Blasen und Phrasen

Mathias Döpfner:

Chefs sind ja nicht umsonst Chefs geworden. Neben ausgewiesener Brillanz in nahezu allen Bereichen gehört eine geradezu traumwandlerische Sicherheit in Phrasen-Belangen zum unerlässlichen Rüstzeug des medialen Alpha-Tieres. Nehmen wir einen der eloquentesten dieser Spezies: Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer AG. Von ihm kann mancher alerte Jung-Manager viel lernen, gerade was den extra-smoothen Sprachgebrauch angeht. Da wurde doch neulich bei den Springers eine kleine Personal-Rochade vollzogen, Claus Strunz vom Chefposten des �Hamburger Abendblatt� versetzt. Nun darf er sich Geschäftsführer TV- und Videoproduktionen nennen. Was für unbedarfte Außenstehende aussehen könnte wie ein karrieremäßiger Rückschritt, wird von Strunz� Chef sogleich glasklar eingeordnet. Wofür braucht Springer nochmal dieses, äh, Video-Dings, Herr Döpfner: �Durch eine Konzernübergreifende Koordination wollen wir unsere bisherigen Erfahrungen und Erfolge noch effektiver vorantreiben.� Das sitzt wie ein italienischer Maßanzug. �konzernübergreifende Koordination�, �noch effektiver�, �Erfahrungen und Erfolge�. Eleganter kann man eine Null-Aussage nicht auf den Punkt bringen.

Paul-Bernhard Kallen:

Wenn es nicht zu konkret werden darf, dann hilft schon mal der Rückgriff auf Klassiker der fortgeschrittenen Phraseologie. Jüngst zu beobachten bei Burda-Vorstandschef Paul-Bernhard Kallen bei der Bilanzvorstellung. Als Familienbetrieb verrät Burda ja nicht, was übrig bleibt im Säckel. Es werden nur Umsätze genannt und eher wolkige Aussagen zur �Zufriedenheit� gemacht. Wie formuliert man das aber am besten, wenn man eigentlich gar nichts Konkretes sagen kann? Wie wäre es damit: �Wir sind zurück auf dem Wachstumspfad und haben eine wirtschaftliche Basis geschaffen, um in den nächsten Jahren mit deutlich erhöhtem Tempo zu wachsen.� Das ist eine sehr schöne Variante der altbekannten, aber immer noch top-aktuellen �Wir wollen weiter wachsen�-Phrase. �Wachstumspfad�, �wirtschaftliche Basis� und vor allem: �deutlich erhöhtes Tempo�. Das signalisiert so ziemlich alles auf einmal: Wir waren spitze, wir sind spitze und bald wird alles noch viel toller! Echt spitze.

Hartmut Ostrowski:

Nicht ganz so fein ziseliert präsentierte Bertelsmann-Oberchef Hartmut Ostrowski seine Aussagen bei der vergangenen Bilanzvorstellung. Der Bertels-Boss mag es eben verbal eher ostwestfälisch hemdsärmelig. Das ist aber durchaus ein gangbarer, weil bürgernaher Weg. �Wir stehen nicht unter Druck�, beschied er die anwesenden Medienvertreter. Knapp und klar. Nachfragen zwecklos. Gemeint war der angebliche Zwang zu �weiterem Wachstum� (s. o.). Bertelsmann sollte ja, so meinen es manche Beobachter, endlich auch mal wieder eine andere Firma aufkaufen. Aber zu offen darf man so etwas nicht sagen, sonst macht das vielleicht die Preise kaputt. Also ein schnodderiges �Wir stehen nicht unter Druck� hingeschleudert, nach dem Motto: �Püh, uns doch egal. Dann kaufen wir eben nix …� Das ist so etwas wie die Kehrseite von �Wir wollen weiter wachsen�. Merke: �WOLLEN wachen� ist gut. �MÜSSEN wachsen� ist schlecht. Ganz schlecht.

Rupert Murdoch:

Auch der kauzige Alt-Tycoon aus Übersee ist ein Großmeister der Phrasendrescherei. �Qualitätsjournalismus ist nicht billig�, sagte er, als er bei den Online-Seiten der Londoner �Times� die Bezahlschranke runterließ. Auch für seine iPad-Zeitung �The Daily� will Murdoch Geld sehen � nicht viel, aber immerhin. An der Aussage �Qualitätsjournalismus ist nicht billig� per se ist nichts auszusetzen, denn es stimmt ja. Aber auch das ist das Wesen der Phrase: Sie stimmt immer. Die Aussage mit dem nicht billigen Journalismus gibt es seit Jahren in immer wieder leicht abgewandelter Form. Stichwort: �Gratis-� oder �Kostenlos-Kultur�. Es ist eine so herrlich allgemeine, fluffige Aussage, der jeder aus der Medienbranche sofort zustimmen wird, denn es wird ja nur eine Selbstverständlichkeit ausgesprochen. Gras ist grün, der Himmel ist blau und Qualitätsjournalismus kostet eben Geld. Und wissen Sie was, pssst, ein Geheimnis: schlechter Journalismus kostet auch Geld. Nur meistens weniger.

Erschienen in Ausgabe 07+08/2011 in der Rubrik „Praxis“ auf Seite 50 bis 51. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.