Top 30 bis 30

Die meisten sind ungeheuer flexibel, das fällt als Erstes auf. Sie twittern, entwerfen Konzepte für Tablet-Geräte, haben Videokamera und Aufnahmegerät in Form ihres Smartphones immer dabei, bringen mühelos Schreiberqualitäten und Fototalent in multimedialen Bildergeschichten zusammen.Und wissen vor allem das Netz von vorne bis hinten als Recherchewerkzeug zu nutzen.

Das sah noch anders aus, als das „medium magazin“ vor sechs Jahren zum ersten Mal die „Top 30 bis 30“ der Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten suchte. Aber auffällig ist nicht nur, wie selbstverständlich der aktuelle „Top 30“-Jahrgang potenziell alle Mediengattungen für seine Arbeit einspannt. Ebenso bemerkenswert ist, dass unsere „Top 30 bis 30“-Liste mittlerweile fest etabliert ist und sich als Scout für Talente bewiesen hat. Daher verfolgten wir wie in jedem Jahr gespannt, wie sich die Kandidaten aus früheren Jahren entwickelt haben – und fragten bei einigen nach, was sie heute machen (s. S. 25).

Das Gespür für Talente haben wir natürlich nicht alleine. Mit fast 300 Kolleginnen und Kollegen haben Daniel Kastner und Ela Dietrich den Sommer über Kontakt aufgenommen und sie gebeten, uns die jungen Kolleginnen und Kollegen zu nennen, die ihnen im vergangenen Jahr positiv aufgefallen sind. Zu dieser Vorjury gehören Redakteure, Leiter von Journalistenschulen, Jurymitglieder der wichtigsten Branchenpreise,die „Top 30“-Kandidaten von 2010 – und unsere Leser: Danke an dieser Stelle für die vielen Vorschläge, die uns via Facebook und Twitter erreichten. Kastner und Dietrich haben auf der Basis der vielen Nennungen recherchiert, wer sich zuletzt besonders hervorgetan hat, wessen Engagement, umwerfende Beiträge, großartige Ideen aus der Masse herausragten.

Die finale Auswahl fiel in diesem Jahr noch einmal schwerer, so großartig war die Gruppe der vorgeschlagenen jungen Journalisten. Und natürlich bedeutet dies auch, dass es einige sehr hoffnungsvolle Jungjournalisten nicht ins Heft geschafft haben. Daniel Stahl etwa, der mit seinem „Offenen Brief“ an die Verlage in diesem Sommer offensichtlich die Stimmung gerade beim Nachwuchs richtig erfasst hatte. Eine Leistung, die wir an anderer Stelle würdigen wollen.

Die Liste ist, wir betonen es immer wieder, ganz explizit kein Ranking. Sie soll auch die ganze Vielfalt an Talenten spiegeln, die derzeit zu Recht von sich reden machen. Daher freuen wir uns, dass ein crossmedialer Fotojournalist wie Felix Seuffert ebenso vertreten ist wie der Social-Media-Redakteur Frederic Huwendiek vom ZDF oder der engagierte Community-Redakteur Marc-Jacob Ost.

So sehr die multimedialen Begabungen auffallen, so erfreut sind wir andererseits auch in diesem Jahr gewesen, junge Kollegen zu entdecken, deren journalistische Stimme uns geradewegs im Sturm erobert hat: Reporter-Talente, Schreiber mit Sinn fürs Subtile und die richtigen Themen zur richtigen Zeit.

Und Sie, liebe Leser, können sich schon einmal notieren: Für 2012 würden wir uns über mehr Vorschläge von Lokalmedien freuen.

medium:online

Die ausführlichen Antworten der Kandidaten 2011 sind dokumentiert unter www.mediummagazin.de, für Abonnenten exklusiv zugänglich bis zum 1. Oktober: Passwort MM092011+

„The Talks“

Johannes Bonke (29),(l.), Sven Schumann (29)

