Venedig/Kopenhagen. Thomas Kilpper hat sie genutzt, die Meinungsfreiheit, die ihm die Kuratorin des dänischen Pavillons zugestanden hat. Das Gebäude auf dem Giardini-Gelände der Venedig-Biennale erweiterte der deutsche Künstler um einen hölzernen Anbau und dessen Boden dekorierte er mit Porträts europäischer Politiker. Nun treten die Besucher des Pavillons nahezu zwangsläufig Pia Kjærsgaard, die Vorsitzende der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF), Nato-Generalsekretär Rasmussen und auch Angela Merkel mit Füßen. So sehen es jedenfalls dänische Politiker. Sie werfen Kilpper vor, die Politiker bewusst zu entwürdigen. �Ich finde nicht, dass auf diese Weise die Meinungsfreiheit debattiert wird�, kritisiert Karin Nødgaard, kulturpolitische Sprecherin der DF, das Ausstellungskonzept.
Grobschnittig und gut erkennbar sind die Porträts in den Holzfußboden geritzt: das Antlitz von Pia Kjærsgaard, der Chefin der dänischen Volkspartei, lächelt ebenso entgegen wie das von Silvio Berlusconi und Angela Merkel. Auch Flemming Rose, der Journalist der dänischen Zeitung �Jyllands-Posten�, der im Herbst 2005 die sogenannten Mohammed-Karikaturen in Auftrag gab, ist zu erkennen. Die Gesichter gehören zum Kunstwerk �Pavillion for Revolutionary Free Speech� von Thomas Kilpper. Der Deutsche hat die Arbeit für den dänischen Pavillon auf der Venedig-Biennale, der bedeutendsten internationalen Kunstausstellung der Erde, entworfen. Thema des dänischen Pavillons ist dieses Jahr �Meinungsfreiheit� und Kilp-per meint, die Abgebildeten hätten diese zwar genutzt, aber gehörten zu einem politischen Rechtsruck, den er beklagt und auf den er aufmerksam machen möchte. In Dänemark hat die Arbeit für viel Aufmerksamkeit gesorgt und man klagte, dass Politiker bildlich mit Füßen getreten würden. Kjærsgaard und die kulturpolitische Sprecherin ihrer Partei nutzten ihre Meinungsfreiheit, um sich über die Arbeit und den Pavillon zu beklagen. Vor fünf Jahren noch hatte Kjærsgaard den Abdruck der Mohammed-Karikaturen mit Verweis auf die Meinungsfreiheit verteidigt.
Wenige Tage später dann zeigte die Partei, die die rechtsliberale Minderheitsregierung in Dänemark stützt, ein weiteres Mal, was sie von der Meinungsfreiheit hält. Die Politik-Professorin Marlene Wind hatte die Regierungspläne für strengere Grenzkontrollen stark kritisiert. Daraufhin die DF-Vorsitzende Kjærsgaard: �Man muss sich fragen, wie die Universität zu so einer Person Vertrauen haben kann�, andere Politiker zogen nach. Erschreckenderweise hieß es kurze Zeit später, die Professorin würde sich in den Medien eine Auszeit gönnen. Der raue Ton der Politik scheint sie mundtot gemacht zu haben. www.danish-pavilion.org
Erschienen in Ausgabe 07+08/2011 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 19 bis 21. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.