Besser kalkulieren

Kündigungen, eine sich verändernde Familiensituation und weniger Flexibilität, mickrige Honorare im Journalismus – es gibt viele Gründe, warum Journalisten als Freie im PR-Bereich ihr Geld verdienen. Nicht nur beim Berufseinstieg, auch im Laufe der Selbstständigkeit stellt sich dabei immer wieder die Frage nach angemessenen Honoraren, denn unseriöse Angebote gibt es zuhauf, wie die „medium magazin“-Umfrage unter PR-Journalisten zeigt (s. S. 56/57): 1 Cent pro Wort für suchmaschinenoptimierte Texte von SEO-Agenturen zum Beispiel oder 8 Euro pro Stunde für Recherchearbeiten von einem Verlag aus Süddeutschland, 10 Euro für einen 2.000 Zeichen langen Artikel inklusive Recherche und Themenfindung von einem Portal für Väter oder 3,75 Euro für einen Text mit 350 Wörtern für ein Webportal sind keine Seltenheit. Und auch bei Auftragsgesprächen müssen sich PR-Journalisten mitunter einiges anhören, wie Biggi Mestmäcker bestätigt: „Einmal habe ich von einem Kunden – einem Restaurant – zu hören bekommen: Also Ihr Stundensatz von 75 Euro geht ja gar nicht! Unser Chefkoch bekommt ja nur 35 die Stunde. Woraufhin ich geantwortet habe: Fein, vielleicht kann er ja Ihre Texte schreiben?“ Wenn PR-Berater Dominik Ruisinger seltsame Honorarvorstellungen potenzieller Kunden hört, rät er gerne, sich an junge Absolventen von Journalistenschulen zu wenden. Mit jener Qualität, die er nach 15 Berufsjahren liefert, findet er, haben solche Angebote nichts zu tun.

Ebenso wenig wie mit den Honorarvorgaben der einschlägigen Verbände (siehe Tabelle): Die Deutsche Public Relations Gesellschaft (DPRG), der Berufsverband für PR- und Kommunika-tionsfachleute, hat etwa im „Honorar- und Trendbarometer 2010“ aktuelle Honorar- und Gehaltserhebungen für die Branche veröffentlicht, darunter auch Vergütungen von freien Mitarbeitern von Agenturen, die zwischen 61 und 80 Euro die Stunde liegen. Die Gesellschaft Public Relations Agenturen (GPRA), der Wirtschaftsverband großer PR-Agenturen, publiziert auf seiner Homepage Stundensätze für PR-/Kommunikationsberatung durch seine Mitglieder gestaffelt nach verschiedenen Positionen von bis zu 320 Euro. Dass sich diese Agenturhonorare auf dem freien Markt nur selten erzielen lassen, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Geht man allerdings vom Regelfall aus, wonach Agenturen 50 Prozent ihrer Honorare an die Freien weitergeben, hat man schon eine Hausnummer.

Und auch der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) würdigt den Umstand, dass sich immer mehr freie Journalisten auch im PR-Bereich umtun, mit PR-Honorarangaben in seinem DJV-Wissen Band 2. Von Stundensätzen zwischen 65 und 215 Euro ist da die Rede. Orientierung in Honorarfragen bietet zudem der Fachverband Freier Werbetexter (FFW). Im „Marktmonitor“ finden sich für die Disziplinen Integrierte Kommunikation, Werbung, Verkaufsförderung und Public Relations branchenübliche Honorare für mehr als 100 typische Dienstleistungen.