Volontariat? Journalistenschule? Brauchten sie nicht. Bonke und Schumann schärften ihren Blick für Zielgruppen und Leserinteressen in der Werbebranche. Schumann arbeitete für eine New Yorker Kreativ-Agentur, Bonke studierte u.a. Werbepsychologie und schrieb seine Magisterarbeit über den Aufstieg und Fall des mediengesteuerten Stars. Interviews mit Stars, Künstlern und Kreativen sind auch ihre „Kernkompetenz“ (Bonke); auf der Webseite der 2008 von ihnen gegründeten Berliner Agentur „Colorstorm“ ist von 240 Publikationen in 35 Ländern die Rede, in denen sie schon veröffentlichten – komplett mit Bildstrecke, denn die liefert „Colorstorm“ gleich mit. Die „Süddeutsche“ und „Cicero“ zählen zu den Abnehmern, „Elle“, „Vogue“ und „Marie Claire“. Die besten Interviews landen neuerdings jeden Mittwoch in ihrem Online-Interviewmagazin „The Talks“: Jack Nicholson und Tom Ford, Patti Smith und Mick Jagger. Johannes Bonke liebt den reiseintensiven Job, die Begegnung mit „Menschen, die unsere Gesellschaft maßgeblich beeinflusst haben“ – und er ist stolz darauf, diese Menschen „so zu porträtieren, dass sogar sie selbst sich richtig wiedergegeben fühlen“. Sven Schumann fasst zusammen: „Wir sind jung, zielstrebig und erfolgsorientiert.“

Patrick Bernau (30)

Wirtschaftsredakteur bei der FAS

Wenn der Euro bröselt, der DAX abschmiert und der mediale Chor Alarm schreit, tun Patrick Bernaus Analysen umso wohler. Den Diplom-Volkswirt und Absolventen der Kölner Journalistenschule angelte sich die FAS schon während seines Studiums und setzte ihn ins Ressort Wirtschaft und Geld. Dort interviewt er Leute wie Superspekulant George Soros oder kauft mitten in der Euro-Krise eine griechische Anleihe, um zu zeigen, was damit passiert. Das „Handelsblatt“ zählt ihn zu den „Top 10 der deutschen Twitter-Ökonomen“.

Stolz auf: „Geschichten, die bei den Lesern einen Nerv treffen.“ Förderer: Rainer Hank (FAS) und die Kollegen bei der Kreiszeitung in Böblingen. In zehn Jahren: möchte er „viel mehr Geschichten interaktiv erzählen“.

David Denk (30)

Leiter des Ressorts tazzwei/Medien der taz

Das ambitionierte „tazzwei“-Projekt der „taz“ wäre ohne David Denk längst versumpft: Als Volontär kam er von der Uni Leipzig und übernahm das Medienressort, im August wurde er Co-Ressortleiter von tazzwei. Mit Branchenwissen und Gespür für popkulturelle Medienthemen prägt er den Ton der „taz“, sucht stets das Unterhaltende im Ernsten. Und vermittelt so ein adäquates Gefühl für unsere Medienwirklichkeit.

Stolz auf: Porträt des Singer-Songwriters Gisbert zu Knyphausen und eine Reportage über die Entstehung eines „Polizeiruf 110“.

Förderer: Thomas Lekies („Westdeutsche Zeitung“), Norbert Thomma („Tagesspiegel“), Daniel Schulz („taz“).

In zehn Jahren: will er „so selbstbestimmt wie heute“ arbeiten.

Annabel Dillig (30)

Redakteurin bei „Neon“

Die „Neon“-Redaktion bot der reiselustigen DJS-Absolventin nach einem Praktikum eine Redakteursstelle an. „Recherche-, schreib- und meinungsstark“ sei sie, „eine sehr gute Teamplayerin, die stets auch die Optik einer Geschichte im Blick“ habe. Ihre Reiselust dokumentierte Dillig auch schon in dem Buch „Von A nach B plus X – Geschichten von der Rückbank“, das sie mit jetzt.de-Redaktionsleiter Dirk von Gehlen herausgab. Stolz auf: ihre Reisereportage bei den dicksten Menschen der Welt in Tonga. Und auf eine schwierige Geschichte zur Selbstmordserie bei France Télécom.

Förderer: Michael Ebert („Neon“), Timm Klotzek (Ex-„Neon“, jetzt „SZ-Magazin“).

In zehn Jahren: hofft sie auf einen Listenplatz bei den „Top 40 bis 40“.

