Medienköpfe & Karrieren

Aufsteiger

Wie lange Florian Gless, 42, seinen neuen Nebenjob als „Sternchenmacher“ behalten wird, weiß er nicht. Das ist das Berufsrisiko als Redaktionsleiter eines „Oneshots“ zum Markttest. Gless, Absolvent der Henri-Nannen-Schule und eigentlich als Ressortchef „Deutschland und Gesellschaft“ beim „stern“ voll ausgelastet, hat das Kindermagazin „yuno“ mitentwickelt: Im Juni erscheint das erste Heft, 100 Seiten – ein Testballon. Gruner+Jahr wildert damit im Revier des Konkurrenten „Dein Spiegel“. Den Vergleich scheut Gless nicht: „Der Kinder-‚Spiegel‘ ist kein direkter Mitbewerber; ‚yuno‘ richtet sich an eine ältere Zielgruppe, so etwa ab der fünften Klasse“, sagt er. Die jungen Leser will er mit üppigen Bildern überzeugen und einer Sprache, die sich nicht anbiedert: „Vermeintlichen Jugendslang zu kopieren, das wäre peinlich“, sagt er. Ausdrücke wie „abgefahr‘n!“ oder „hey, whow!“ kommen im Heft nicht vor. Zum Inhalt will er noch nichts verraten. Das Konzept ausgearbeitet hatten Gless und sein Team für den G+J-internen Ideen-Wettbewerb „Grüne Wiese“, aufs Siegertreppchen schafften sie es jedoch nicht. „Wir hatten aber sehr gutes Feedback und haben weitergebastelt“, sagt Gless. Mit den Kollegen von „Geolino“, dem seit Jahren erfolgreichen Kind aus der „Geo“-Familie im selben Verlag, habe er sich nicht beraten. „Wir sind weder Wissens- noch Nachrichtenmagazin“, sagt Gless: „Wir sind eine richtige Illustrierte – nur für jüngere Leser.“

Auf keinen Fall habe er seine Entscheidung aus Frust getroffen, sagt Hartmut Augustin (46), ehemaliger Ressortleiter Berlin/Brandenburg bei der „Berliner Zeitung“ und ab Juni Chefredakteur der ebenfalls bei DuMont erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“ (MZ): „Ich verlasse die ‚Berliner Zeitung‘ nicht, weil ich keine Lust mehr auf sie hatte.“ 19 Jahre war er dort und erlebte diverse Umbrüche – vom Neuanfang in den 90er Jahren über die „Heuschrecken“-Jahre bis hin zur Übernahme durch DuMont Schauberg. Mit der aktuellen Entwicklung – bei der Berliner Zeitung rumort es wegen der neuen Redaktionsgemeinschaft mit der „Frankfurter Rundschau“ – habe seine Entscheidung nichts zu tun. „Mich lockte einfach die Möglichkeit, nach so langer Zeit etwas anderes auszuprobieren.“ In Halle wartet eine schwierige Aufgabe: Die „Mitteldeutsche Zeitung“ verliert stetig Leser (IVW 1/2010: 219.662, -3.95% zu 1/09). „Immer mehr Bewohner aus unserem Verbreitungsgebiet ziehen weg, weil sie keine Arbeit und Perspektive haben“, sagt Augustin. Dem Leserschwund will er mit gutem Lokaljournalismus begegnen, weg von Pressekonferenz-Berichterstattung: „Wir dürfen im Lokaljournalismus keine Termine erzählen, sondern Geschichten. Wir müssen Schwerpunkte setzen und als Berater unserer Leser auftreten – ohne uns dabei anzubiedern.“ Wie das konkret aussehen soll, verrät Augustin noch nicht. Im Gegensatz zur harten Zeitungskonkurrenz in Berlin ist die „MZ“ in ihrer Region neben der „Bild“ die einzige Tageszeitung. „Dort sind wir der Platzhirsch und darauf freue ich mich, denn es bietet für mich ganz andere journalistische Möglichkeiten als bei der „Berliner Zeitung“, sagt Augustin. Er selbst wird nun auch formal die Nummer 1: Aus dem bisherigen Chef-Duo wird Hans-Jürgen Greye nun zweiter Chefredakteur, Jörg Biallas scheidet aus der Chefredaktion aus.

