Das tägliche Zählen der Leichen

Mexiko stadt Reporter in Ciudad Juárez zu sein, ist ein schwerer Job. Polizeireporter in Ciudad Juárez zu sein, kann ein lebensbedrohlicher Job sein. Denn die Drogenkartelle lassen sich bei ihrer Arbeit nicht gerne zusehen. Lucy Sosa macht diese Arbeit bereits seit zwölf Jahren. Und sie liebt diesen Job trotz der allwöchentlichen Leichenzählerei. Ciudad Juárez, die mexikanische Stadt an der Grenze zu den USA, ist die tödlichste Stadt der Welt. Seit 2008 starben hier 5.500 Menschen im Kampf der Kartelle oder der Mafia gegen den Staat. An Wochenenden arbeitet Sosa immer, denn da fällt die meiste Arbeit an. Sie arbeitet bei der größten Tageszeitung am Ort – „El Diario de Ciudad Juárez“. Manchmal hat sie sieben, acht oder mehr Artikel am Tag zu schreiben, denn die vielen Opfer des Drogenkriegs müssen ja auch angemessen medial beerdigt werden. Besonders nahe ging ihr das Massaker an Jugendlichen und Kindern auf einer Geburtstagsfeier Ende Januar. Sie sah am Tatort noch die 16 Leichen der Kinder, die offensichtlich von den Killern der Kartelle irrtümlich hingerichtet wurden.

Manchmal fragt sich Lucy Sosa schon, warum sie nicht Architektin, Ingenieurin oder so was geworden ist. Das sind dann die Augenblicke, in denen sie sich wünscht, wenigstens als Reporterin wieder mal was anderes zu machen. Mal über ganz normale Leute schreiben. Dann sagt sie, Juárez sei nicht nur eine Stadt von Mördern, Mafias und Massakern. „Hier gibt es auch schöne Dinge, nette Menschen und Freude am Leben.“

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Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 12 bis 12 Autor/en: Klaus Ehringfeld. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.