Interview: Annette Milz
Mit welchem Ziel haben Sie nahraum.de gestartet?
Wolfram Kiwit: Einen neuen Link zu unseren Kunden zu schaffen. Gemeinsam mit unseren Lesern und Usern schaffen wir das lokale Gedächtnis einer Region.
Wie funktioniert das Portal?
nahraum.de ist ein regionales, lokales flickr. Nutzer melden sich an und laden zu Themen, Städten, Regionen Bilder hoch. In der Regel historische Fotos. Die Bilder sind dann öffentlich, es sei denn der Nutzer möchte sie nur Freunden zugänglich machen.
Worin unterscheidet sich „nahraum“ beispielsweise von Projekten wie www.von-zeit-zu-zeit.de, der „Stuttgarter Zeitung“?
Die Konzepte sind vergleichbar. Doch nahraum.de ist weniger Geschichtswerkstatt. Hier geht es eher um den Alltag unserer User und Leser. Gestern und heute.
Warum läuft „nahraum“ als von der Zeitung getrenntes Portal?
Weil nahraum.de eine eigene Marke ist. Die Print-Verknüpfung hilft, aber wir wollen auch Reichweite jenseits von zeitungstitel.de aufbauen. Medienhäuser brauchen Beiboote, die zusätzliche Reichweite bringen.
Auf welcher technischen Basis läuft Ihr Portal und wer betreut es?
Die Technik stammt von der Bertelsmanntochter wissenmedia ( www.wissenmedia.de). Wir hatten in den ersten Monaten Performanceprobleme, weil wir – und wissenmedia – mit diesem Erfolg nicht gerechnet hatten. Da wir diesen Piloten gemeinsam mit wissenmedia entwickelt haben, sind unsere Kosten auf Dritte nicht übertragbar. Sie sind aber überschaubar:Bandbreite und Webspace. Die Inhalte kosten ja nichts. Wer Details wissen will, kann sich bei mir melden.
Alle unsere Redaktionen arbeiten mit nahraum.de. Diese Plattform ist das perfekte Crossmedia-Tool. Wir bekommen fantastische Inhalte für Print und Online.
Wie nutzen Sie das redaktionell?
Wir sind in einem Nahraum mit unseren Lesern und Usern. In einem Nahraum des Dialogs, des Austauschs, des Miteinanders. Die Zeitung bekommt einmalige Inhalte. Die User sind stolz, dass wir ihre Erinnerungs-Fotos drucken. Und damit haben wiederum andere Leser Anteil an lokaler Geschichte und Ereignissen. Das Foto von einem Schienenzeppelin, der 1931 durch Schwerte fuhr, ist Gold für einen Lokalteil. Deswegen haben wir das „nahraum“-Thema in unserem Schwerter Lokalteil aufgemacht.
In unseren Redaktionen fragen wir uns bei jedem Thema: Ist das was für nahraum.de? Die Erdbeersaison beginnt. Liebe Leute, schickt uns Erntebilder von früher. Der Schützenverein, die Feuerwehr hat Jubiläum. Wer hat noch alte Bilder? Der BVB spielt wieder europäisch. Wo sind all die schwarzgelben Jubel-Fotos des Champions League-Sieges von 1997?
Welche rechtlichen Aspekte gilt es zu beachten?
Einen Juristen braucht man für den Aufbau einer solchen Plattform. Die User müssen uns garantieren, dass sie die Rechte an ihren Bildern haben und keine Persönlichkeitsrechte verletzt werden. Wir erhalte das Recht zur Online-Veröffentlichung. Wenn wir die Bilder dann drucken, fragen wir. Bisher immer mit Erfolg.
Zahlen Sie für die Fotos?
Nein, wir brauchen nichts für die Fotos zu bezahlen. Die Leser sind glücklich, ihre Bilder in der Zeitung zu sehen.
Wie pushen Sie die Aktivitäten der Community?
Durch tolle Veröffentlichungen und regelmäßige Hinweise in Print. Und mit Kampagnen, Gewinnspielen auf nahraum.de und in Print. Zum Beispiel haben wir letztes Jahr die schönsten historischen Weihnachtsfotos gesucht. Unsere Lokalredaktionen bekommen automatisch eine Mail mit den Links zu den neuen nahraum.de-Fotos ihrer Stadt. Zudem twittern wir unter @nahraum.
Auf welche Themen reagieren die Nutzer von „nahraum“ besonders stark, was funktioniert nicht?
Auf die lebensnahen Themen. Alles, wozu wir heute zur Digitalkamera greifen, funktioniert. Und dann gibt es in den Städten noch die Hobby-Historiker, die über fotografische Schätze verfügen und sich über eine derart populäre Plattform freuen. Und wir freuen uns über deren Bilder. Diese Schätze holen wir aus den Kellern ans Licht. Und schaffen so ein digitales Gedächtnis unserer lokalen Lebensräume. Was nicht funktioniert, bleibt Nische. 20 Fotos vom Hund freut nur das Herrchen. Stören aber auch nicht.
Wo sehen Sie Ausbau-Potenziale?
Wir werden den nahraum technisch verfeinern, mehr 2.0-Elemente anbieten, mehr Service rund ums Bild.
Was raten Sie Kollegen,die ein solches Projekt angehen wollen?
Einfach anfangen. Die Technik ist da. Das Interesse der Menschen auch. Wichtig: Die Redaktionen müssen die Chance einer solchen Plattform verinnerlichen. Und täglich leben.
Infos
nahraum.de in den „Ruhr-Nachrichten“: Die Redaktion Schwerte nutzte ein nahraum-Foto von einem Schienenzeppelin, der 1931 durch Schwerte fuhr, für einen lokalen Aufmacher.
Medium:Online
Mehr Beispiele für nahraum-Aufmacher sind dokumentiert unter www.mediummagazin.de, Rubrik Bilder, „nahraum“.
Medienhaus Lensing
Verbreitungsgebiet:
Östliches Ruhrgebiet und Münsterland
Ausgaben und Titel:
18 Ausgaben; 7 Titel:
„Ruhr Nachrichten“
„Münstersche Zeitung“
„Münsterland Zeitung“
„Grevener Zeitung“
„Emsdettener Volkszeitung“
„Dorstener Zeitung“
„Halterner Zeitung“
verkaufte Auflage (gesamt):
199.840 IVW 1 /2010, -2,8% zu 1/2009
Chefredakteur:
Wolfram Kiwit, seit 1999
Redaktionsmitglieder:
rund 200
Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 66 bis 67. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.