Wohin geht die Reise?

Niclas Müller,

stellvertretender Chefredakteur beim �ADAC-Reisemagazin�

1. Im Reisejournalismus gibt es keine drängenden Themen. Guter Reisejournalismus muss intelligent unterhalten, nützlich sein, inspirieren, historisches und kulturelles Wissen vermitteln, tiefgründig sein. Die angeblich drängenden Themen im Reisejournalismus sind oft eher oberflächlich. Sie sind nur darum drängend, weil sie den Redaktionen von fleißigen PR-Institutionen aufgedrängt werden.

2. Bei uns erscheinen keine Geschichten auf Grundlage von Pressereisen, sondern ausschließlich exklusiv recherchierte Reportagen. Unsere Themen sind zu speziell abgestimmt auf das jeweilige Heft, als dass uns Pressereisen nützlich sein könnten. Unsere Autoren und Fotografen zahlen ihre Anreise und die Hotelrechnungen vor Ort selbst und bekommen die Spesen durch die Redaktion ersetzt � das ist die sauberste Form, um unabhängig berichten zu können.

Anna Löfken,

Leiterin des Reiseressorts bei �Brigitte�

1. Wichtig ist, dass der Reisejournalismus unabhängig ist. Viele Zeitungen/Zeitschriften können sich keine selbst bezahlten Produktionen mehr leisten, sind auf Pressereisen angewiesen. Das kann zu großen Interessenskonflikten führen.

2. Wir nehmen nur ganz selten an bezahlten Pressereisen teil. Wir produzieren unsere Reportagen selber, nach eigenen Vorstellungen. Wenn nicht, ist vorher absolut klar, dass wir erst danach entscheiden, ob diese Reise, dieses Hotel, dieses Programm etwas für uns ist. Damit leben wir gut und stoßen auch nicht auf Unverständnis.

Sönke Krüger,

Leiter des Reiseressorts bei �Welt am Sonntag�

1. Reisejournalismus ist eine Form von Journalismus und keine PR � das vergessen Teile der Reisebranche und einige freie Reiseautoren gern einmal.

2. Unsere Redaktion nimmt an bezahlten Pressereisen nur dann teil, wenn diese thematisch und journalistisch interessant sind. Die Tatsache, dass der Recherche eine Einladung zugrunde liegt, hat keinen Einfluss auf Konzept, Stil und Ausrichtung des Texts. Einladungsreisen machen wir generell als solche kenntlich. Wir schreiben seit mehreren Jahren aus Transparenzgründen unter Artikel, die auf Einladungsreisen basieren: �Die Reise wurde unterstützt von XYZ.�

Andreas Stopp,

Redaktionsleiter der DLF-Sendung �Sonntagsspaziergang�

1. Natürlich gibt es drängende Themen, die ein ernst zu nehmender Journalismus aufzugreifen hat � Konzentrationsfragen, Preisentwicklungen, Sicherheit auf Reisen, ethische Probleme, Reisefreiheit usw. Aber hinter all dem steht doch (und zwar nicht erst seit Fukushima), wie und unter welchen Umständen ein �Reisen�, wie wir es bisher kannten, überhaupt in der Zukunft noch möglich sein wird. Was wird, klimatisch betrachtet, unsere Welt weiterhin zulassen, was nicht mehr?

2. Ohne Pressereisen würden Teile einer weltweiten Berichterstattung nicht funktionieren. Wir lassen die Teilnahme von freien Journalisten auf Einladung von Fremdenverkehrsämtern oder Agenturen zu, wenn absolut sichergestellt ist, dass keinerlei Einfluss auf Art und Weise und Inhalte der Berichterstattung erfolgt. Wir nennen keine Markennamen, geben keine konkreten Tipps, Hinweise oder Empfehlungen.

Barbara Liepert,

Leiterin des Reiseressorts der FAS

1. Nachhaltigkeit. Angesichts der wachsenden Mobilität und Freizeit immer größerer Bevölkerungsschichten ist die Frage nach sozialer und ökologischer Verträglichkeit des Reisens ein immer wichtiger werdendes Thema.

2. In der Regel sind Pressereisen eine denkbar ungeeignete Art, um an interessante, gute Geschichten zu kommen. Von 100 Presseeinladungen sehen wir uns vielleicht zwei oder drei genauer an und das auch nur, wenn eine journalistisch unabhängige Berichterstattung gewährleistet ist. Falls wir an einer organisierten Pressereise teilnehmen, entsenden wir vorrangig Redakteure oder feste Freie aus dem Haus, die auf das Wohlwollen von Reiseveranstaltern nicht angewiesen sind; die Anzahl kritischer und sogar negativer Artikel nach Pressereisen dürfte illustrieren, dass eine Einladung bei der FAS keinesfalls die Berichterstattung beeinflusst.

Dörte Hansen-Jaax,

Redaktionsleiterin der NDR-Sendung �Zwischen Hamburg und Haiti�

1. Sicher der Wandel, der sich gerade abzeichnet: Service-Infos findet man im Internet schnell heraus, dazu braucht es uns nicht. Daher setzen wir weniger auf Sehenswürdigkeiten und mehr auf Menschen und ihre Geschichten.

2. Unsere Redakteure sind überhaupt nicht mehr mit Pressereisen unterwegs. Das war eine redaktionspolitische wie inhaltliche Entscheidung. Wir arbeiten stattdessen viel mit Korrespondenten, die sowieso vor Ort sind.

Erschienen in Ausgabe 06/2011 in der Rubrik „Special“ auf Seite 44 bis 45 Autor/en: Umfrage: Anne Haeming. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.