Stimmt’s, …?

01. … dass die taz-Auslandschefin aus Frust hingeschmissen hat?

Mit Beginn des neuen Jahres hat die taz eine neue Leitung des Auslandsressorts bekommen. Taz-Urgestein Beate Seel, seit fast 20 Jahren auf diesem Posten, gibt die Ressortleitung ab. Ihr folgen gleichberechtigt Barbara Oertel, zuletzt Seels Stellvertreterin, sowie Dominic Johnson, der sich in den vergangenen Jahren vor allem um Themen aus und über Afrika gekümmert hat. Kurz und knapp hat taz-Chefredakteurin Ines Pohl diese Neuigkeit vor ein paar Wochen der Redaktion via Intranet mitgeteilt – zu kurz und zu knapp, raunen manche und geben zu bedenken, dass es Beate Seel zu verdanken sei, dass die Auslandsberichterstattung der taz ein so hohes Ansehen hat. Aber keine Sorge, wiegelt Seel ab, eine Abschiedsparty folge. Drei Chefredakteurs-Generationen habe sie als Ressortchefin erlebt und schon lange auf einen Wechsel gedrängt. Das werde der Zeitung guttun – und ihr nicht minder. Mit 58 Jahren, findet die Iran-Expertin, sei es an der Zeit, wieder mehr zu reisen und zu schreiben. Anlass für den Wechsel zum jetzigen Zeitpunkt sei aber in der Tat das neue, von Pohl favorisierte, einheitliche Honorarsystem für die taz-Auslandskorrespondenten gewesen.

Zur Erinnerung: Nach dem Motto „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ hatte die taz-Chefredaktion gut einem Dutzend Korrespondenten, die für das Blatt auf Basis einer monatlich gezahlten und zum Teil individuell ausgehandelten Pauschale gearbeitet haben, die Verträge gekündigt. Seither erhalten alle eine Pauschale auf Basis von 500 Zeilen à 1,50 Euro und für jede darüber hinausgehende Zeile 89 Cent. Für manche, die die taz mit ihrem Namen schon lange prägen und in privilegierter Position waren, bedeutet diese neue Regelung eine spürbare Honorarkürzung. Entsprechend hagelte es im September vergangenen Jahres rund um die Gesellschafterversammlung Proteste – vergebliche jedoch. Auch Seel hatte sich gegen das neue, dem Rasenmäher-Prinzip folgende Honorarsystem gewehrt.

Was bedeutet die neue Doppelspitze für die künftige taz-Auslandsberichterstattung? Zuletzt hatte Ines Pohl ja angedeutet, dass sie den Fokus gerne stärker auf Asien und Afrika setzen möchte. Außerdem will sich das Ressort mitsamt seinen Korrespondenten redaktionsintern besser vernetzen. Vor allem aber hofft die Auslandsredaktion auf mehr Geld, das sie flexibler einsetzen kann. Dazu wurde nun zum Jahresende der seit Längerem geplante Verein zur Förderung der Auslandsberichterstattung gegründet. Der durch Mitgliederbeiträge finanzierte „Recherchefonds Ausland“ soll vor allem dazu dienen, bei notwendigen, aber bisher schwer bis gar nicht finanzierbaren Recherchereisen einzuspringen und das normale Redaktionsbudget dadurch zu entlasten. 2011 wird folglich im Zeichen der Mitgliederwerbung für diesen Förderverein stehen. Die ordentlichen Mitglieder sind das gesamte Auslandsressort. An der Spitze des Vereins stehen die Aufbauhelfer Bernd Pickert, Dominic Johnson sowie als Mitglied der Chefredaktion Ines Pohl.

02. … dass „Spiegel“ und „Stern“ wegen einer privaten Liaison eine Allianz gegen S21 bilden?