Umsteiger

„Einen der besten und kreativsten Journalisten“, nennt Wolfgang Reuter (44) seinen neuen Chef, den er noch ziemlich gut kennt: Von Gabor Steingart (gerade noch 47, *14. Juni) wurde Reuter vor zwölf Jahren zum „Spiegel“ geholt und lieferte immer wieder Enthüllungsgeschichten aus der Wirtschaft – Goldman Sachs, Bahn, Deutsche Bank. Jetzt folgt Reuter seinem alten Chef zum „Handelsblatt“, dort soll er als Leiter dem Unternehmensressort „neuen Schwung verleihen“, so Steingart. Reuter setzt auf exklusive Nachrichten, will das „Ringen um die richtigen Entscheidungen“ in Firmen nachzeichnen. Der Wechsel-Zeitpunkt ist allerdings noch unklar. Die Verpflichtung Reuters ist der prominenteste Posten auf Steingarts umfangreichem Personalplan bei der Wirtschaftszeitung, die er seit April leitet. Im Sommer soll noch Roman Pletter, früher bei „Brand Eins“, das Ressort „Report“ übernehmen und Serien betreuen wie „Deutschland, Deine Dynastien“ – Geschichten über die großen Familienkonzerne des Landes. Den Newsroom, der bisher den Ressortleitern unterstand, hat Steingart aufgewertet und zu einem eigenen Ressort gemacht, das direkt unterhalb der Chefredaktion angesiedelt ist. Gewirbelt hat Steingart auch intern: Nicole Bastian, bisher Meinungsredakteurin, kümmert sich um Finanzthemen im Newsroom, wofür vorher Grischa Brower zuständig war. Der wiederum wird Vize-Chef des Newsrooms. Künftig wird Steingart zusammen mit seinem Stellvertreter Peter Brors, den er zum „Managing Editor“ ernannte, in der Hauptproduktionszeit ab 16 Uhr einen Glaskasten im Newsroom beziehen, das „Cockpit der Zeitung“, nennt es Steingart. Bei einigen Redakteuren ist zwar ein deutliches Murren zu hören, wenn man sie auf die Umbaumaßnahmen ihres Chefs anspricht. Doch Steingart will alles tun, um sein Ziel zu erreichen: „die Zeitung schneller zu machen und stärker an der Nachrichtenfront.“

Über 20.000 Frauen haben sich bereits in der „Brigitte“-Datenbank registriert, um bei einem der Foto-Shootings ohne Models teilzunehmen. Seit Januar verzichtet die Frauenzeitschrift auf dürre Profis und produziert ihre Modestrecken mit „normalen“ Frauen: „Wir haben kein Problem, Frauen zu finden, und werden bei dem Modell bleiben“, sagt Susanne Gundlach (49), die künftige Fashion-Direktorin für Print und Online bei „Brigitte“, die mit ihrer neuen Doppelaufgabe auch für eine weitere Verzahnung von Print und Online steht. Doch mollige Menschen haben auch in „Brigitte“ ohne Models kaum Platz – die Maß-Regel ist maximal Größe 38. „Wir müssen uns leider nach den Modeherstellern richten und von denen bekommen wir selten Größen über 36“, sagt Gundlach. So wird „Brigitte“ auch in Zukunft ihren Leserinnen Diäten empfehlen – und dabei mit Lebensmittelherstellern wie Frosta kooperieren können. Bei Kooperationen will die „Brigitte“-Redaktion laut Gundlach jedoch nicht so weit gehen wie das Konkurrenzblatt „freundin“ derzeit. Burdas „freundin“ kooperiert mit dem Diätmittelhersteller alli®, einem rezeptfreien Medikament, das die Fettaufnahme verringern soll, aber Berichten zufolge teilweise begleitet wird von Nebenwirkungen wie Durchfall. Leserinnen der „freundin“ schlucken gemeinsam die Pille – anzeigenwirksam umgeben von redaktionellen Berichten. Gundlach sagt dazu: „Bei der Brigitte könnten wir auch jeden Tag Kooperationen eingehen, aber wir wägen sehr genau ab, auf was wir uns einlassen“, denn laut Redaktions-Kodex sollten Kooperationen „klein“ gehalten werden. „Außerdem hätte unser Gesundheitsressort bestimmt massive Einwände gegen so eine Zusammenarbeit.“ Wohl nicht nur das.

