10 Regeln für Krisenberichte

1. Einordnung

Es ist immer wichtig, die Gefahr einzuordnen. Zu einer guten Risikokommunikation gehört es z. B., die Zahl der Kranken oder Toten in Beziehung zu anderen Risiken des täglichen Lebens und anderen, ähnlichen Krankheiten zu setzen.�

Christina Berndt, Redakteurin im Ressort Wissenschaft der �Süddeutschen Zeitung�

2. Expertenauswahl

Es gibt eine Experten-Datenbank beim Informationsdienst Wissenschaft. PubMed, die medizinische Literaturdatenbank, bietet Zugang zu wegweisenden Artikeln über Infektionen wie Ehec und Expertenadressen aus Originalpublikationen. Auch Forscherblogs sind interessant. Sie führen auf wichtige Literaturstellen und ähnliche historische Fälle.�

Joachim Müller-Jung, Ressortleiter �Natur und Wissenschaft� der �Frankfurter Allgemeinen Zeitung�

3. Sorgfaltspflicht

Man sollte sich bewusst sein, dass man es hier auch mit ganz fundamentalen Ängsten der Leser zu tun hat. Das ist eine besondere Verantwortung. Die journalistische Sorgfaltspflicht gilt bei Themen wie Ehec deshalb im besonderen Maße.�

Jörg Hermes, Ressortleiter Wissen, stern.de

4. Zahlen

Es sollte immer in absoluten Zahlen berichtet werden, nicht in relativen Risiken (wie einer �doppelt so hohen� Gefahr). Dem Leser sollte zudem vermittelt werden, welche Möglichkeiten es gibt, sich zu schützen. Diese Wege können helfen, eben kein Ohnmachtsgefühl vor einem, Killer-Keim� entstehen zu lassen.�

Christina Berndt, �Süddeutsche Zeitung�

5. Faktentreue

Oberste Regel: Die Fakten richtig darlegen. Lieber etwas länger mit der Veröffentlichung einer Geschichte warten, anstatt Fakten zu verdrehen. Das ist bei wissenschaftlichen Themen besonders heikel.�

Cinthia Briseño, stv. Ressortleiterin Wissenschaft �Spiegel Online�

6. Vernetzung

Gerade weil es so viele lose Enden gibt, kann ich nur empfehlen, sich zu zentralisieren � also eine Art Taskforce ins Leben zu rufen. Wir haben alle Beteiligten über einen E-Mail-Verteiler zusammengekoppelt, d. h. Kollegen in den ZDF-Landesstudios, Reporter, die Leute hier in der Zentrale von verschiedenen Redaktionen, Kollegen unserer Wissensabteilung, so dass wir sichergestellt haben, dass jeder auf demselben Kenntnisstand ist.�

Elmar Theveßen,

Leiter Hauptredaktion

Aktuelles� und stellvertretender Chefredakteur des ZDF

7. Transparenz

Wir sollten die wissenschaftlichen Unsicherheiten mitteilen und z. B. nicht nur die Geschichte erzählen, was der Erreger anrichtet, sondern auch, wie wenig man eigentlich noch über ihn weiß. Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen und Prognosen wagen ohne wissenschaftliche Expertise und Zitate.�

Joachim Müller-Jung, FAZ

8. Besonnenheit

In der Epidemie gilt: Nüchternheit, das heißt dem Drang widerstehen, den Untergang zu beschwören oder das Ereignis herunterzuschreiben. Das gilt auch für die Wortwahl.�

Harro Albrecht, Medizin-Redakteur bei der �Zeit�

9. Standards

Im Grunde gelten für Ehec die gleichen Qualitätskriterien wie für andere Themen. Bezogen auf den Medizinjournalismus sind Standards auf der Homepage des Kollegiums der Medizinjournalisten zu finden (siehe Linktipp). Einige der wichtigsten Punkte: Je nach Medium bzw. Zielgruppe sollte Verständlichkeit gewährleistet sein. Qualifikation, Funktion und am besten auch die Motivation von Experten sollten eingeordnet werden. Zeitliche Bezüge sollten klar eingeordnet und kenntlich gemacht werden. Quellentransparenz ist wichtig.�

Thomas Bleich, Mediziner, ZDF-Redakteur und Vorstandsmitglied des Kollegiums der Medizinjournalisten (KdM)

10. Aufklärung statt Sensation

Auf Sensationsgier zu zielen und mit Ängsten der Menschen zu spielen, um Quote oder Auflage um jeden Preis zu machen, kann nicht das Ziel sein. Verantwortungsbewusster Medizinjournalismus sollte die Menschen mündig machen, damit sie sich ihr eigenes Urteil bilden und ihr Verhalten sinnvoll anpassen können. Gerade bei der Berichterstattung zu infektiösen Geschehen wie Ehec kann die mediale Berichterstattung und Aufklärung zu einem wichtigen Instrument der Prävention werden.�

Thomas Bleich, ZDF, KdM-Vorstand

medium:online

Die Tipps der Kollegen sind Bestandteil der �medium magazin�-Umfrage und Einzelinterviews zur Ehec-Berichterstattung. Die Aussagen sind vollständig unter www.mediummagazin.de dokumentiert (Für smarthphone-Nutzer s. a. QR-Code oben).

Die Standards der KdM zur Berichterstattung finden Sie unter www.kollegium-der-medizinjournalisten.de/Standards.0.7.1.html.

Erschienen in Ausgabe 07+08/2011 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 38 bis 50. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.