Unter Verschluss

Die Zeitungsverleger beklagen, dass täglich auf etwa 20 Millionen gewerblich genutzten PCs die Internetseiten deutscher Zeitungen aufgerufen werden, ohne dass dafür bezahlt wird. Das soll sich jetzt ändern: mit einem verlegerischen Leistungsschutzrecht.

Im Unterschied zum Urheberrecht schützt ein Leistungsschutzrecht nicht die Autoren und ihre Werke, sondern die wirtschaftlichen Investitionen der Werkmittler. Es soll die Verleger in die Lage versetzen, sich eine neue Einnahmequelle zu erschließen, nämlich in Form einer Geräteabgabe auf gewerblich genutzte PCs. Diese könnte von einer Verwertungsgesellschaft eingezogen und an Verleger und Journalisten ausgeschüttet werden.

Christoph Keese, der sich selbst scherzhaft als „Außenminister“ des Axel-Springer-Verlags bezeichnet, ist in den vergangenen Monaten von Podium zu Podium gereist, um für ein solches Gesetz Stimmung zu machen. Wie aber soll es konkret aussehen? Wer soll wofür zahlen? Und wie sollen die Rechte der Journalisten an ihren Texten von denen der Verleger abgegrenzt werden?

Darauf gab es lange keine konkreten Antworten. Die juristische Ausgestaltung sei Sache des Bundesjustizministeriums. Man sei schließlich nicht der Gesetzgeber. Und es gebe zwar Sondierungsgespräche mit den Journalistengewerkschaften, aber keinen konkreten Gesetzentwurf. So Christoph Keese zuletzt am 5. Mai bei einer Podiumsdiskussion in Leipzig.

Zwei Tage später gelangte der geheim gehaltene Entwurf an die Öffentlichkeit. Er war dem Urheberrechts-Informationsportal iRights.info zugespielt worden. Er stammte nicht aus dem Justizministerium, sondern aus den Büros der Lobbyisten. Und die unter Federführung des Urheberrechtsspezialisten Till Kreutzer erstellte Analyse bestätigte die schlimmsten Befürchtungen.

Die Abgrenzung des Leistungsschutzrechts zum Urheberrecht der Autoren sei problematisch. Das geplante „Ausschließlichkeitsrecht“ würde den Verlegern ganz neue Kontrollmöglichkeiten im Hinblick auf die Verwendung journalistischer Texte verschaffen. Dienste wie Google News oder Rivva müssten eingestellt werden, bis sie mit der neuen Verwertungsgesellschaft einen Vertrag ausgehandelt hätten. Kleinste Textteile würden genehmigungspflichtig, wodurch ein „Monopol auf einzelne Wörter und Sätze“ zu entstehen drohe. Schon die bloße Büro-Lektüre von Online-Texten werde zu einer gebührenpflichtigen Nutzung. Alles in allem, so Kreutzers Fazit, würden die geplanten Regelungen „die Berichterstattung und Informationsvermittlung sowie -beschaffung in einer Weise beeinträchtigen, die bislang nur in Ansätzen absehbar ist“.

Die Reaktion der Verleger ließ nicht lange auf sich warten. Der Entwurf sei schon über einen Monat alt und außerdem kein Entwurf, sondern „ein internes Diskussionspapier“, mit dessen Veröffentlichung iRights gegen das Urheberrecht verstoßen habe, erklärte Dietmar Wolff, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Und der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) sah sich mit dem Vorwurf konfrontiert, er habe hinter verschlossenen Türen mit den Verlegern gemeinsame Sache gemacht.

Weder DJV-Justiziar Benno Pöppelmann noch Springer-Vertreter Christoph Keese wollten sich „medium magazin“ gegenüber detailliert zu der bei iRights.info veröffentlichten Kritik an dem Gesetzentwurf äußern. Keese beschränkt sich auf den Hinweis, Kreutzer habe „in seinem Kommentar die überwiegende Mehrheit der Aspekte ungenau oder missverständlich dargestellt bzw. sie falsch interpretiert“. Der „Arbeitskreis Leistungsschutzrecht“ der Verlegerseite werde sich aber eventuell noch mit einer Erwiderung zu Wort melden. Pöppelmann lehnt es generell ab, zu einzelnen Formulierungen des Papiers Stellung zu nehmen.

Und wie geht‘s weiter? Man werde einen „offiziellen Vorschlag“ für eine gesetzliche Regelung „gemeinsam präsentieren, sobald eine Einigung gefunden ist“, so Keese. Seine Mails in dieser Sache gehen stets auch in Kopie an Benno Pöppelmann (DJV) und Wolfgang Schimmel (ver.di). Das Bundesjustizministerium schweigt. Das letzte Wort hat der Rechtsausschuss im Bundestag.

Linktipp

Das Positionspaper von DJV und ver.di im Internet: http://bit.ly/cd6jwS Die Analyse bei iRights. info: http://www.irights.info/index.php?id=880

Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 30 bis 30. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.