Stimmt’s, …?

Es waren nur 23 Zeilen, die die �Süddeutsche Zeitung� für diese Meldung gebraucht hat. Aber es waren Zeilen, die auch beim dritten Lesen nicht im Hirn ankommen wollten. Karl Dietrich Seikel berät den neuen �Focus�-Geschäftsführer Burkhard Graßmann. Konnte das sein? Kannte man Seikel nicht als grundanständig, loyal und souverän? Hatte er nicht seit 1980 für den Spiegel Verlag gearbeitet, jahrelang mit Rudolf Augstein und nach dem Tod des Herausgebers 2002 allein die Geschäfte an der Hamburger Brandstwiete geführt? War er nicht ein �Spiegel�-Mann, durch und durch, und eher etwas zu bedächtig, als dass ihn die Eitelkeit zu unüberlegtem Handeln oder gar Rachegefühlen verführt hätte? Aber ja, es stimmt. Seikel berät den Geschäftsführer jenes Blattes, gegen das er jahrelang Abwehrschlachten führen musste und das sich bis heute als Angreifer des �Spiegel� aufspielt.

Natürlich hat Seikel nicht vergessen, wie die Mitarbeiter KG seinen Vorschlag, wer ihm als Geschäftsführer folgen soll, abgelehnt und ihn stattdessen vorzeitig aus dem Verlag gedrängt hat. Aber das ist nun schon fünf Jahre her. Seikel schien seinen Frieden mit dem �Spiegel� gemacht zu haben und hing mit dem Herzen noch immer an seinem alten Verlag. Mit Ex-�stern�- und �Spiegel�-Chef Werner Funk, Ex-Gruner+Jahr-Vorstand Rolf Wickmann und dem später hinzugekommenen Ex-Bertelsmann-Kommunikator Bernd Bauer betreibt er in Hamburg eine Bürogemeinschaft. Er beriet unter anderem das Max-Planck-Institut, war eine Zeitlang Medienkoordinator des Hamburger Senats, sitzt bis heute im Aufsichtsrat der finnischen Papierfabrik Myllykoski und war schon zu �Spiegel�-Zeiten Mitglied im Verwaltungsrat des Schweizer Medienkonzerns Tamedia (�Tages-Anzeiger�). Dort schied er im Mai aus, um �sich in Zukunft wieder vermehrt im deutschen Verlagsumfeld zu engagieren�, meldete Tamedia. Das hing jedoch nicht mit seinem �Focus�-Mandat zusammen, sondern mit der FAZ. Schon lange wollten sie ihn in Frankfurt in den Aufsichtsrat holen. Mit seinem Posten bei Tamedia hätte sich das nicht vertragen, da die FAZ mit dem Tamedia-Konkurrenten �Neue Zürcher Zeitung� kooperiert. Nun ist Seikel seit Anfang Juni stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender der FAZ. Dagegen hat niemand etwas einzuwenden. Aber �Focus�?

Das gehört sich nicht�, sagen sie beim �Spiegel� und sprechen von Verrat. Manche sagten Seikel das offen ins Gesicht an jenem Montag, an dem die Meldung in der �Süddeutschen� erschien. Der �Spiegel� feierte am selben Abend Sommerfest und verabschiedete bei dieser Gelegenheit Spiegel-TV-Geschäftsführer Fried von Bismarck in den Ruhestand. Natürlich war auch Seikel eingeladen. Er räumt ein, dass er die Wirkung seines Entschlusses, den Geschäftsführer des �Focus� zu beraten, unterschätzt hat. Und er ist betrübt, wie er nun verurteilt wird.

Nur einer findet nichts dabei. �Warum sollte Seikel das nicht tun? Ich kann daran gar nichts Verwerfliches finden. This is a free country�, sagt Stefan Aust. Beim �Spiegel� wundert das keinen. Der ehemalige Chefredakteur des Magazins wurde schließlich kurz nach Seikel auf eine noch weniger elegante Art geschasst.

Seikel redet sein Engagement bei �Focus� klein und dementiert auch, in München ein Büro zu haben, wie kolportiert wird. Er erzählt, dass er Graßmann kennt, seit dieser bei T-Online Vorstand war und ihn auf Kooperationsmöglichkeiten mit �Spiegel Online� angesprochen habe. Daraus geworden ist nichts, doch Seikel blieb mit dem Hamburger in Kontakt. Als Burda-Vorstand Philipp Welte nun Seikel fragte, ob er den Verlags- und Print-unerfahrenen Graßmann coachen könne, sagte der 64-Jährige zu � nicht ohne den heutigen �Spiegel�-Geschäftsführer Ove Saffe zu informieren. Seitdem treffen sich Seikel und Graßmann meist freitags, wenn der �Focus�-Geschäftsführer übers Wochenende nach Hause fliegt. Wenn es nach ihm ginge, sagt Seikel, könne dieses Coaching bereits in wenigen Wochen wieder zu Ende sein. Dann fügt er hinzu: �Rückblickend hätte ich vielleicht doch Nein sagen sollen.�

Die Meldung in der �Süddeutschen� habe ihn nämlich auch gewaltig geärgert. Die können mich mal, habe er im ersten Moment gedacht. Burda habe sie nämlich selbst lanciert und ihn erst informiert, als es zu spät war. Er fühlt sich für die nach innen gerichtete Botschaft missbraucht: Schaut her, selbst der ehemalige �Spiegel�-Geschäftsführer glaubt an �Focus�.

