Hartes Echo

Die Reaktionen der Studenten.

Marika Anna Stucke

„Bevor ich an diesem Seminar teilnahm, habe ich mir nicht allzu viele Gedanken um die Wichtigkeit des Fact Checkings gemacht. Mir war bewusst, dass viele Artikel in der Tagespresse unter erhöhtem Arbeitsdruck entstehen und die Recherchequalität der Journalisten deshalb bisweilen leidet. Wie gravierend allerdings die einzelnen Fehler sein können, hätte ich mir zuvor nicht vorstellen können.“

Peter Eggenberger

„Fact-Checking ist ein hilfreiches Instrument. In der Praxis scheitert es leider häufig an der Bequemlichkeit und/oder Zeitnot der Journalisten. Ohne genügend ausgestattete Redaktionen (personell und finanziell) wird dies auch künftig so bleiben. Da die Glaubwürdigkeit eines Mediums entscheidend von einer möglichst großen Fehlerlosigkeit abhängt, wäre es wichtig, hier zu investieren, statt zu sparen … Für die Arbeit von studentischen Fact-Checkern ist besonders wichtig, bei Widerständen nicht aufzugeben, sondern hartnäckig zu bleiben und sich Alternativwege zu überlegen. Eine gewisse Dosis List und strategisches Denken schadet dabei nicht.“

Katharina Gipp

„Selbst die am wahrhaftigsten erscheinenden Artikel, bei denen Quellen möglicherweise direkt verlinkt sind, können sich bei genauerem Hinsehen als falsch entpuppen. Außerdem hätte ich mich im Nachhinein gern öfter getraut, den verantwortlichen Redakteur mit meinen falsifizierten Fakten zu konfrontieren, doch hatte ich bei meinem ersten und einzigen Anlauf den Eindruck, dass die Tätigkeit des Fact Checkings nicht nur als nicht notwendig, sondern vor allem auch als nicht erwünscht angesehen wird.“

Mareike Müller

„Nun kann man sich sicher streiten, wie schwerwiegend einzelne Fehler wirklich sind. Doch auch wenn die Relevanz des Themas nicht sehr hoch ist, darf nicht ungenau gearbeitet werden – egal bei welchem Artikel. … Themen werden aufgeblasen, damit sie sich besser verkaufen. Fakten verfälscht und in einen falschen Kontext gestellt, um die Geschichte emotionaler, dramatischer und damit publikumswirksamer zu machen. … Die PR ist auf dem Weg zur fünften Gewalt, indem sie zu einer wesentlichen Quelle des Journalismus wird. Viel kostengünstiger ist es für den Verlag, den Abdruck von PR-Mitteilungen anstatt einer Recherche zu finanzieren von der nicht einmal klar ist, ob sie überhaupt an das gewünschte Ziel führen wird.“

Matthias Nedoklan

„Bei den meisten Fehlern handelt es sich eher um ärgerliche Flüchtigkeitsfehler, die auf mangelnde Recherche oder absichtliche Ungenauigkeit zurückzuführen sind. Ein genaueres, möglicherweise institutionell unabhängiges Fact-Checking wie im anglo-amerikanischen Journalismus würde hier eine wesentliche Verbesserung bringen. Leider ist aufgrund der Sparzwänge, besonders im Printjournalismus, eine Einführung dieses Systems aufgrund der zusätzlichen Personalkosten unwahrscheinlich.“

Dennis Sand

„Ein manifestes Resultat ist nicht zuletzt das neu gewonnene Instrumentarium an Zugangswegen für die Überprüfung von Fakten. In erster Linie ist es die Sensibilisierung des Journalisten für Fehler und potenzielle Fehlerquellen, die nur in solch intensiver Projektarbeit ermöglicht werden kann.“

Alina Stiegler

„Zukünftige Fact-Checker sollten sich nicht ausnahmslos auf Artikel zu stürzen, die viele Zahlen beinhalten, sondern mehr den Kontext überprüfen, in den die Themen eingebettet sind. Häufig werden hier falsche Annahmen suggeriert. … Ich würde mir wünschen, dass Fact-Checking zu einer Selbstverständlichkeit in Redaktionen wird, so dass auch Flüchtigkeitsfehler vermieden werden können.“

Felix Meschede

„Durch die Recherche, ob im Internet oder im persönlichen Gespräch mit Redakteuren oder Experten, habe ich nicht nur journalistisches Handwerk erlernen können, sondern auch sehr viel über das journalistische Handwerk der Profis. Davon werde ich in meinem späteren Beruf als Journalist in jedem Fall profitieren.“

Nuria Wrobel

„Meine anfänglichen Zweifel am tieferen Sinn des Seminars verflogen bereits am ersten Tag, so viele Unstimmigkeiten taten sich während unserer Recherche auf.“

Die Reaktionen der Redaktionen.

„Bild“ Berlin:

„Wir wissen, dass goldene Füller bestellt wurden und auch wer die entsprechenden Abgeordneten sind, aber unsere Quellen verraten wir nicht.“ Es handele sich um ein „Redaktionsgeheimnis“.

focus.de:

„Morphium fördert Tumorwachstum“, titelte das Gesundheitsressort, obwohl eine US-Studie nur erste Anzeichen auf einen Zusammenhang gefunden hatte. „Ich sehe da keinen Widerspruch“, hieß es vonseiten der Redaktion zu der offensichtlichen Diskrepanz zwischen Tatsachenbehauptung und Verdachtslage.

Associated Press:

„Wieder diese Studenten!“, lautete der genervte Kommentar schon beim zweiten Anruf der Hamburger Fact-Checker bei der Frankfurter Zentrale der AP. Die Nachrichtenagentur hatte eine aufgewärmte Pressemitteilung als aktuelle Meldung verbreitet, die ein halbes Jahr zuvor bereits bei der dpa über den Ticker gelaufen war.

„Berliner Morgenpost“:

Eine Meldung über Mobbing an Berlins Schulen wurde als gekürzte, aber ansonsten wortwörtlich wiedergegebene Pressemitteilung eines Wirtschaftsforschungsinstituts identifiziert. Die Redaktion ruderte zurück: Ein solches „Copy and Paste“-Prinzip werde „nur selten“ angewendet.

„Lübecker Nachrichten“:

Telefonisch konfrontiert mit einer peinlichen Verwechslung des Streiktages in einem Bericht über den Arbeitskampf bei den Lübecker Stadtwerken wiegelt der Redakteur gelangweilt ab.

„Tagesanzeiger“ (Schweiz):

In der Berichterstattung um Vergewaltigungsvorwürfe gegen den Milliardärssohn Carl Hirschmann fanden die Studenten mehrere Fehler. Bei der Bitte um Stellungnahme hagelte es unfreundliche Gegenfragen: Ob man der Redaktion ein ungenaues Vorgehen vorwerfen wolle? Fazit: Keine Stellungnahme, für so etwas seien weder Zeit noch Nerven vorhanden.

Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Special“ auf Seite 54 bis 54 Autor/en: Umfrage: Leif Kramp und Theo Dersjant. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.