„Wir grenzen uns nicht ab“

Was motiviert junge Menschen, sich für die RTL-Journalistenschule zu entscheiden?

Peter Kloeppel: Sie ist die einzige TV-Journalistenschule in Deutschland. Wer sich für Fernseh-Journalismus interessiert und den idealen Einstieg sucht, stößt automatisch auf uns. Die jungen Menschen, die zu uns kommen, werden auch deshalb so umfassend ausgebildet, weil sie später in ganz unterschiedlichen Formen und Bereichen arbeiten � bei Nachrichten- oder Magazinformaten, bei bunteren oder ernsteren Sendungen. Was der Journalismus insgesamt bietet, bieten wir als Ausbildung an. Das spiegelt sich auch in der Bandbreite unserer Referenten wider.

Leonhard Ottinger: Das Hauptmotiv der Schüler ist Fernsehen. Im Vergleich zu anderen Journalistenschulen, aber eben auch im Vergleich etwa zu manchen senderinternen Volontariaten bilden wir in Sachen TV umfassender aus � vor allem durch die Schul- und Praxisphasen, die sie innerhalb und außerhalb unserer Mediengruppe, aber auch im Ausland absolvieren können.

Entscheiden sich Schüler auch wegen der Person Peter Kloeppel für die Schule? Immerhin sind Sie laut Umfragen der bekannteste Nachrichtenmoderator.

Kloeppel: Das wage ich nicht zu beurteilen. Mein Eindruck ist: Die Bewerber kommen in erster Linie, weil sie eine gute Ausbildung wollen. Natürlich stehen Leonhard Ottinger und ich genau dafür. Aber ich bin auch nur ein Teil des journalistischen Ausbildungskonzeptes von RTL, deshalb schreibe ich mir das nicht zu sehr auf die Fahnen.

Sie sind zugleich Direktor der Journalistenschule, Chefredakteur und Moderator von �RTL aktuell�. Wie machen Sie drei Vollzeitjobs zugleich, wie oft sind Sie in der Schule?

Kloeppel: Ich bin zum Glück nicht der einzige Leiter der Schule, das Tagesgeschäft erledigt Leonhard Ottinger. Ich bringe mich eher strategisch ein, bin nicht in jeder Morgenkonferenz dabei und leite auch keine längeren Seminare. Während der ersten drei Monate, in der Grundausbildung, bin ich mindestens einmal in der Woche da. Wir stehen natürlich in sehr engem Kontakt, tauschen uns aus über Lehrpläne, Praktika, Weiterentwicklungen. Wenn man in der Lage ist zu delegieren, kann man auch drei Jobs gut stemmen. Man muss sich disziplinieren, viel arbeiten und Spaß bei der Arbeit haben. Das alles ist vorhanden.

Wenn Sie die Lehrpläne von 2001 mit 2011 vergleichen: Was ist die größte Veränderung?

Ottinger: Verändert hat sich vor allem die Gewichtung, speziell wegen der neuen Techniken. Schon der erste Lehrgang hatte einen vierwöchigen Block zu Online-Journalismus � da gab es den Begriff Crossmedia noch nicht, oder gar Web 2.0. Den größten Unterschied sehe ich im Beherrschen der Fernsehtechnik. Unser erster Jahrgang hat noch ausschließlich mit Cuttern geschnitten � heute hat jeder Schüler zwei Schnittprogramme an seinem Arbeitsplatz in der Journalistenschule.

Im aktuellen Lehrplan steht auch ein Social-Media-Modul. Wie sieht das aus?

Ottinger: Im vergangenen Lehrgang hatten wir erstmals eine Einheit dazu, wie man Social Media für die Recherche nutzen kann � zusätzlich zur Internetrecherche etwa in Suchmaschinen oder Datenbanken, die wir sowieso schon immer gelehrt haben. Dozenten wie Ulrike Langer geben Tipps, inwieweit Social Media ein Tool sein können, auch für Freie, etwa zum Austausch oder für Aufträge.

Vor fünf Jahren hätten wir uns nicht vorstellen können, dass so etwas wie Facebook für den Lehrplan relevant ist. Diese Entwicklung wird sich noch lange fortsetzen; wir können das Thema nicht auf eine einmal festgelegte Weise im Lehrplan verankern. Wenn 2013 der nächste Lehrgang startet, wird es wieder überarbeitet und angepasst worden sein.

Aus aktuellem Anlass: Welches Menschenbild vermittelt die RTL-Journalistenschule?