02. � dass die Medien-akademie von ARD und ZDF ihren Standort in Wiesbaden schließt?

Das ist richtig. Der Standort wird zum Ende dieses Jahres geschlossen. Ursprünglich lautete das Gerücht sogar, das ZDF wolle sich aus der Akademie zurückziehen und die ARD dort allein walten lassen. Das allerdings trifft nicht zu. Die eigentliche Frage, die sich hinter der Standortschließung verbirgt, lautet jedoch: Stimmt�s, dass der Rundfunkjournalist von heute gleichsam Techniker und Produzent sein muss?

Wieder einmal geht es ums Geld. �Die Entscheidung zur Schließung des Standortes in Wiesbaden haben die zuständigen Gremien der Medienakademie (also der Verwaltungsrat, d. Red.) aus wirtschaftlichen Gründen getroffen�, sagt Stefan Hanke, der Geschäftsführer der ARD/ZDF-Medienakademie. Seinen Angaben zufolge führe die Schließung zu Einsparungen, die �über die nächsten fünf Jahre weit über eine Million Euro ausmachen werden�. Mitarbeitern gegenüber sollen die angeblich zu erwartenden Einnahmeverluste durch die künftige Haushaltsabgabe als Grund genannt worden sein.

ARD und ZDF sparen also � warum aber ausgerechnet bei der Aus- und Weiterbildung? Die Seminarangebote richten sich an Moderatoren, Autoren, Dramaturgen und Produzenten, denen in dieser Schulungseinrichtung das Handwerk beigebracht werden soll. Hanke widerspricht: Es werde �keine Einschränkungen des Fortbildungsangebots geben und auch keine betriebsbedingten Kündigungen�.

Noch 2006, beim Zusammenschluss der Ausbildungsstätten Zentrale Fortbildung der Programm-Mitarbeiter (ZFP) und Schule für Rundfunktechnik (srt) zur ARD/ZDF-Medienakademie hieß es, die drei Standorte � Nürnberg, Hannover und Wiesbaden � �werden langfristig gesichert� sein: �Damit ist auch geografisch eine große Nähe zu den Gesellschaftern gewährleistet.�

Das sind neben ARD und ZDF die Deutsche Welle und das Deutschlandradio. Von Wiesbaden profitierten also vor allem das ZDF in Mainz und der Hessische Rundfunk (HR) � dessen Intendant, Helmut Reitze, Beiratsvorsitzender der Medienakademie ist, denn der HR ist innerhalb der ARD zuständig für Aus- und Weiterbildung. Ausgerechnet Reitze also konnte nicht verhindern, dass �sein� Standort vor dem Aus steht.

Ergeben hat sich die Schließung, weil die in Wiesbaden zuständige Bereichsleiterin, Margit Benecke, in Ruhestand geht und sich der HR seit der Schließung von Taunus Film von dem Gelände Unter den Eichen in Wiesbaden zurückgezogen hat. Die Fixkosten für die beiden Büroetagen fallen damit weg. Und da dort gerade noch fünf Festangestellte arbeiten, während die Standorte Hannover mit seiner Anbindung an den Norddeutschen Rundfunk und Nürnberg mit seiner Spezialisierung auf die technischen Aspekte in der Aus- und Weiterbildung weitaus größer sind, traf es eben das Rhein-Main-Gebiet.

Die Medienakademie wird zudem umstrukturiert. Bisher war sie in vier Geschäftsbereiche mit entsprechenden Seminarangeboten gegliedert: Programm, �integrierendes Angebot�, Produktion und Technik sowie ein überfachliches Seminarangebot.

Mit dem �integrierenden Angebot&#x2
01C; wollte man 2006 der Tatsache Rechnung tragen, dass �in absehbarer Zukunft� das Denken und die Arbeitsweise in der Redaktion mit dem der Produktion und Technik verschmelzen. Konkret: Wo früher ein Fernsehteam mit zwei Kameraleuten, Tontechniker und Journalist unterwegs war, macht das alles künftig immer häufiger ein Einzelner.

Diese vor fünf Jahren bei der Gründung der Akademie �absehbar� genannte Zukunft wird 2013 Gegenwart sein. Stefan Robiné, der derzeit in Hannover den Bereich �integrierendes Angebot� verantwortet, soll Leiter des fusionierten Geschäftsbereichs werden.

Erschienen in Ausgabe 07+08/2011 in der Rubrik „Rubriken“ auf Seite 16 bis 31. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.