Jan Dörner (30)

Brüssel-Korrespondent der AFP

Seinen Job wollen nur wenige Kollegen machen: EU-Beschlüsse erklären, Gremiensitzungen von EU und Nato begleiten, Diplomaten- und Bürokratensprech auf den Punkt bringen. Ohne Leute wie Dörner wüssten wir nicht, was in Brüssel los ist, wenn EHEC ausbricht, Tripolis brennt oder der Euro wackelt. Der AFP war der Student der Kommunikationswissenschaften schon während zweier Praktika aufgefallen und sienholte ihn als Redakteur an Bord. Stolz auf: Texte, d
ie „nicht nur das Ergebnis einer Finanzministersitzung erklären, sondern auch die Dramatik widerspiegeln“.

Förderer: Henriette Löwisch (AFP).

In zehn Jahren: sieht er sich „immer noch am Puls der Zeit“. Ob minutenschnell oder entschleunigt, da will er sich nicht festlegen.

„Ich kann ziemlich nerven, wenn ich mich in etwas verbissen habe.“

Daniel Fiene (28)

Moderator bei Antenne Düsseldorf, Produzent von „Was mit Medien“

Daniel Fiene war als Student Chefredakteur bei Radio Q, dem „Campusradio für Münster und Steinfurt“, volontierte bei Antenne Düsseldorf – und blieb. Der „Radiojournalist des Jahres 2009“ produziert für ARD-Sender und DRadio-Wissen. Das von ihm mitbegründete Podcast „Was mit Medien“ gewann 2010 den Hörfunkpreis der Landesmedienanstalt NRW und war für „Grimme Online“ nominiert. Stolz auf: seinen Einsatz bei der abgebrochenen „Wetten, dass ..?“-Sendung in Düsseldorf, als er seinem Sender Infos aus der Halle lieferte. Förderer: Jörg Wagner (Radio Eins Medienmagazin), Michael Mennicken (Antenne Düsseldorf), Christoph Flach (ARD/ZDF-Medienakademie). In zehn Jahren: will er Radio und Internet besser zusammenbringen.

Kübra Gümüsay (23)

Bloggerin, Autorin und „Mädchenmannschaft“-Kolumnistin

Mit ihrem „Grimme Online“-nominierten Blog „Ein Fremdwörterbuch“ und ihrer „taz“-Kolumne „Das Tuch“ mischt Kübra Gümüsay die Integrationsdebatte auf. Voll integriert und „trotzdem“ praktizierende Muslima, erhebt sie wortgewandt ihre Stimme gegen den Chor der Bescheidwisser. In einer BBC-Diskussion argumentierte sie Thilo Sarrazin locker an die Wand. Sie war Chefredakteurin des Hamburger Jugendmagazins „Freihafen“, vernetzt soziopolitische Blogs und arbeitet an einem Sachbuch für Jugendliche.

Stolz auf: ein Interview mit Sascha Anderson, Lyriker der DDR-Künstlerszene und Stasi-Spitzel. Förderer: Daniel Schulz („taz“), Bernhard Pörksen (Uni Tübingen).

In zehn Jahren: will sie „weder arbeiten, um zu leben, noch leben, um zu arbeiten“.

Gregor Haschnik (29)

Volontär der „Saarbrücker Zeitung“

Mit sieben kam Gregor Haschnik aus Polen nach Deutschland. Damals sprach er kein Wort Deutsch. Erste journalistische Sporen verdiente er sich beim „Maintal Tagesanzeiger“, er schrieb für „Süddeutsche“, „Focus“ und FTD und saß im Burda-Korrespondentenbüro in Paris. Als leidenschaftlicher Verfechter des Lokalen holt er heute die ganz großen Themen nach Saarbrücken – und erdet sie.

Stolz auf: die Serie „Nix verstehn“ über Migration und Integration in der „Saarbrücker Zeitung“. Förderer: Jens Bergman („brand eins“), Kayhan Özgenc (BamS, damals „Focus“), Ilka Desgranges und Wolf Porz (beide „Saarbrücker Zeitung“). In zehn Jahren: möchte er Auslandskorrespondent in Polen sein. Oder Redakteur eines regionalen Magazins.