Lob & Preis

Am 8. September ist es so weit: dann werden in Bremen die diesjährigen Theodor-Wolff-Preisträger auch offiziell geehrt. In der Kategorie Lokales sind das: Detlef Schmalenberg für seinen Artikel „Das Milliarden-Puzzle“ („Kölner Stadt-Anzeiger“) und Frank Buchmeier für seinen Beitrag „Eines Morgens an der Sonnenuhrhütte“ („Stuttgarter Zeitung“). Arne Perras („Süddeutsche Zeitung“), „Die Räuber“, eine Reportage über somalische Piraten, sowie Sabine Rennefanz („Berl
iner Zeitung“), „Die grüne Festung“, eine Reportage über eine Hausgemeinschaft in Berlin, sind die Sieger in der Kategorie Allgemeines.

Der Preis in der Kategorie Kommentar/Glosse/Essay geht an Jana Hensel für ihren Beitrag „Vater Morgana“ („Die Zeit“) – zum Thema Elternteilzeit und Rollenveränderungen.

Mit der Auszeichnung für sein Lebenswerk wird Joachim Kaiser („Süddeutsche Zeitung“, München) geehrt – als „herausragender Kultur- und insbesondere Musikkritiker, der immer für den Rang der Kultur in der Gesellschaft eingetreten“ sei.

Anders als in den Vorjahren gab es diesmal erfreuliche Töne bei der Preisbekanntgabe: Der Sprecher der Jury, der Publizist und langjährige dpa-Chefredakteur Wilm Herlyn (Essen), lobte die hohe Qualität der eingereichten Artikel. „Beeindruckend“ seien in diesem Jahr insbesondere die „Vielfalt und der journalistische Anspruch der Wettbewerbsbeiträge aus den Lokalredaktionen.“

Petra Reski ist die Gewinnerin des 11. Journalistinnen-Preises, der alle zwei Jahre vergeben wird. Sie erhielt die Auszeichnung (und 3.000 Euro) am 17. Mai für ihre Beiträge über die Mafia in der „Zeit“ (2009/2010). Die weiteren Preisträgerinnen sind: Ulrike Posche, 2. Platz für „Die Bienenkönigin“ (Kanzlerin Merkel) im „stern“ 39/2009, sowie Beate Lakotta für „Der Ludwig lacht“ (Spätabtreibungen) im „Spiegel“ 26/2009 und Gabriele Riedle, „Alles wieder auf Anfang“ (Liberia) in „Geo“ 12/ 2009 – je ein dritter Preis.

Aber auch Männer kommen bei dem Preis, der von „Emma“ initiiert wurde und seit 1992 vom Land NRW gefördert wird, nicht zu kurz. Drei Preise (und je 333 Euro) gingen an Wolfgang Bauer, „Die Hurenkinder“ in „Focus“ 53/2009, Mathias Mesenhöller, „Die Macht der Frauen“ in „Geo“ 9/2009 und an Tanjev Schultz, „Zeugnistage“ in der „Süddeutschen Zeitung“ (12.3.2010).

Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 78 bis 78. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.