Stimmt’s, …?

01. … dass Manfred Bissinger inzwischen bereut, öffentlich die Atomindustrie unterstützt zu haben?

Wie könnte es anders sein angesichts der atomaren Katastrophe in Japan. Zur Erinnerung: Es war im August 2010, als in deutschen Zeitungen eine ganzseitige Anzeige erschien, in der die Bundesregierung aufgefordert wurde, die Reaktor-Laufzeiten zu verlängern. Deutschland brauche weiter Kernenergie, stand darin: „Ein vorzeitiger Ausstieg würde Kapital in Milliardenhöhe vernichten – zulasten der Umwelt, der Volkswirtschaft und der Menschen in unserem Land.“ Diese These unterschrieben nicht nur Männer wie Otto Schily, Oliver Bierhoff und Carsten Maschmeyer, sondern auch zwei Medienmenschen: Bertelsmann-Chef Hartmut Ostrowski und – zur Überraschung vieler – Manfred Bissinger. In die Aktion reingequatscht hatte ihn offensichtlich Jürgen Großmann, der Chef von RWE, dessen Kundenmagazin Bissinger als Chef von Hoffmann & Campes Corporate-Publishing-Abteilung lange Jahre verantwortet hat. Das Ergebnis der Kampagne ist bekannt: Schwarz-Gelb knickte ein, kippte die rot-grünen Atom-Ausstiegspläne und verlängerte die Reaktor-Laufzeiten.

Schon damals reagierte Bissinger hochempfindlich, wenn er auf seine Unterschrift unter diesen „energiepolitischen Appell“ angesprochen wurde. Jetzt, nach der Katastrophe in Fukushima, noch sehr viel mehr. An den Gründen, die zu seinem öffentlichen Bekenntnis zur Atomkraft geführt hätten, habe sich nichts geändert, raunzt der ehemals vermeintlich Linke ins Telefon – als da wäre der zu geringe Ausbau der Stromnetze für die selbstverständlich von ihm präferierten alternativen Energien, weshalb Atomkraft als Brückentechnologie unverzichtbar sei.

Ganz klar: Ein zweites Mal würde wohl mancher darauf verzichten, seine Unterschrift unter so einen Appell zu setzen. Einer allerdings würde es wieder tun: Bertelsmann-Chef Ostrowski. Wiewohl den erneuerbaren Energien die Zukunft gehöre, werde es noch lange dauern, bis es soweit sei, zudem müsse die Energieversorgung für die deutsche Wirtschaft finanzierbar sein, meinte er am Rande der Bilanz-Präsentation Ende März. Anders als bei der Anzeige im August 2010 würde er, falls er erneut um sein Bekenntnis zur Atomkraft gebeten würde, allerdings auch auf den Sicherheitsaspekt hinweisen wollen, betont Ostrowski.

02. … dass der „Freitag“ auch Anzeigen druckt?

Fast könnte man den Eindruck haben, dass dem nicht so ist. In Jakob Augsteins Wochenzeitung war es bislang so, dass die Anzeigenkunden selber auf den „Freitag“ zugehen mussten, wollten sie dort werben. Entsprechend kann man Anzeigen im „Freitag“ an einer Hand abzählen. Doch jetzt hat der „Freitag“ einen Anzeigenleiter. Johann Plank führte zuvor die Geschäfte des Hamburger Bunkverlags, der die Blätter „u-mag“ und „kultur news“ herausgibt. Fortan wird man beim „Freitag“ also nicht mehr warten, ob vielleicht ein Anzeigenkunde an die Tür klopft. Es wird Akquise betrieben, ganz aktiv. Und voraussichtlich vom zweiten Quartal an wird der Verlag auch wieder die verkaufte Auflage der IVW melden. Das hatte man sich zuletzt nämlich gespart. Wozu auch? Da keine Anzeigenkunden von der Werbewirkung der Zeitung überzeugt werden mussten, gab es auch keine Notwendigkeit, mit so etwas wie Auflagenhöhe oder -entwicklung zu argumentieren.

Die letzte offizielle IVW-Verkaufszahl stammt vom dritten Quartal 2009, sie zeugte davon, wie viele der dem alten „Freitag“ ideologisch verhafteten Leser nach Augsteins Relaunch abgesprungen waren. Die verkaufte Auflage lag bei insgesamt 18.000 Exemplaren, davon allerdings nur knapp 6.000 Kiosk- und 7.650 Abo-Exemplare. Aus Kostengründen werden seither nur noch wenige Zeitungshändler beliefert, der Einzelverkauf dürfte entsprechend weiter geschrumpft sein. Anders die Abo-Zahlen. Von einer deutlich fünfstelligen Zahl ist die Rede. Marketing-Aktionen, Augsteins gewachsene Medienpräsenz (in seiner eigenen Gesprächssendung mit „Bild“-Mann Nikolaus Blome auf Phoenix wie auch bei Anne Will oder dem Presseclub) dürften dazu beigetragen haben – wie auch die politische Stimmung, die einem linken Meinungsblatt wie dem „Freitag“ nur willkommen sein kann.

