„Ein Umfeld, in dem Überraschendes eher ausbleibt“

Der �Südkurier� nennt sich �Heimat�-Zeitung, ist das im Zeitalter von Online und Twitter nicht ein antiquierter Begriff?

Stefan Lutz: Der Heimat-Begriff ist überhaupt nicht antiquiert, er erlebt ja gerade eine Renaissance. Damit meine ich aber nicht nur die fröhlichen Deutschen, die beim Fußball Fahne und Frohsinn zeigen. Die Renaissance hat durchaus einen ernsteren Hintergrund. Ich meine die vielen Menschen, die in einer immer komplexer werdenden Welt einen geschützten Raum suchen, der ihnen Handlungssicherheit gibt. Ein Umfeld, in dem man sich auskennt, in dem Überraschendes eher ausbleibt � dieses Umfeld sehen viele in der Heimat erfüllt.

In dieser Welt haben regionale Nachrichten einen hohen Stellenwert, egal ob analog oder digital, und hier müssen Redaktionen von regionalen Medienhäusern konsequent den Schwerpunkt setzen. �Südkurier Online� macht 80 Prozent des Traffics mit regionalen Nachrichten, hier wird uns die uneingeschränkte Kompetenz zugesprochen � damit sind wir eines der führenden Nachrichtenportale in Baden-Württemberg geworden.

Wie kann man verloren gegangene jüngere Lesergruppen wieder an eine Regionalzeitung binden?

Das funktioniert aus meiner Sicht über Markenbildung. Regionale Medienhäuser müssen sich in ihrer Region das Image als Informationsanbieter Nummer eins erwerben oder zurück erobern. Wer was wissen will, muss reflexartig einen der �Südkurier�-Kanäle anzapfen. Bei jüngeren Nutzern sind das eher digitale Vertriebswege, die nichts kosten. Wenn diese Gruppen älter werden und über Kaufkraft verfügen, dann muss im Kopf verankert sein: der �Südkurier� informiert auf hohem Niveau. Die Entscheidung für ein Zeitungs-Abo kann dann aber nur fallen, wenn im Blatt mehr geboten wird als im Internet oder auf anderen Kanälen. Daran arbeiten wir.

Wie passt ein 39-jähriger Chefredakteur aus Norddeutschland zu einer im Schnitt deutlich älteren und badisch-bodenständigen Leserschaft?

Was wollen Sie damit sagen? Dass sich die Menschen im Badischen eher für Rollatoren interessieren als für Mountainbikes? Da haben Sie aber ein falsches Bild. Die ältere Leserschaft ist frischer im Kopf als unterstellt, da passe ich als junger Chefredakteur ganz gut. Menschen passen immer gut zusammen, wenn sie sich zuhören können und die Eigenarten des anderen akzeptieren, das ist am Bodensee nicht anders als in Hamburg.

Zu meiner Redaktion habe ich bei Dienstantritt gesagt: Ihr könnt mir alles vorwerfen, Fehlentscheidungen und auch schlechte Kommentare. Nur mein Alter nicht, dafür kann ich nichts.

Wird es Regionalzeitungen auch in zwanzig Jahren noch geben?

Da bin ich mir absolut sicher. Die Zeitungen, die stark im Regionalen sind, wird es noch lange geben � wenn auch mit reduzierter Auflage.

Wie geht Spardruck und Qualitätsoffensive zusammen?

Das geht nur bis zu einem gewissen Punkt. Ich bin überzeugt, dass es für journalistische Qualität eine gewisse Anzahl von Kollegen braucht, die ganz unterschiedliche Stärken haben. Bewegt sich das unterhalb einer kritischen Grenze, muss man Defizite in der Qualität hinnehmen. Trotzdem kann man viel Potenzial heben, wenn man Kommunikationswege in Redaktionen freipustet und zu Themenkonferenzen aufruft. Das haben wir gemacht, ohne Geld ausgegeben zu haben. pm

Stefan Lutz, geboren 1971 in Hannover (als Sohn des langjährigen Chefredakteurs der �Neuen Presse Hannover�, Erwin Lutz), volontierte und arbeitete beim Axel Springer Verlag (mit Unterbrechung fürs Politologie-Studium 1997-�03), bis er 2009 zum �Südkurier� wechselte.

Erschienen in Ausgabe 07+08/2011 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 25 bis 25. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.