Felix Helbig (30)

Redakteur bei der „Frankfurter Rundschau“

Die FR ist gebeutelt von Stellenabbau, Sparrunden und Synergien. Dass sie Felix Helbig gleich nach dessen Volontariat übernahm, spricht für sein Ausnahmetalent. Mit 17 kam er als Praktikant – und wurde später für ein Volontariat übernommen. Als Volontär enttarnte er etwa verdeckte LKA-Ermittler in Baden-Württemberg. Über seine journalistischen Eigenheiten sagt er: „Ich kann immer noch ziemlich nerven, wenn ich mich in etwas verbissen habe.“

Stolz auf: die LKA-Geschichte in Baden-Württemberg. Förderer: die „großartige“ FR-Redaktion.

In zehn Jahren: will er „in einem Team arbeiten, das viel Zeit und Mut hat, um tief zu wühlen, auch wenn mal nichts dabei rauskommt“.

Tobias Henkenhaf (29)

Reporter und Autor beim BR

Als Reporter bereichert Tobias Henkenhaf die werktägliche Radiosendung „Notizbuch“ auf Bayern 2 und liefert im TV bei „quer“ unorthodoxe Beiträge mit Haltung und Biss ab. Erfahrungen sammelte er beim Uniradio „Bitexpress“ der Uni Erlangen-Nürnberg und bei der evangelischen TV-Produktionsfirma Eikon Süd, anschließend absolvierte er ein Volontariat beim BR. Und heute bringt er in dessen Auftrag Jugendlichen das Rundfunkmachen bei.

Stolz auf: relevante Geschichten, die er mit einer außergewöhnlichen Bildidee erzählen kann. Förderer: Ludwig Maaßen (BR), Wolfgang Günther (Dozent), Wolfgang Mezger und die „quer“-Redaktion. In zehn Jahren: wünscht er sich mehr TV-Reportagen „mit maximaler Authentizität“.

Frederic Huwendiek (27)

Redakteur bei heute.de

Radio Bremen

Teja Adams (27), Lena Döring (27), Janine Horsch (29)

Das Experiment glückte: Radio Bremen spielte das Thema Nahverkehr auf all seinen Kanälen – im Radio, im TV, im Netz, live vor Ort und via Social Media, so nahe am Nutzer wie möglich. Das Projekt „Pendler-Check“ wurde getragen von Teja Adams, Lena Döring und Janine Horsch – die Idealbesetzung, hatten die drei doch schon von sich reden gemacht: Adams etwa mit der Radio-Reportageserie „Backstage Bundestag“, Horsch mit dem „Bremen Eins Blind Dinner“. Sie interviewten Pendler, stellten ein Portal für Verspätungen und Verbesserungsvorschläge online, zogen aus den E-Mails Dutzende Themenideen für Radio und Fernsehen. Das Ideal des bürgernahen Journalismus: Der Bürger als Hinweisgeber, der Journalist als ausführendes Organ. Das „Pendler-Check“-Team, das sich durch „Humor“ (Döring), „kaum Konkurrenzdenken“ (Horsch) und „fast täglich frisches Backwerk“ (Adams) auszeichnete, löste sich nach Projektende auf – vorerst: Adams und Döring experimentieren als Redakteure in der „Digitalen Garage“ weiter mit Social Media und Apps, auch Trainee Horsch sprüht vor Themenideen.

Sebastian Jost (28)

Reporter im Investigativ-Team der„Welt“-Gruppe

Fachmann für Banken, Versicherungen und Private Equity, Absolvent der Kölner Journalistenschule, journalistische Erfahrung bei „Handelsblatt“, „Capital“ und „brand eins“, diverse Preise für Wirtschaftspublizistik – bei aller Expertise ist Jost keiner, der in Fachchinesisch abrutscht, sondern mit Reportagen und Erklärstücken beeindruckt. Kein Wunder, dass die „Welt“ ihn in ihr Investigativ-Team holte.

Stolz auf: Reportage über die Sanierung der US-Bank Lehman Brothers – dafür gab es 2010 den Deutschen Journalistenpreis.