Kloeppel: Ich finde die Frage ehrlich gesagt abstrus. Wir vermitteln kein Menschenbild, sondern Journalismus. Das heißt, wir bilden junge Menschen darin aus, die Bürger über die Dinge, die in der Welt passieren, zu informieren. Und zwar so umfassend wie möglich, so korrekt wie möglich, so neutral und objektiv wie möglich. Wir geben ihnen die handwerklichen Fertigkeiten mit.

Wie steht die Schule eigentlich zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk?

Kloeppel: Wir ermöglichen es unseren Schülern sehr wohl, auch bei öffentlich-rechtlichen Medien Praktika zu machen � nur etwa 70 Prozent absolvieren sie in Redaktionen der RTL-Mediengruppe. Wir haben zudem Dozenten von öffentlich-rechtlichen Medien. Zu Beginn der Ausbildung müssen unsere Schüler auch eine �Tagesschau� produzieren. Wir grenzen uns also nicht ab und behaupten nicht, das eine sei die reine Lehre und das andere nicht. Dass sich die Systeme � privat und öffentlich-rechtlich � unterscheiden, wissen die Schüler schon, bevor sie zu uns kommen. Wir sind keine Indoktrinierungsakademie gegen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern eine Ausbildungseinrichtung bei einem privaten Medienunternehmen. Gerade die Öffentlich-Rechtlichen haben großes Interesse an unseren Absolventen: Fünf Schüler unseres letzten Kurses arbeiten heute beim WDR.

Was raten Sie den Öffentlich-Rechtlichen in Sachen Ausbildung?

Ottinger: Ich beobachte bei einigen Kollegen, die beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk volontiert haben, dass die unsere Vielfalt ein wenig vermissen. Soweit ich das beurteilen kann, spielt sich ein WDR-Volontariat eben hauptsächlich bei WDR ab. Bei uns ist das breiter gefächert: Die Schüler können die RTL-Nachrichten, einen Nachrichtensender wie n-tv, eine jugendliche Nachrichtensendung bei RTL2 oder eine Produktionsfirma wie stern tv kennenlernen.

Und worum beneiden Sie sie?

Ottinger: Was ich vor allem bei der ARD spannend finde, ist die Trimedialität, also Radio, Fernsehen und Internet. Unser Vorteil ist die Spezialisierung auf das Fernsehen, das hat sich bewährt. Die Ausbildung mehr oder weniger zu dritteln, finde ich interessant, wobei die ARD alle drei Mediengattungen mehr oder weniger gleich stark bedient.

Kloeppel: Die Volontäre der ARD landen meist in den Redaktionen, die den Schwerpunkten ihrer Ausbildung entsprechen. Wer bei uns lernt, wird dagegen mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit hinterher beim Fernsehen unterkommen.

Wie passen der hehre Anspruch der Schule und Ihre persönliche Integrität zusammen mit dem insgesamt eher dürftigen Eindruck, den RTL journalistisch bietet?

Kloeppel: Da sind Sie schlecht informiert. Wir produzieren jeden Tag fünf bis sechs Stunden Informationsprogramme. Damit sind wir eine ganz wichtige Stütze des Programms. Dass wir nicht immer dieselbe Form von Nachrichten abliefern, ist völlig klar � das �Morgenmagazin� der ARD sieht auch anders aus als die �Tagesschau�. Die Zuschauer sehen diese unterschiedlichen Farben und akzeptieren sie.

Was halten Sie von der These: Wenn RTL nicht müsste, würde es gar keinen Journalismus produzieren?

Kloeppel: Das ist Unsinn. Informationsprogramme gehören zu einem Vollprogramm wie RTL einfach dazu. In den vergangenen Jahren haben wir unsere Informationsschiene kontinuierlich ausgebaut. Wir produzieren also mehr, als wir müssten, und wir tun das sehr erfolgreich. Wir sehen uns da nicht in einer Zwangslage, sondern in einer sehr begeisterten freiwilligen Situation.

Welche Rolle wird Bewegtbild künftig spielen, wie sieht Fernsehen in zehn Jahren aus?

Ottinger: Ich glaube, dass wir uns auch in zehn Jahren noch vor allem über Handwerk unterhalten werden. Wir werden uns aber stärker Gedanken über die Ausgabeform machen. Im Moment bleibt ein Beitrag � egal ob er später im TV, online oder als App läuft � immer noch der gute alte Fernsehbeitrag. Durch die neuen Techniken werden wir vermutlich neue Ästhetiken, neue Bildsprachen bekommen, und auch die Verknüpfung von Bildsprache und anderen Informationsmöglichkeiten wie Text und Grafik wird zunehmen. Aber die Frage, wie ein handwerklich guter Beitrag a
ussehen muss, wird immer an erster Stelle stehen.