Es ist also nicht auszuschließen, dass die „Freitag“-Leser bei ihrer Lektüre häufiger von Reklame gestört werden, selbstverständlich nur von solcher für Bücher, Kulturveranstaltungen, Naturprodukte oder alternative Energien. Der „Freitag“-Leser reagiert nämlich empfindlich auf Werbung.

03. … dass dapd auf Pressekonferenzen die Konkurrenz auslädt?

Passiert ist das einem Kollegen der dpa, der zur dapd-Präsentation des neuen Sportdienstes gehen wollte. Per Mail erhielt er die Absage, man danke ihm für das Interesse, doch die Anmeldung zur Pressekonferenz könne man ihm nicht bestätigen. Die Chance auf eine Berichterstattung sei nämlich sehr gering. Gerne könne er mit dapd-Geschäftsführer Cord Dreyer ein ausführliches und exklusives Gespräch führen, allerdings erst im Anschluss an die Pressekonferenz. Unterschrieben hat die Absage Wolfgang Zehrt, der Sprecher der dapd. Das Verhalten wirkt unsouverän, passt aber zu dem absurden Konkurrenzgerangel zwischen dem Platzhirsch dpa und dem Aufsteiger dapd. Zehrt sagt, der Grund für die verwehrte Akkreditierung sei die Erfahrung, dass eine Pressekonferenz der dapd von einem dpa-Journalisten schon einmal dazu genutzt worden sei, gerichtsverwertbares Material zu sammeln. Mit Journalismus habe das nichts zu tun, und deshalb wolle er auch kein weiteres Mal dem Konkurrenten die Gelegenheit geben, jedes Schaubild der an die Wand geworfenen Präsentation abzufotografieren. Im Übrigen, sagt Zehrt, sei von der dpa gar niemand zu der dapd-Pressekonferenz eingeladen gewesen. Angemeldet habe sich der Kollege angeblich auf einer kopierten Einladung.

04. … dass Steffen Hallaschka den Jauch-Faktor spürt?

Am Morgen nach der Sendung vom 30. März titelte das Online-Magazin DWDL: „,Stern TV‘ wird Sorgenkind“. Obwohl RTL die Sendung nun schon in die Entscheidungsshow „Let’s dance“ einbette, „um dem Format zu helfen“, hätten in der werberelevanten Zielgruppe der 14- bis 49-Jährigen lediglich 1,29 Millionen zugesehen. Das entspreche einem enttäuschenden Marktanteil von 15,4 Prozent, „deutlich weniger als der Senderschnitt“. DWDL machte dem neuen Moderator, Steffen Hallaschka, daraus keinen Vorwurf. Im Gesamtpublikum hatte die Sendung mit drei Millionen Zuschauern immerhin doch noch eine Quote von 16 Prozent.

Ohnehin kommt man zu einer valideren Bilanz, vergleicht man die Zuschauerzahlen mit denen des Vorjahres und berücksichtigt Sondereffekte. Bis zu jener Sendung am 30. März schalteten nämlich von Januar bis März 2,65 Millionen Zuschauer ein (Marktanteil: 13,6 Prozent). Im Vorjahreszeitraum waren es 2,86 Millionen (14,3 Prozent). Von einem Quotendesaster kann man also nicht wirklich sprechen. Und in der für RTL wichtigen Zielgruppe 14 bis 49 schalteten durchschnittlich 1,43 Zuschauer Hallaschka ein (Marktanteil: 17,3 Prozent). Bei Jauch waren es im Vorjahreszeitraum 1,49 Millionen (17,4 Prozent). Wie hoch also ist der Jauch-Faktor?

Irgendwann werde der Tag kommen, an dem die Medien diese Frage stellen, sagte Hallaschka schon kurz bevor er am 12. Januar in Günther Jauchs Fußstapfen trat. Bitteschön, Herr Hallaschka: Bisher ist der Jauch-Faktor kaum messbar, bedenkt man, dass Jauch vor einem Jahr fünfmal gegen ein Fußballspiel ansenden musste, Hallaschka 2011 aber bereits sieben Mal. Und was die anderen Veränderungen durch den Moderatorenwechsel angeht (von Hallaschkas offenem Hemdkragen im Vergleich zu Jauchs Krawatten mal abgesehen), fällt auf, dass der Neue die Sendung moderiert, als habe er nie etwas anderes gemacht, und dass er nicht minder gut mit
Menschen umzugehen weiß. Einen Unterschied gibt es aber: Mehr denn je geht es um Themen wie Facebook, Datensicherheit oder Betrug im Netz. Kein Wunder, denn Hallaschka ist nicht nur jünger, sondern auch ein eifriger Facebook-Nutzer (mit viel Zuspruch von dort). Auch deshalb – und nicht nur, weil im Büro an der Stelle von Jauchs Schreibmaschine jetzt ein Computer steht – sprechen sie in der Redaktion mittlerweile von „Stern TV 2.0“.

Erschienen in Ausgabe 04+05/2011 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 18 bis 19 Autor/en: Ulrike Simon. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.