Arno Luik ist bekanntlich ein herausragender Interviewer und arbeitet seit gut zehn Jahren für den „Stern“. Barbara Supp ist Trägerin des Egon-Erwin-Kisch-Preises und schreibt seit 1989 über ganz unterschiedliche Themen für den „Spiegel“. Die beiden sind privat ein Paar – seit vielen Jahren schon. Kennengelernt haben sie sich in Tübingen. Supp machte damals gerade Examen, Luik hatte die Prüfungen gerade hinter sich. Aus dieser Liaison scheinen ihnen liebe Kollegen nun einen Strick drehen zu wollen. Es hat damit zu tun, dass sowohl Luik als auch Supp im vergangenen Jahr über das umstrittene Bauprojekt Stuttgart 21 berichteten. Luik mehrfach und mit großem Engagement im „Stern“ – Supp allerdings nur ein einziges Mal im „Spiegel“. Ihr Essay, erschienen im Oktober, war eine Antwort auf Dirk Kurbjuweits eine Woche zuvor erschienenen Essay „Die Wutbürger“, in der er die Stuttgarter Demonstranten als alte, zukunftsfeindliche Egoisten dargestellt hatte. Supp, übrigens eine gebürtige Stuttgarterin, war gänzlich anderer Meinung. Kurbjuweit im „Spiegel“ zu antworten, war ihr ein tiefes Bedürfnis – erst recht, nachdem sie erfahren hatte, dass selbst ihre 83-jährige Mutter trotz Hüft- und Knieproblemen zum ersten Mal in ihrem Leben demonstrieren war. Die Stuttgarter Proteste seien Ausdruck von Bürgersinn und daher ein Segen für die Demokratie, schrieb sie.

Es überrascht nicht wirklich, dass Supp und Luik eine ähnliche Haltung zu Stuttgart 21 vertreten. Ihnen deshalb zu unterstellen, ihre Blätter zur Allianz gegen Stuttgart 21 zu instrumentalisieren, wirkt absurd. Nicht nur, weil sich Supp ausschließlich auf bereits veröffentlichte Informationen stützte, sich also nicht Luiks Recherchematerial bediente, sondern auch, weil sie beim „Spiegel“ mit der ständigen Berichterstattung zu dem Thema überhaupt nicht befasst war. Umso amüsierter reagieren beide auf das Gerede.

Weniger amüsiert ist Luik dagegen, dass Kollegen behaupten, er sei es gewesen, der in einem seiner Artikel über die Kostenpläne von S21 Euro und D-Mark verwechselt – und sich damit just am Tag, als er für die S21-Artikelserie den Leuchtturm-Preis erhielt, fürchterlich blamiert habe. Tatsächlich behauptet die Deutsche Bahn, sie habe in ihren Tabellen Euro und D-Mark verwechselt – es handle sich also um nicht mehr als einen „Schreibfehler“, den Luik im „Stern“ enthüllt habe. Eine Schutzbehauptung, um dem Vorwurf zu entgehen, parlamentarische Beschlüsse seien auf der Grundlage falscher Kostenschätzungen gefasst worden? Luik legt diesen Eindruck nahe. Und so ganz falsch lag er mit seiner bisherigen Stuttgart-21-Berichterstattung im „Stern“ ja wahrlich nicht. Als Bahn-Chef Rüdiger Grube vor ein paar Wochen beim „Stern“ zur Blattkritik ins Verlagsgebäude am Hamburger Baumwall eingeladen war, entschied er jedenfalls, eine der beiden Champagner-Flaschen, mit der jede Woche die Autoren der zwei besten Artikel ausgezeichnet werden, müsse Arno Luik bekommen.

03. … dass Eric Markuse kein Heiliger sein will, bloß weil er Radio Sputnik verlassen hat?

Womöglich gibt es in diesen Zeiten eine Sehnsucht nach Helden. Nach Typen, die nicht alles mit sich machen lassen, die lieber den sicheren Posten hinschmeißen, als mit gebrochenem Rückgrat am Stuhl zu kleben. So jedenfalls ließe sich erklären, warum Medienbeobachter die Entscheidung von Programmchef Eric Markuse, die MDR-Hörfunkwelle Sputnik zu verlassen, so hohen Respekt gezollt haben. Tenor: Endlich ist da mal einer, der ein anspruchsvolles wie innovatives Jugendprogramm so gestaltet, wie man das von einer gebührenfinanzierten Anstalt erwartet – und dann wird er mit den Argumenten Marktanteil, Marktforschung und Mainstream in die Knie gezwungen und das Programm zur 08/15-Popwelle umgemodelt. Eric Markuse, der vor seiner Zeit beim Mitteldeutschen Rundfunk viele Jahre im Boulevardjournalismus unterwegs war („Bild“, „tz“, „Hamburger Morgenpost“), ist das alles zu viel der Legendenbildung. Er sagt: „Weder tauge ich zum Helden noch zum Kultur-Taliban. Wenn das verabredete Arbeitsziel von anderen verschoben wird, muss man eben seine Konsequenzen ziehen. So einfach ist das.“

Erschienen in Ausgabe 01+02/2011 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 10 bis 11 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.