Ein Vierteljahrhundert liegt nun zwischen dem Jahr 1986 – als wir „medium magazin“ mit Schreibmaschine & Schnurtelefonen starteten – und heute im Jahr 2011, in dem Twitter, Facebook & Co. Revolutionen voran- und Medien vor sich hertreiben. Es sind Lichtjahre in der Medienentwicklung.
„Die Multimedia-Generation“ betitelten zwar bereits 1986 die Forscher von „Media Perspektiven“ ihre Studie über den Medienkonsum der Jugendlichen.Vom Internet war da allerdings noch gar keine Rede. 120 Minuten täglich hörten damals die 16- bis 24-Jährigen Radio, 100 Minuten entfielen auf das Fensehen und knapp 15 Minuten auf die Tageszeitung. Und heute? 100 Minuten täglich beträgt allgemein allein schon die durchschnittliche Internetnutzung. „Drei Viertel der Nutzer können sich ein Leben ohne Web nicht mehr vorstellen“, verlautbarte Anfang April der Branchenverband Bitkom – und warnte zugleich vor einem wachsenden Gefühl der Informationsüberflutung unter den älteren Deutschen:„Wir müssen als Gesellschaft lernen, mit der Nachrichtenflut besser umzugehen.“
Das betrifft erst recht uns Journalisten. Das Problem ist längst erkannt, nur was folgt daraus? Zu Beginn dieses Jahres hinterfragte Sabine Adler selbstkritisch die immer schnellere Nachrichtentaktung und erntete dafür viel Zustimmung. Die Leiterin des DLF-Hauptstadtstudios sprach davon, wie schwer es geworden sei, sich zu erinnern, worüber man eigentlich zwei Monate oder auch nur drei Wochen zuvor berichtet habe: „Wir jagen eine Sau nach der anderen durchs Dorf, am Ende wissen wir nicht mehr, wie viele es eigentlich letzten Monat waren.“ Manchmal komme einem die Sau „irgendwie bekannt“ vor: „Da hilft es, im Kalender nachzuschlagen und sich zu fragen: was ist eigentlich neu daran?“
Genau das haben wir uns für die Ausgabe von „medium magazin“ zum 25jährigen vorgenommen. Sechs Cover-Entwürfe standen für diese Ausgabe zur Auswahl (s. rechts). Wir haben uns für die „WNDL*“-Version entschieden, weil diese sprachliche Twitter- und SMS-Kurzform den Wandel der Mediennutzung prägnant auf den Punkt bringt. Denn das Thema Wandel bestimmt auch unser Jubiläumsheft – mit den Fragen: Wie hat sich der Journalismus verändert, im Guten wie im Schlechten, was lohnt sich zu bewahren, worauf sollten wir beharren – und worauf besser nicht?
Wir haben uns zum Beispiel angesehen, wie die Zeitungen über Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011 titelten (S. 34ff.), was aus anderen Zeitschriften-Gründungen 1986 geworden ist (S. 44ff.), wie es um das Fernsehen (S. 50f.) und das Radio – 1986 das Lieblingsmedium der Jugendlichen – bestellt ist (S. 52ff.) und warum gute Nachrichten keineswegs immer schlechte Nachrichten sein müssen (S. 70). Ehemalige Mitarbeiter aus dem Gründungsjahr – wie Kai Diekmann, Wulf Schmiese oder Holger Ohmstedt – haben uns Auskunft gegeben, wovon sie heute träumen, und ehemalige Titel-Helden und -Heldinnen wie Frank Schirrmacher, Peter-Matthias Gaede oder Patricia Riekel darüber, wie sie zu früheren Aussagen stehen (S. 66ff.).
„Nur wer weiß, wo er herkommt, weiß auch, wo er war. Aber wer weiß, wo er war, weiß noch lang net, wo er hin will“, hat Frank-Markus Barwasser alias Pelzig mal das Zitat von Theodor Heuss abgewandelt. Das klingt fast wie eine aktuelle Problembeschreibung unserer Branche auf der Suche nach neuen Standorten in einer Welt der Echtzeitkommunikation und Jedermann-Publikationen.
Deshalb wollen wir auch nach vorne schauen, wohin die Entwicklung geht beziehungsweise gehen sollte – mit Beiträgen wie z. B. von Stefan Kornelius über den globalen Wandel (S. 30), von Joachim Blum über Redaktionskulturen (S. 40), Stefan Niggemeier zum Fernsehen (S. 50f.), Axel Buchholz zum Radio (S. 52f.) oder Ulrike Langer und Christian Jakubetz über Teamarbeit am „Universalcode“ (S. 60f.).
Das Schlagwort „Multimedia“ kommt übrigens auch in dieser Ausgabe vor, in aktueller Bedeutung: Simon Kremer beschreibt in unserer beiliegenden Journalisten-Werkstatt „Multimedia-Reportage“, wie gute „Audio-Slideshows“ funktionieren: Mit der Kombination alter Werte (gute Fotos) und neuer Webtechnik.
PS: Als wir – eine kleine Truppe befreundeter Jung-Journalisten – „medium magazin“ im April 1986 starteten, hatten wir keinen Businessplan, aber ein Ziel: „,medium‘ – ein Name, der verpflichtet. Wir möchten Binde- und Bildeglied zwischen erfahrenen Profis und jungen Anfängern, zwischen Orientierungsuchenden und Kennern und denen auf dem Weg dazwischen sein.“ Daran hat sich, trotz allen Wandels, bis heute nichts geändert. Wir würden uns freuen, wenn wir in Ihren Augen diesem Ziel ein Stück näher gekommen sind – und Sie uns weiter auf dem Weg in die nächsten 25 Jahre begleiten, mit Anregungen, Kommentaren und Kritik.
Erschienen in Ausgabe 04+05/2011 in der Rubrik „Editorial“ auf Seite 3 bis 4 Autor/en: Annette Milz. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.