Was wird Freien nun aber tatsächlich gezahlt? Sind die von den Verbänden publizierten Honorare überhaupt realistisch? Dominik Ruisinger, der neben seiner Tätigkeit als PR-Berater auch in der PR-Aus- und Weiterbildung tätig ist und den Markt gut kennt, sagt: „Der größte Teil arbeitet für weniger als 250 Euro am Tag und damit fast zum Selbstkostenpreis.“ Die Motivlage sei dabei immer ähnlich: „Für den Großteil der Freien sind niedrige Honorare die einzige Möglichkeit, überhaupt an Aufträge zu kommen. Der Markt ist gesättigt, nicht zuletzt, weil die Ausbildungsinstitute mehr Absolventen hervorbringen als gebraucht werden und auch immer mehr Journalisten PR machen“, sagt Ruisinger. Ein Erfolgsrezept kann sein, kontinuierlich mit Agenturen zusammenzuarbeiten oder in regionalen Kooperationen wie Journalisten- oder Textbüros: „Wer als freier Journalist oder PR-Fachmann heute nicht in Netzwerken arbeitet, wird es auf Dauer schwer haben. Die Themen werden immer vielschichtiger, sodass man auf Hinweise zum richtigen Angang angewiesen ist. Natürlich lassen sich so auch größere Aufträge bewältigen und höhere Preise durchsetzen.“

„Freie Berater wissen vor allem in der Gründungsphase oft nicht, zu welchen Honoraren sie ihre Dienstleistungen anbieten sollen“, bestätigt auch DPRG-Geschäftsführer Michael Kalthoff-Mahnke. Mit dem DPRG-Honorarspiegel und der verbandseigenen Existenzgründerberatung sei man jedoch auf der sicheren Seite. „Viele Einsteiger verschenken aus Unwissen Geld“, sagt auch Cordula Nussbaum, die als Trainerin und Coach unter anderem freien PR-Fachleuten zur Verfügung steht. Da ihr die am Markt verfügbaren Honorarkalkulatoren für die Bedürfnisse von Freiberuflern und Kleinunternehmern ungeeignet erschienen, hat sie einen eigenen Honorarkalkulator entwickelt und für jedermann zugänglich auf ihre Website gestellt. „Andere Programme listen lediglich die Kosten der Selbstständigkeit auf und ermitteln, was man mindestens verdienen muss. Viele gehen dabei von einer 40-Stunden-Woche aus und kalkulieren keinen Urlaub ein“, sagt Nussbaum. „Das halte ich für wenig motivierend. Schöner ist es doch zu wissen, dass man sich mit einem errechneten Stundensatz von sagen wir 54 Euro bei einer überschaubaren Arbeitszeit und Zeit für Urlaub alle Wünsche erfüllen kann.“

Bleibt der Blick auf die Marktsituation Freier im PR-Bereich. „Wenn die Auftragslage bleibt wie in den letzten Monaten, wird die Nachfrage von Agenturen nach Freien im Text-, Grafik- oder Programmierbereich weiter steigen“, sagt Dominik Ruisinger, und die Ergebnisse des jüngsten PR-Trendmonitors von „News aktuell“ und Faktenkontor scheinen ihm recht zu geben: 2011 werde ein gutes Jahr für die PR-Branche, heißt es da. „Jeder vierte Mitarbeiter einer Pressestelle erwartet Budget-Steigerungen von bis zu 10 Prozent oder mehr. Auch Agenturmitarbeiter fiebern guten Zeiten entgegen: Weit mehr als jeder Dritte rechnet ebenfalls mit einem vergleichbaren Honorar-Zuwachs von bis zu 10 Prozent oder mehr.“ Wenn sich diese Prognosen bewahrheiten, könnte 2011 also auch für die Freien ein gutes Jahr werden. Vorausgesetzt natürlich, sie verhandeln ihre Honorare richtig.

Tipps

Download:

DJV-Wissen 2/2010: http://tiny.cc/mo030

Linktipp:

Honorar-Kalkulator von Cordula Nussbaum: http://tiny.cc/my2is

Lesetipp:

Dorle Weyers Broschüre „Kopfarbeit kalkulieren und verkaufen – Von Honorarjobs zu professioneller Selbstständigkeit“ für 5 Euro bei Amazon: http://tiny.cc/vijv8

Medium:Online

Ein Interview mit Cordula Nussbaum, in dem sie etwa erklärt, wie man dem Teufelskreis „Einmal Dumping-Preis-Lieferant, immer Dumping-Preis-Lieferant“ entkommt, finden Sie online unter www.mediummagazin.de, für Abonnenten exklusiv bis 30. Januar, Passwort: PREIS

Erschienen in Ausgabe 01+02/2011 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 54 bis 55 Autor/en: Katy Walther. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.