Vier Fall-Fragen zu möglichen Folgen des Leistungsschutzes

Die Antworten von Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs bei Axel Springer und Verhandlungsführer auf Verlegerseite zu:

01. Der Journalist x schreibt im Auftrag von Magazin y eine Reportage. Sie erscheint in der gedruckten Ausgabe und auf den Internetseiten des Magazins. Das Magazin Z möchte den Beitrag ebenfalls veröffentlichen. Angenommen, der Journalist hat seine Rechte bislang nicht exklusiv abgetreten: Darf er den Text ein zweites Mal verkaufen oder benötigt das Magazin Z für den Abdruck auch die Genehmigung von Magazin Y?

Christoph Keese: Klare Antwort: Der Journalist darf seinen Text im geschilderten Fall problemlos und ohne jede Einschränkung ein zweites Mal verkaufen. Das Magazin Z benötigt zum Abdruck keine Genehmigung von Magazin Y. Im offiziellen Vorschlag zum Leistungsschutzrecht wird ausdrücklich festgeschrieben werden, dass das Leistungsschutzrecht in keiner Weise in Rechte der Autoren eingreift.

02. Ich bin freiberuflicher Journalist und arbeite in einem Redaktionsbüro. Dort steht mir ein Computer für meine Arbeit zur Verfügung. Ich lese Zeitungsartikel aus beruflichen Gründen am Bildschirm. Muss ich Abgaben zahlen? Muss das Redaktionsbüro welche zahlen? Und falls nein: Sieht es anders aus, wenn ich die Artikel nicht nur lesen, sondern auch zu beruflichen Zwecken ausdrucken möchte?

Christoph Keese: Da viele Journalisten Verlagsseiten im Internet zur Recherche und damit auch zu Erwerbszwecken nutzen, würden sie theoretisch unter den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. Allerdings ist es die erklärte Absicht von Verlegern und Gewerkschaften, Journalistinnen und Journalisten vor Nachteilen durch das Leistungsschutzrecht zu bewahren. Deswegen verhandeln Verleger und Gewerkschaften derzeit über Lösungen, die dies rechtsverbindlich sicherstellen. Diese Lösungen sollen Bestandteil eines gemeinsamen Vorschlags zum Leistungsschutzrecht sein.

03. Ein Artikel erscheint auf der Internetseite einer Tageszeitung. Ich bin Blogger und möchte einen Teil daraus zitieren. Darf ich oder muss ich fragen?

Falls ich fragen muss, dann wen: den Verlag, den Autor oder beide?

Christoph Keese: Das Leistungsschutzrecht ist begrenzt durch die sogenannten Schranken des Urheberrechts. Dazu gehört auch das Zitatrecht. Das bedeutet, dass ungehindert aus Beiträgen zitiert werden darf, die durch das Leistungsschutzrecht geschützt sind, gleich durch wen – von Bloggern und Journalisten ebenso wie von jedem anderen. Was ein Zitat ist und was nicht, ist durch Gesetz und Rechtsprechung geregelt. Für das Leistungsschutzrecht finden hierzu keinerlei Änderungen statt.

04. Ein Artikel erscheint auf der Internetseite einer Tageszeitung. Ich bin freier Journalist und möchte von meiner beruflichen Homepage aus darauf verlinken. Muss ich dafür zahlen? Falls nein: Und wenn ich kein Journalist bin?

Christoph Keese: Ebenfalls klare Antwort: Jeder darf völlig kosten-frei und ohne Beeinträchtigung jeden beliebigen Link setzen, egal ob er dies privat oder gewerblich tut und ob er Journalist ist oder nicht. Das Leistungsschutzrecht berührt Links im Internet auf keinerlei Weise.

Benno Pöppelmann, Justiziar des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) zu den vier Beispiel-Fragen und den Antworten von Christoph Keese:

Benno Pöppelmann: In all diesen Punkten kann ich Herrn Keese zustimmen. Allerdings streben nicht wir die Einführung eines verlegerischen Leistungs-schutzrechts an, sondern diese Marschrichtung ist im Koalitionsvertrag festgelegt. Wir haben darauf reagiert und wollen, dass bei der Umsetzung eines solchen Rechts die Interessen der Urheber unangetastet bleiben. Das bedeutet auch, dass sie an eventuellen Erlösen zu beteiligen sind. An dieser Position, die wir seit Ende 2009 auch in Gesprächen gegenüber der Verlegerseite vertreten haben, hat sich nichts geändert.

Mit der Schaffung eines Ausschließlichkeitsrechts, das Nutzungen der Presseerzeugnisse grundsätzlich genehmigungspflichtig machen würde, sind wir einverstanden, weil dieses Recht sich lediglich auf die verlegerische Leistung, nicht aber auf die Urheberrechte der Autoren beziehen würde. Freilich müssen die Rechte von Verlegern und Autoren sauber voneinander abgegrenzt werden, damit Autoren in ihrer Freiheit bei der Verwertung von Texten nicht beeinträchtigt werden. Über eine entsprechende Formulierung sind wir derzeit mit den Verlegern im Gespräch. Wir sind meines Erachtens einer Lösung des Problems nahe.

Zu Recht weist Herr Keese darauf hin, dass es die erklärte Absicht von Verlegern und Gewerkschaften ist, Journalistinnen und Journalisten vor Nachteilen durch das Leistungsschutzrecht zu bewahren. Die konkrete Lösung im Hinblick auf die Höhe einer Beteiligung und die Frage, wie eine Belastung insbesondere der Freien vermieden werden kann, steht aber noch aus. Hier werden verschiedene Modelle diskutiert. Wesentlich ist, dass grundsätzlich Einigkeit in den Gesprächen zum Ausdruck kommt und Lösungen machbar sind. Feststeht, dass die Schrankenregelungen des Urheberrechts auch für das Leistungsschutzrecht gelten sollen. Das heißt: Das Zitatrecht bleibt unangetastet. Eine Zeitungsschlagzeile wäre in Zukunft zwar vom Leistungsschutzrecht erfasst, dürfte aber durchaus zitiert werden. Nur wenn der Zitatzweck nicht erfüllt ist, greift die Genehmigungspflicht.

Genehmigungs- und abgabepflichtig wäre also lediglich die unmotivierte Übernahme von Textteilen.

Erschienen in Ausgabe 06/2010 in der Rubrik „Beruf“ auf Seite 30 bis 31. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.