Förderer: Jörg Eigendorf, Jan Dams (beide „Welt“), Roman Pletter („Handelsblatt“). In zehn Jahren: „wird der Journalismus interaktiver sein, die Kommunikation mit dem Leser intensiver.“

Fabian Klask (28)

Redakteur im iPad-Team des „Kölner Stadt-Anzeiger“

Vom freien KStA-Mitarbeiter in Leverkusen und im Rhein-Erft-Kreis wurde Klask zum Blattmacher im iPad-Team. DJS-Absolvent und FAZIT-Stipendiat Klask organisiert die Redaktion, entscheidet über Darstellungsformen und behält Technik und Layout im Auge. Die Redaktion bescheinigt ihm „crossmediales Bewusstsein“, mit dem er „eine Art Leuchtturmfunktion für die Zukunft“ erfüllen könne.

Stolz auf: seine Arbeit an der iPad-Ausgabe des KStA – und auf eine Reportage über erneuerbare Energien, für die er „mit ausgeprägter Höhenangst“ ein Windrad erklomm. Förderer: Tobias Kaufmann, Burkhard von Pappenheim, Stephan Klemm (alle KStA). In zehn Jahren: hofft er als Reporter auf „genügend Zeit für gut recherchierte und kreative Geschichten“.

Wlada Kolosowa (24)

freie Journalistin

Eine Schreibe wie die von Wlada Kolosowa finde man nicht oft, so das Lob. Derzeit macht sie von sich reden mit ihren Briefen aus Russland, wo sie sich auf die Spuren ihrer Vergangenheit in ihrer ersten Heimat macht. Eine Veröffentlichung als Buch ist in Planung. Außerdem schreibt sie frei für „Jetzt“, die Jugendseite der „Süddeutschen Zeitung“.

Stolz auf: ihre Kolumne „Wlada in Russland“ für „Spiegel Online“, für die sie seit mehreren Wochen durchs Land reist.

Förderer: die Trainer der Journalistischen Nachwuchsförderung.

In zehn Jahren: will sie freiberuflich arbeiten und „lebenshungrig“ sein. Und das „hoffentlich in einem Büro mit guten Menschen, die immer Kekse dabei haben und nie ‚Mahlzeit!‘ wünschen“.

Céline Lauer (22)

Redakteurin im Reportage-ressort der „Welt“-Gruppe

Sie war schon im Team des crossmedialen „Little Berlin“-Projekts, für das ihr Jahrgang der Axel-Springer-Akademie (ASA) etwa den Grimme-Online-Award bekam. Mittlerweile ist sie fest bei der „Welt“ und wird besonders für ihre Reportagen geschätzt. Nebenher belegt Lauer Programmierkurse, denn die Faszination des Digitalen lässt sie nicht los: „Die Branche fängt erst an, sich Strategien zu überlegen“, sagt sie – da wolle sie mitmischen.

Stolz auf: ihr Porträt eines Knotenkünstlers – und natürlich auf „Little Berlin“.Förderer: Michael Kipp („Saarbrücker Zeitung“), Torsten Krauel („Welt“), Ansgar Mayer (ASA). In zehn Jahren: bleibt alles anders – „rausgehen, Texte schreiben, mit neuen Produkten, crossmedialem Storytelling“.

Anna Marohn (30)

Wirtschaftsredakteurin, „Die Zeit“

Statt auf eine Korrespondentenstelle in China zu warten, zog Anna Marohn nach VWL-Studium und Kölner Journalistenschule einfach hin. „Ich spreche gern fremde Menschen an“, sagt sie. Sie veröffentlichte u. a. in „Handelsblatt“, FR und „Zeit“, die Marohn 2007 als Wirtschaftsredakteurin holte. Dort schreibt sie über Bootcamps in Berlin ebenso wie über Übernahmen deutscher Firmen durch chinesische Geschäftsleute.Stolz auf: die „Zeit“-Geschichte über den zweiten Goldrausch in Kanada: „Wie es Brauch in Dawson City ist, habe ich dort einen Whiskey mit einem echten alten Zeh im Glas getrunken“. Förderer: Marc Brost, Götz Hamann (beide „Zeit“). In zehn Jahren: darf es gern weniger Nachtarbeit, aber genauso viel Abwechslung sein.

Rick Noack (18)

freier Journalist, Gründer des „Clubs der jungen Journalisten“

Mit 14 war Noack freier Mitarbeiter für „Sächsische Zeitung“ und „Spiesser“, mit 15 schrieb er für „Spiegel Online“, mit 16 war er VJ bei einem Dresdner Lokalsender. In diesem Jahr gründete er den „Club der jungen Journalisten“, der dem Nachwuchs als Netzwerk und Steigbügelhalter dienen soll. Zuletzt war Noack Praktikant beim „Spiegel“, zurzeit liebäugelt er mit einem Journalismus-Studium in London.

