Wie sehen Sie denn aus, Herr Herles?

Unser prominentes Foto-Opfer Nr. 17 (u. a. nach Anja Reschke, Stefan Niggemeier, Sascha Lobo, Arno Luik und Marietta Slomka) ist Lisa Ortgies. Seit 1997 moderiert sie die WDR-Sendung �frau TV�, sie war zwischenzeitlich Fast-Nachfolgerin von Alice Schwarzer als �Emma�-Chefredakteurin, was sich aber schnell wegen Dissonanzen wieder zerschlug. Sie studierte Psychologie und Soziologie und brach ab, als sie auf der Henri-Nannen-Schule angenommen wurde.

Ortgies� Fotokommentar:

Das Foto stammt aus meiner Zeit auf der Henri-Nannen-Schule. Ich gehörte mit 27 zu den älteren in der Klasse. Die Gruppendynamik hat mich gestresst, es war wie in der Grundschule, die Konkurrenz untereinander war enorm, dauernd zischten verbale Papierflieger durch den Raum � und vorne stand ein strenger Lehrer. Aber mir war schon immer klar, dass ich auf die HNS will, direkt nach dem Abitur hatte ich für die erste Bewerbung eine hanebüchene Reportage zusammengetackert. Und bin natürlich nicht genommen worden. Also fing ich an zu studieren, schrieb nebenher für die, Rhein-Neckar-Zeitung�, und versuchte es noch mal und noch mal an der HNS, bis es knapp unter der zulässigen Altersgrenze doch noch klappte. Mir war klar: Ich brauchte diese Marke als Wegbereiter, schließlich hatte ich kein abgeschlossenes Studium. Und Wolf Schneiders Drill werde ich immer dankbar sein. Durch ihn habe ich Disziplin in der Sprache schätzen gelernt, eine Leidenschaft für Präzision, für kurze, vokalreiche Worte entwickelt. Schneider hat jeden Begriff, jeden Satz abgeklopft. Oft denke ich, wenn ich einen Text lese: �Da sollte Wolf Schneider mal ran.�

Aber ehrlich: Ich bin ein schlechtes Beispiel, ich habe viel Zeit vertan, war mir lange nicht sicher, was ich machen soll, war nicht besonders ehrgeizig, eher verträumt. Wenn es nicht geklappt hätte, wäre ich Soziologin geworden. Auch die Zeit als Stewardess � damit verdiente ich während meines Studiums mein Geld �, das wochenlange Unterwegssein, überall auf der Welt, hat mich für mein Leben geprägt. Ich bin nicht eine von denen, die sagen, Journalismus ist mein Traumjob. Er ist einer von vielen Träumen, mehr nicht.�

Erschienen in Ausgabe 06/2011 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 7 bis 7. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.