränderungen sind der Motor des Fortschritts. Aber „Change“ (Barack Obama) fällt nur auf fruchtbaren Boden, wenn die Frustration einer Gruppe von Menschen besonders groß ist. Und auch dann bricht nicht gleich eine „neue Ära“ heran, wenn sich etwas ändert. Bevor man sich also als Prophet und Zukunftsdeuter betätigt, sollte mittels empirischer Daten genau ermittelt werden, ob das Publikum überhaupt Lust auf ein neues Zeitalter hat.

„Wir lieben …“

Zum Schluss ein kleiner Abstecher in die Welt der Werbung. Der Slogan „Wir lieben“ ist ja nun für fast jedes Produkt und jede Dienstleistung verwendet worden, zum Beispiel für Lebensmittel (Edeka), Fernsehen (Kabel BW), Fliegen (Condor), Eis (Langnese) und Kino (Tele 5). Der Spruch scheint trotz hemmungsloser Übertreibung ein positives Gefühl zu vermitteln, gegen das sich Verbraucher trotz rationalen Denkens offenbar nur schwer erwehren können. Vorsicht ist dennoch geboten, das Erfolgsprinzip 1:1 auf Interviews oder Ansprachen zu übertragen. „Wir lieben unsere Wähler“ klingt unglaubwürdig, „Ich liebe meine Fans“ darf man als Popstar aber natürlich gerne sagen. Bleibt der Rat: In Liebensdingen vorsichtig sein und keine falschen Versprechungen machen.

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Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 68 bis 68. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.