Sehen Sie das Risiko, dass die eigentliche Journalisten-Ausbildung angesichts der Fülle der Darstellungsformen ausfranst?

Ottinger: Das Risiko mag bestehen � dem Allrounder, der allein unterwegs ist und vom Text bis zum Video alles macht, begegne ich aber eher selten, sowohl in der Ausbildung als auch in der Praxis.

Kloeppel: Wir haben festgestellt, dass ein einzelner Videojournalist nur selten einen Vorteil gegenüber einem klassischen Team aus Reporter, Kamera- und eventuell Tonmann hat. Unser tägliches Videomaterial stammt zu 95 Prozent von klassischen Teams, nicht von VJs. Die Spezialisierung auf Kamera, Ton, Schnitt und natürlich Journalist garantiert uns die Qualität, die wir brauchen, um ein hochwertiges Programm zu machen.

Ist der Umgang mit User Generated Content Bestandteil der Schulausbildung?

Ottinger: Das ist ein Thema, das wir im Online-Block diskutieren � etwa über Urheberrechte oder darüber, wie man die Echtheit solcher Videos prüft. Wir machen aber keine praktische Übung dazu, etwa wie man Videos recherchiert.

Kloeppel: Der User Generated Content, den viele schon einmal als die Zukunft des Fernsehens angesehen haben, liefert beileibe nicht das, was wir brauchen.

Hat das neue digitale Nachrichtenstudio von RTL seit Mitte 2010, ähnlich dem beim ZDF, die Arbeit verändert?

Kloeppel: Nicht so sehr. Im Studio waren wir schon vorher virtuell und sind es weiterhin. Der Unterschied ist hauptsächlich ein technischer insofern, als wir die Kameras inzwischen an Roboterarmen montiert haben. Für mich als Moderator macht das keinen Unterschied. Ich muss in meinen Bewegungen bestimmte Punkte besser treffen, weil der Roboter seine Kamerafahrt programmiert hat und das Nachjustieren On Air immer aufwendig ist. Eingeschränkt fühle ich mich dabei übrigens nicht � im Gegenteil, wir haben mehr Platz, und ich kann im Studio mehr machen. Optisch haben wir uns weiterentwickelt und sind moderner geworden. Nutznießer ist insbesondere der Zuschauer. Grafiken sind jetzt noch anschaulicher darzustellen und der Moderator hat die Möglichkeit mit interaktiven Bild-Elementen zu arbeiten. Wir setzen solche Hilfsmittel allerdings sehr gezielt und sparsam ein, um die Sendung nicht optisch zu überladen.

und auf die Ausbildung wirkt sich das vermutlich auch aus.

Ottinger: Was sich verbessert hat, ist die technische Anbindung der Schule an das interne Netzwerk, also an die Nachrichten und Informationsformate der RTL-Gruppe, an Server und Bildmaterialien � so lassen sich Übungssendungen leichter produzieren als früher in der Aachener Straße.

INfo

Peter Kloeppel (53) ist Chefredakteur von RTL und Direktor der RTL-Journalistenschule. Der studierte Agrarwissenschaftler hat die Henri-Nannen-Schule absolviert und ist seit 1985 bei RTL, das damals noch RTL plus hieß. Seit 1992 moderiert er die Hauptnachrichtensendung �RTL aktuell�, Ende 2004 wurde er Chefredakteur von RTL. Der RTL-Schule steht er seit deren Gründung 2001 vor.

Leonhard Ottinger (47) ist seit 2001 Geschäftsführer der RTL-Journalistenschule. Zuvor arbeitete der diplomierte Pädagoge in der Erwachsenenbildung und kam 1994 zur Bertelsmann-Stiftung, wo er unter anderem Modellprojekte zur Professionalisierung des Journalismus entwickelte.

Die �RTL Journalistenschule für TV und Multimedia� in Köln, nimmt alle zwei Jahre 30 Schüler auf, die in zwei Gruppen die 24-monatige Ausbildung durchlaufen. Der Schwerpunkt liegt auf Bewegtbild und umfasst auch Darstellungsformen im Netz, auf Tablet-PCs und mobilen Anwendungen.

www.rtl-journalistenschule.de

Erschienen in Ausgabe 07+08/2011 in der Rubrik „Special“ auf Seite 45 bis 47. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.