Nicht preiswürdig

Wenn eine Laudatio zur bemühten Rechtfertigung wird, dann ist es mit der Preiswürdigkeit des ausgezeichneten Werkes nicht weit her. Dann scheint selbst die Jury vom Zweifel befallen, ob sie die richtige Wahl getroffen hat. Wie nie zuvor hat der Herbert-Quandt-Medienpreis, 2011 unter anderem für die Artikelserie �Geheimakte Griechenland� der �Bild�-Zeitung verliehen, journalistische und andere Gemüter bewegt, hat diese Auszeichnung irritiert und polarisiert. Auch mich hat diese Auszeichnung bewegt, ja geärgert. Sie sendet die falschen Signale. Sind Verallgemeinerungen guter Journalismus? Darf nationalistische Hetze auch noch prämiert werden?

Der Quandt-Medienpreis wird immer an Autoren und konkrete Arbeiten vergeben, in diesem Fall für die fünfteilige Serie. Eine Auszeichnung für andere Berichte oder generell für andere Artikel oder ein Medium in seiner Gesamtheit ist damit nicht verbunden.� So Jury-Mitglied Roland Tichy in seiner Laudatio. Unausgesprochen reagierte er damit auf die Studie der Otto-Brenner-Stiftung, die zu dem Ergebnis kommt, dass die Artikelserie �Geheimakte Griechenland� Teil einer seit dem Frühjahr 2010 gefahrenen Kampagne von �Bild� ist.

Das kann man so sehen, und die Studie führt viele Belege dafür an. Aber selbst wer die Ende Oktober/Anfang November 2010 erschienene Artikelserie nicht als Teil einer antigriechischen Agitation der �Bild�-Zeitung sieht, als den Versuch einer nachgereichten Begründung für die seit dem Frühjahr 2010 verbreitete Polemik gegen �die Griechen�, wer also nur die fünf Beiträge betrachtet, kann sich des Eindrucks des Kampagnenjournalismus nicht erwehren. Denn im Zentrum der Artikelserie stehen �die Griechen�, die �uns�, also die Deutschen, �reingelegt� haben. Die Griechen werden nicht nur als ein Volk der Lügner, der Betrüger und Bilanzfälscher dargestellt, sie werden auch so genannt. Damit hat �Bild� es geschafft, nicht nur die Griechen insgesamt zu verunglimpfen, sondern auch �die Deutschen� in der Wahrnehmung vieler Griechen.

Keine Frage des Budgets

Um ihre Behauptungen zu untermauern, recherchierten �Bild�-Reporter in Athen, Berlin und Brüssel. Solche aufwendigen Recherchen, so Preisträger und �Bild�-Wirtschaftschef Nikolaus Blome in seiner Dankesrede, könnten sich nicht viele Redaktionen in der Republik leisten: �Denn guter Journalismus, und guter Wirtschaftsjournalismus zumal, ist teuer�. Offensichtlich ist, dass Nikolaus Blome unter gutem Journalismus etwas anderes versteht als ich. Denn guter Journalismus muss nicht teuer sein. Er ist auch kein Privileg von �Dickschiffen�, wie Blome es nannte. Guten Wirtschaftsjournalismus gibt es in Lokalzeitungen, in kleinen Wirtschaftsmagazinen, ja sogar in rote Zahlen schreibenden überregionalen Tageszeitungen. Die Geschichte des Herbert-Quandt-Medienpreises und anderer Journalistenpreise beweist es.

Gewiss ist es von Vorteil, über eigene Budgets für Recherchen verfügen zu können. Garant für Qualitätsjournalismus sind sie nicht. Durch die Gegend zu reisen und mit Beteiligten zu sprechen, im Hintergrund oder offiziellen Interview, ist noch keine besondere journalistische Leistung. Auf das Ergebnis kommt es an; auf das Bild, das man daraus komponiert. Für ihre Serie haben die �Bild�-Kollegen vor allem nachrecherchiert, was so oder ähnlich in anderen Publikationen längst zu lesen war. Sie haben mit Euro-Skeptikern gesprochen, die sich nun bestätigt fühlen, und mit Euro-Befürwortern, die ihre Entscheidungen rechtfertigen. Der Erkenntnisgewinn zur Entstehungsgeschichte von Euroland, zum Poker um Aufnahmebedingungen und zur Manipulation von Statistiken hält sich in Grenzen.

Keine Wahrheitsfindung

Dass es zur Euro-Aufnahme Griechenlands in Bundesbank und Europäischer Zentralbank warnende Stimmen gab, ist nicht neu. An den Finanzmärkten und in den Finanzmedien fanden diese Stimmen seinerzeit reichlich Gehör, gerade weil sie politisch nicht opportun waren. Ein Blick in die Archive hätte genügt. Dass die Euroeinführung ein politisches Projekt war, das � ähnlich wie einst die deutsche Wiedervereinigung � bei einer Vielzahl von Ökonomen und Währungsexperten auf Skepsis oder gar strikte Ablehnung stieß, ist ebenfalls kein Geheimnis. Und dass man keiner Statistik trauen soll, die man nicht selbst gefälscht hat, ist längst Volksweisheit. Jedenfalls sind manipulierte Statistiken keine griechische Erfindung.

Die Darstellung der Euroland-Aufnahme Griechenlands als ein �von Anfang an abgekartetes Spiel� der an der Euroeinführung beteiligten Politiker mag zum Drehbuch der �Geheimakte� passen, der Wahrheitsfindung dient sie nicht. Wenn die Recherche aber vor allem dazu dient, die These von der �Euro-Lüge� zu untermauern, ist sie nichts wert. Schon gar keinen Journalistenpreis.

Erschienen in Ausgabe 07+08/2011 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 29 bis 30 Autor/en: Claus Döring. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.