Das Grundrecht auf Verlinkung

Der Fall

Der Heise-Verlag hatte auf seiner Website einen Artikel über eine Software veröffent-licht, mit deren Hilfe es möglich war, den Kopierschutz von DVDs zu umgehen. In diesem Artikel, in dem deutlich auf die Rechtswidrigkeit der Software hingewiesen wurde, wurde auch auf die Homepage des Herstellers verlinkt. Zahlreiche Plattenfirmen verklagten daraufhin den Verlag: Wegen der Verlinkung würden illegale Vorrichtungen zur Umgehung von Kopierschutzmaßnahmen verbreitet, der Artikel stelle darüber hinaus eine Anleitung zum Knacken der Schutzvorrichtung dar. Darüber hinaus handele es sich um verbotene Werbung. Heise wurde in erster und zweiter Instanz dazu verurteilt, die Verlinkung zu unterlassen. Der BGH hob das Urteil des OLG München auf und wies die Klage ab.

Das Urteil

Klar war von Anfang an, dass sowohl die Kopierschutzsoftware als auch die entsprechende Website der Herstellerfirma rechtswidrig waren. Die Voraussetzungen der sogenannten Teilnehmerhaftung, mit der Heise für die Verlinkung auf das illegale Angebot verantwortlich gemacht werden kann, lagen damit grundsätzlich vor. Dem BGH zufolge war die Berichterstattung von Heise jedoch aufgrund eines überwiegenden Informationsinteresses der Öffentlichkeit gerechtfertigt: Die Verlinkung unterfalle der Presse- und Meinungsfreiheit und sei damit grundrechtlich geschützt. Links seien nicht nur eine technische Erleichterung für den Aufruf einer Website, sondern dienten als Beleg und Quelle für weitere Informationen, ähnlich wie eine Fußnote. Hieran ändere auch die Tatsache nichts, dass Heise Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der verlinkten Homepage hatte.

Die Folgen

Offenbar gibt es auch beim BGH nicht mehr nur Internetausdrucker. Die Richter stellten erfreulich eindeutig klar, dass Links vom eigentlichen Text nicht zu trennen sind und damit in den Schutz von Meinungs- und Pressefreiheit einbezogen sind. Liegt bei einem Thema ein Informationsinteresse der Öffentlichkeit � auf Redaktionsdeutsch: Fallhöhe � vor, so darf nicht nur berichtet, sondern auch auf den Gegenstand der Berichterstattung verlinkt werden.

Dem Urteil lässt sich aber auch entnehmen, wo die Grenzen liegen: Links, die wie beispielsweise Werbelinks nicht im Zusammenhang mit einer Berichterstattung stehen, profitieren nicht vom Grundrechtsschutz. Deutlich wurde auch, dass die Redaktion sich die Rechtsverletzung � nach wie vor � nicht zu eigen machen darf. Der BGH hat im Urteil deutlich betont, dass in der Berichterstattung auf die Rechtswidrigkeit der Software hingewiesen wurde und dem Artikel damit auch eine �Warnfunktion� zukomme. Zustimmende oder einseitig positive Äußerungen zum Thema könnten deshalb eine Haftung begründen. Schließlich kommt es im Rahmen der Abwägung nach wie vor auf die Schwere der Rechtsverletzung hinter dem Link an. Um ein drastisches Beispiel zu bemühen: Die Verlinkung auf kinderpornografische Angebote dürfte selbst dann nicht gerechtfertigt sein, wenn der zugehörige Artikel sich in aller Deutlichkeit distanziert.

Erschienen in Ausgabe 06/2011 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 54 bis 54 Autor/en: Stephan Zimprich. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.