Stolz auf: das Porträt „Der öffentliche Mann“ („Berliner Zeitung“) über einen Professor, den das FBI für einen Terroristen hält. Förderer: Peter Stawowy (Medienberater), Frederik Pleitgen (CNN), Maximilian Popp („Spiegel“), Doreen Hübler („Sächsische Zeitung“). In zehn Jahren: will er morgens genauso gern aufstehen wie heute.

Frederik Obermaier (27)

Volontär der „Süddeutschen Zeitung“

Obermaier verbucht Rechercheeinsätze in Kolumbien, dem Jemen und Südafrika, freie Mitarbeit bei „Neon“, „Zeit Campus“ und dpa. Für eine FR-Reportage über ein kolumbianisches Geiselradio verlieh ihm das „Netzwerk Junge Journalisten“ einen Sonderpreis, zuletzt gab es den CNN-Award für sein Porträt einer Niederländerin, die bei den FARC-Rebellen mitkämpft.

Stolz auf: seine erste „Seite Drei“ – eine Reportage über die Folgen der US-Atomtests auf dem Bikini-Atoll. Förderer: Kathrin Krauß (Uni Eichstätt), Paul Winterer (dpa), Wolfgang Haserer („Mühldorfer Anzeiger“), Detlef Esslinger, Cathrin Kahlweit (beide SZ). In zehn Jahren: will er immer noch Reporter sein – „mit genügend Zeit, Geld und redaktionellen Freiräumen“.

Max-Jacob Ost (26)

Leiter der Community bei spox.com

Was Ost beim Sportportal spox.com macht, wird im netzgetriebenen Medienalltag immer wichtiger: Er motiviert die Leser, sich zu beteiligen, vernetzt die Seite mit themenbezogenen Blogs, twittert und bildet die geballte Fußball-Kompetenz der Netzgemeinde auf spox.com ab. Zurzeit überlegt er, ob und wie er Podcasts in die Seite einbinden kann, „und ein guter Fußballroman täte der deutschen Literatur auch mal wieder gut“ – das ist durchaus als Aufforderung an die Community gemeint.

Stolz auf: die „Blogschau“ für Sportblogs bei spox.com.

Förderer: Oliver Kucharski (neon.de), Antje Susan-Pukke (BR), Alexander Marx (Spox). In zehn Jahren: werden sich die Positionen „Leser“ und „Autor“ noch weiter angenähert haben.

Khuê Pham (28)

Politikredakteurin bei „Der Zeit“

Ihr erstes Praktikum absolvierte sie beim „Guardian“ in London. In Berlin arbeitete sie im Korrespondentenbüro des US-Senders National Public Radio (NPR) und schrieb für „Spiegel Online“, in Hamburg besuchte sie die Henri-Nannen-Schule und betreut heute bei der „Zeit“ vor allem Netz- und Migrationsthemen. Dass die Kollegen ihr noch viel mehr zutrauen, gipfelte in der Frage: „Sind Sie konventioneller, als ich denke, oder schreiben Sie konventioneller, als Sie sind?“

Stolz auf: ein „Zeit“-Dossier zur „News of the World“-Affäre – „die skandalöseste Geschichte, an der ich bisher gearbeitet habe“. Förderer: Bernd Ulrich („Zeit“), Emily Harris (NPR, Büro Berlin). In 9,75 Jahren: weiß sie, was sie in zehn Jahren tun wird.

Cornelius Pollmer (27)

Volontär der „Süddeutschen Zeitung“

Die Aufnahme in die Riege der „Streiflicht“-Autoren ist so etwas wie der Ritterschlag der „Süddeutschen Zeitung“. Den hat Pollmer, DJS-Absolvent und ehemaliger „Spiesser“-Textchef, schon erhalten. Er gehöre, so heißt es in München, „zu denjenigen, die die Tradition der SZ als Autorenzeitung beleben helfen“, er sei „einer, der nicht das schöne, klingelnde Wort sucht, sondern das treffende“.

