Natürlich müssen Sie sich online nicht alles gefallen lassen. Wenn die Troll-Horden sich über einen Ihrer Beiträge anonym hermachen, ihn polemisch zerfleddern, heißt es nicht, dass Sie sich rechtfertigen müssen. Ignorieren sollten Sie es dennoch nicht. Seit einigen Jahren werden Artikel via Facebook, Twitter und Blogs empfohlen und kommentiert. Manche Publikationen erzielen über diese Leserempfehlungen rund 30 Prozent ihrer Webzugriffe.
Das wirkt sich außerdem unmittelbar auf die persönlichen Suchergebnisse und die Reputation des Einzelnen aus. Denn Ihre Reaktion auf Lesermeinungen zeigt, wie souverän Sie damit umgehen und wie kritikfähig Sie sind. Je besser ein Journalist sich in der Kommunikation mit seiner Leserschaft bewährt, desto positiver wirkt sich das auf die Wahrnehmung seiner Person aus. Jedes Wort, jeder Satz, den Sie jemals online veröffentlicht haben, wirkt sich unmittelbar auf Ihren Personal Brand aus.
Freie Journalisten können sich online sehr gut selbstvermarkten. Wer sich ein gutes Netzwerk über Xing, Facebook und Twitter aufgebaut hat, profitiert direkt davon, muss aber auch mit Anfeindungen rechnen. So musste der freie Journalist Richard Gutjahr sich einige Kritik gefallen lassen, als er sich Anfang 2011 dazu entschied, nach Ägypten zu reisen, um über die Massenproteste gegen die Regierung zu berichten. Nachdem er sein Vorhaben in seinem Blog und über Twitter verkündete, mehrten sich schnell die Stimmen, die ihm Sensationsgier und Selbstdarstellung vorwarfen. So ganz unrecht hatten die Kritiker nicht, fiel Gutjahr doch in der Vergangenheit vor allem durch den Mix aus Eigen-PR und Journalismus auf, beispielsweise als er tagelang vor einem Apple-Shop kampierte, um das erste Exemplar des iPads zu ergattern. Ein Apple-Fanboy als Kriegsberichterstatter in Ägypten? Was die wenigsten wissen: Gutjahr ist ausgebildeter Journalist und hat Erfahrung mit Krisengebieten. Durch zahlreiche Blogbeiträge, Tweets und Bilder hat er seinen Lesern einen guten Eindruck zur Situation in Ägypten verschafft. Aber auch die Kritik ging nicht spurlos an ihm vorbei. In seinem Abschlussbericht nahm er dazu Stellung: „Mir wurde Selbstdarstellung vorgeworfen, was ich auch gar nicht völlig von der Hand weisen will: als Blogger, der nichts weiter hat, als eine Webseite, muss man natürlich klappern, um sein Publikum zu finden (oder besser: vom Publikum gefunden zu werden).“ All jenen, die ihm Profitstreben vorwarfen, entgegnete er mit einer offenen Aufstellung seiner gesamten Ein- und Ausgaben der Reise im Blog.
Aber auch fest angestellte Journalisten wie Jochen Mai nutzen die Chancen, die ihnen Social Media bietet. Der Ressortleiter von „Management und Erfolg“ bei der „Wirtschaftswoche“ publiziert in seinem Fachblog „Karrierebibel“ seit einigen Jahren täglich mehrere Beiträge über Personal-Themen. Im Monat besuchen es rund 220.000 Leser. Mai verweist via Facebook und Twitter (9.000 Follower) auf seine Artikel und konnte seine Inhalte in mehreren erfolgreichen Karriere-Büchern verwerten, darunter der Bestseller „Die Karrierebibel“. Für seine Arbeit nutzt Jochen Mai das Feedback seiner Leser für die Recherche und Entwicklung neuer Themen und hat einen Personal Brand aufgebaut, der ihn für die „Wirtschaftswoche“ zu einem wertvollen Markenbotschafter macht.
Anfang 2011 ist er aufgrund seines Erfolges im Web 2.0 bei der „Wirtschaftswoche“ Social Media Manager geworden. Der Wirtschaftsjournalist hat genauso wie Gutjahr bewiesen, dass er in der Welt der Online-Kommunikation sehr gut mit seinen Lesern und deren Feedback umgehen kann. Wer als Journalist auf seine Online-Wirkung achtet und mit seinen Rezipienten offen und transparent kommuniziert, hat zumindest die Chance, darüber seine Online-Reputation und seinen persönlichen Markenwert zu stärken.
Erschienen in Ausgabe 04+05/2011 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 101 bis 101 Autor/en: Klaus Eck. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.