Expertise als Trumpf

Jetzt bin ich doch Experte geworden, Google-Experte, um genau zu sein. Ich halte Vorträge, diskutiere auf Podien, gebe Interviews wie kürzlich der „Tagesschau“ und habe im April meine neue Webseite gestartet, den „Googlereport“.

Eigentlich hatte ich von Google die Nase voll. Ein halbes Jahr lang habe ich mich 2008 mit nichts anderem als mit Google beschäftigt. Zuerst habe ich ein paar Monate für mein Buch „Das Google-Imperium“ recherchiert. Ich bin im Nachtzug nach Zürich und mit dem Leihwagen nach Mountain View in die kalifornische Firmenzentrale gedüst. Dann habe ich das Buch geschrieben, den ganzen wunderbaren Sommer durch, während der Rest der Welt am Baggersee weilte.

Als das Buch im Herbst 2008 erschien, als viele Zeitungen es positiv besprachen und viele TV- und Radio-Sender mit dem „Google-Experten“ Lars Reppesgaard sprechen wollten, war ich überrascht, dass viele Kolleginnen und Kollegen mich als Fachmann betrachteten. Was denn von dem Chrome-Browser zu halten sei oder was man tun könnte, um im Netz anonym zu bleiben – auf all diese Fragen traute man ausgerechnet mir eine qualifizierte Antwort zu.

Eigentlich wäre das der richtige Zeitpunkt gewesen, parallel zum Buch eine Website zu starten und mich damit gezielt als Google-Experte zu vermarkten. Aber ich hatte nicht die Kapazitäten dafür und außerdem einfach genug von dem Thema Google.

Merkmal der Alleinstellung. Doch nun, 15 Monate nachdem das Buch erschienen ist, setze ich doch wieder voll darauf, als Google-Experte Geld zu verdienen – nicht nur, weil im Herbst die Neuauflage des Buches kommt. Auf meiner Website „Googlereport“ veröffentliche ich wochentäglich Texte zu Google – aktuelle Nachrichten, die ich aufgreife und einordne, oder Skurrilitäten aus dem Google-Universum, Tipps zur Internetsuche oder zum Datenschutz, aber auch Analysen zu Dauerbrenner-Themen und Texte, die das Ergebnis eigener Recherchen sind.

Die Website soll ein zusätzliches Standbein neben meiner Arbeit als freier Journalist werden. Denn ich habe gemerkt, dass man als Experte ein zusätzliches Einkommen generieren kann. Auch ohne Webseite, Blog oder aktive Akquise habe ich im vergangenen Jahr an vielen Veranstaltungen zum Thema Google teilgenommen: als lesender Autor, als Diskussionspartner auf Podien, als Vortragender. Gewerkschaften, Berufsverbände oder Wirtschaftsförderer wollten wissen, was Google tut, warum es das tut und welche Auswirkungen dies auf den Rest der Welt hat. Diese Termine haben nicht nur viel Spaß gemacht. Auch die Honorare, die für eine derartige Tätigkeit gezahlt werden, sind in Ordnung. 2009 habe ich sogar einen wesentlichen Teil meines Umsatzes mit solchen Terminen erzielt. Außerdem bekomme ich durch meine Expertise Angebote, Artikel zu schreiben, darunter auch für viele Medien, zu denen ich zuvor keinen Kontakt hatte.

Ich bin überzeugt, dass es sinnvoll ist, sich im Netz als freier Journalist spitzer als bisher aufzustellen – als Experte eben. Wie viele Freie habe ich mich auf einige Themen spezialisiert, merke aber, dass Technologie und Wirtschaft – meine eigentlichen Tätigkeitsbereiche – zu breit gestreut sind, um gezielt ein unverwechselbares Profil aufzubauen. Deswegen starte ich jetzt den „Googlereport“. Ich sehe mich als jemanden, der Schnittstellenwissen aus Bereichen wie Wirtschaft und Technologie sammeln und auf dieser Grundlage Computerlaien und ganz normalen Surfern erklären kann, was Google tut und was das für sie bedeutet. Diese Aufgabe erfüllt sonst niemand kontinuierlich in der Medienlandschaft.

Rechnet sich das? Ich glaube fest daran, dass Ruf und Aufmerksamkeit heute zwei wesentliche Bausteine sein können, um Geld zu verdienen, und dass ich im Endeffekt mehr Einladungen und Aufträge bekomme, wenn ich mich aktiv als Google-Experte vermarkte.

Zunächst aber investiere ich. Allein der Aufbau der Webseite kostet etwa 2.000 Euro (s.Kasten). Dafür versuche ich, die zusätzliche Arbeit in Grenzen zu halten. Ich sammele ohnehin wie eine Honigbiene Meldungen, Analysen, Marktzahlen und alles Weitere über Google. Bisher verschwindet alles auf meiner Festplatte, um für die Neuauflage des Buches oder für ein Update der Vorträge greifbar zu sein. Aus diesem Wissen Texte für die Website zu machen, ist da nur ein kleiner Schritt.

Ein vergleichsweise geringer Arbeitsaufwand ist auch die Voraussetzung, damit sich das Vorhaben Webseite am Ende rechnet. Meine Texte gibt es ja im „Googlereport“ kostenlos zu lesen. Ich will viele Leser und viel Aufmerksamkeit, ich möchte ja meinen Status als derjenige festigen, den man zu Google fragt. Mich hinter einem Pay-Wall zu verstecken, ist da kontraproduktiv. I

ch setze stattdessen darauf, Texte an Partnerseiten zu vermarkten und für Online-Werber attraktiv zu sein. In beiden Bereichen sind die Preise lausig, aber diese Einnahmen können zu einem kleinen Zusatzstandbein werden, ohne dass der Arbeitsaufwand unverhältnismäßig ist.Die Rückmeldungen zur Seite sind grundsätzlich gut. Die Zugriffszahlen steigen langsam und es gibt erste Anfragen, auf dem „Googlereport“ zu werben. Die Seite ist aber noch kein Ort, auf dem tatsächlich intensive Debatten geführt werden. Es ist aber auch klar, dass man im Netz nicht binnen einiger Wochen die Welt aus den Angeln hebt.

Umsatzrelevanter werden wohl weiterhin die Honorare sein, die aus Einladungen zu Vorträgen und Diskussionen resultieren. Auch wenn es in Deutschland weniger üblich ist, prominente „Keynote-Speaker“ für Veranstaltungen zu buchen, ist abzusehen, dass dieser Markt wächst. In Zukunft wird es also auch zu meiner Arbeit gehören, Entwürfe für Keynotes zu schreiben und an Tagungsveranstalter zu schicken.

Ich bin sicher: Das eine, große Erlösmodell, auf das ich mich früher verlassen habe, wird abgelöst durch viele kleine. Mein Status als Experte ist dafür die entscheidende Voraussetzung.

Medium:Online

Alle bisherigen Folgen der Serie „Freie Köpfe“, die wir zusammen mit „Freischreiber“ e.V. vorstellen, sind nachzulesen im freien Online-Archiv unter www.mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 44 bis 44 Autor/en: Lars Reppesgaard. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.