Druck im Wandel

Vergleicht man die Titelseiten 1986 und 2011, sieht man zwei völlig andere Welten. 1986 wussten die Redaktionen offensichtlich nichts über Zeitungslayout, nichts über das Leserverhalten und absolut nichts über die Bedeutung des Visuellen in der Zeitung.

1986 gab es neben der Zeitung noch Radio und Fernsehen. Damit war der Medienmix fertig. Zeitungsmacher waren der Auffassung, dass die Meldungen der „Tagesschau“ am nächsten Tag in der Zeitung vorkommen sollten, damit die Leser sie noch einmal in Ruhe nachlesen konnten.

Heute ist die Situation deutlich anders. Das Internet und Mobil-telefone bringen Nachrichten wenige Augenblicke nach einem Geschehen zum Leser. Bei Groß-ereignissen wie einem Atomunfall werden jeden Abend Sondersendungen im Fernsehen gebracht, die dem Leser weitere Einblicke geben.

Die Zeitung bekommt darum Probleme, wenn sie die Nachricht von gestern am nächsten Tag einfach noch mal publiziert. Das ist im Einzelverkauf schon sichtbar. Der Nutzer eines Handys mit Internet-Verbindung wird die Zeitung am Kiosk eher ignorieren, weil sie ja Nachrichten von gestern enthält, während auf seinem Handy die aktuellen Meldungen hereinkommen. Was also sollen die Zeitungen tun?

1. Mehr liefern als andere Medien

Kreative Redaktionen können durch Recherche Aspekte aus einem Thema herausarbeiten, die für die Leser Neuigkeitswert haben. Beim Atomunfall kann man beispielsweise Fachleute aus Deutschland oder der Region zu Wort kommen lassen und damit dem Leser helfen, die Gefahren des Unfalls besser einzuschätzen. Man kann die Bedeutung eines Themas für die Region darstellen und damit eine andere Perspektive liefern als andere Medien.

2. Nutzwert liefern

Das haben die meisten Redaktionen verstanden: Ergänzungsboxen mit nützlichen Hintergrund-Informationen oder praktischen Tipps unterstreichen den Nutzwert der Zeitung.

3. Übersichtlich sein

Fernsehen, Radio, Internet: diese Medien überlagern sich, bringen immer die gleichen Inhalte oder widersprechen sich. Viele Themen bleiben am Ende nebulös. Die Zeitung hat die Chance, durch inhaltliche und gestalterische Klarheit dem Leser einen Überblick zu verschaffen. Man kann dem Leser durch klaren Seitenaufbau und eine eindeutige Hierarchie der Themen helfen, Nachrichten besser zu verstehen.

4. Mit dem Internet vernetzen

Bei den aktuellen Berichten über die Atomkatastrophe sieht man einige Beispiele, die zeigen, dass man die Meinung der Leser im Internet einholen und teilweise im Printbereich veröffentlichen kann. TED-Umfragen und ihre Ergebnisse sind eine weitere Möglichkeit, Leser in der gedruckten Zeitung mehr zu berücksichtigen.

5. Alternative Storyformen pflegen

Die Forschung, insbesondere Readerscan, belegt, dass Leser alternative Storyformen wie Reportage, Interview, Hintergrund, Pro und Contra, Kommentar – kurzum alles, was mehr ist als die bloße Nachricht – besonders in der Zeitung schätzen.

6. Exklusive Inhalte präsentieren

Zeitungen sind ja nicht von den Agenturen und dem Mainstream abhängig. Exklusive Inhalte für die Zeitung sind Trumpf in der Medienflut. Und gerade in der Region und vor allem im Lokalen haben Zeitungen die größte Kompetenz. Das gilt es zu nutzen.

7. Die Leser überraschen

Die Zeitung sollte den Leser immer wieder überraschen durch andere Inhalte und durch eine stärker visuelle Präsentation.

Man kann Inhalte bereits vor dem Schreiben eines Artikels so gliedern, dass sie das Thema transparent machen. Man kann Themen so visuell darstellen, dass die Verbindung von Überschrift und visuellem Element (Foto, Illustration oder Infografik) den Leser in den Artikel zieht.

Fazit:

Weitermachen wie früher geht auf keinen Fall. Aber die nachfolgenden Beispiele zeigen auch: Viele deutsche Zeitungen haben sich bereits auf den Weg gemacht.

Medium:Online

Über 50 Zeitungen haben sich an unserer Umfrage nach Titelseiten von damals und heute beteiligt, hier zeigen wir eine kommentierte Auswahl. Alle Seiten als sehenswerte Dokumente zur Zeitgeschichte finden Sie unter

www.mediummagazin.de

Erschienen in Ausgabe 04+05/2011 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 34 bis 39 Autor/en: Norbert Küpper. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.