Stolz auf: Reportagen über in der Türkei überwinternde deutsche Rentner oder über David Hasselhoff in einem tschechischen Kasino. Förderer: Holger Gertz, Stefan Kornelius, Hilmar Klute, Tanja Rest (alle SZ), Stefan Schirmer („Zeit“). In zehn Jahren: will er gern Reporter sein – am liebsten in Deutschland, gern im Osten.

Raniah Salloum (27)

Redakteurin „Financial Times Deutschland“

Wirtschafts- und Politikexpertin Raniah Salloum ließ sich nach der Henri-Nannen-Schule zwar von einer Unternehmensberatung abwerben. Doch dann erblühte der arabische Frühling – und Salloum, Tochter eines Syrers, eilte in den Maghreb, um der FTD wochenlang zu berichten. Bei den Gruner+Jahr-Wirtschaftsmedien ist sie dann geblieben, ihrem thematischen Steckenpferd bleibt sie dabei treu: „Tunesien zu den Wahlen im Oktober wäre schön.“

Stolz auf: „Absurde Momente wie Teetrinken mit libyschen Squattern in einer Londoner Villa diesen Sommer.“

Förderer: Andreas Wolfers (HNS), Ines Zöttl, Silke Mertins, Andreas Theyssen (alle
FTD).

In zehn Jahren: arbeitet sie hoffentlich „besser als heute“.

Anne-Katrin Schade (30)

Redakteurin bei „Dein Spiegel“

Journalismus für Kinder ist eine harte Nuss: Nichts kann man voraussetzen, Ironie ist verboten. In die Lebenswelt von Zehnjährigen einzutauchen – das macht Anne-Katrin Schade Spaß, und so entstehen Reportagen wie „Im Scheidungsflieger“, für die sie Kinder auf der Reise zu einem weit entfernt lebenden Elternteil begleitete. Einen großen Vorteil aber hat die junge Zielgruppe: „Die Leserbriefe machen immer gute Laune.“

Stolz auf: das Porträt „Als ich Kind war“ über Charlotte Knobloch. Förderer: Bettina Stiekel, Ansbert Kneip (beide „Dein Spiegel“), Rainer Hank (FAS), Susanne Gaschke („Zeit“), Hans-Rüdiger Bein (dpa). In zehn Jahren: will Schade „weiterhin Geschichten schreiben, die Kinder und Erwachsene lesen wollen“.

Johannes Schneider (26)

Volontär beim „Tagesspiegel“

Die Ukulele erwähnt jeder, der über Johannes Schneider spricht. Beim „Tagesspiegel“ ist er Co-Chef des „Netzspiegel“, der „Stimme im netzpolitischen Diskurs und Aufklärungsanlaufstelle für Netzphobiker“. Studiert hat er u. a. Kulturjournalismus, ausgebildet hat ihn die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS). Und ein Buch über Facebook hat er auch verfasst.

Stolz auf: diverse Exemplare der „kleinen Form“, ein „eigentlich nett gemeintes“ Porträt über einen Borussia-Dortmund-Ultra. Förderer: Sebastian Christ („Handelsblatt“), Ina Hartwig (freie Journalistin), Lutz Kinkel (stern.de), Markus Hesselmann („Tagesspiegel“), Stephan Porombka (Uni Hildesheim), Jochen Markett (KAS).

In zehn Jahren: erträumt er sich ein Magazin für Kulturphänomene.

Felix Seuffert (27)

freier Foto- und Multimediajournalist

„Neue Medien fordern neue Formate“, verkündet das Multimedia-Produktionsstudio „2470media“. Felix Seuffert liefert solche Formate: Reportagen mit Stand- und Bewegtbildern, Text und Audio. Seine Themen: Fußball und Afrika. Seine Webreportage „After the War“ – eine Slideshow über den Bürgerkrieg aus Sicht eines kongolesischen Fußballers – gewann 2010 den Reporterpreis.

Stolz auf: den Dokumentarfilm „Facets – Stories from the Diamond Land“ über die südafrikanische Bergbaustadt Port Nolloth. Förderer: Michael Hauri (2470media), Anna Telford (Dokumentarfilm-Produzentin).

In zehn Jahren: sieht er sich „freischaffend und unabhängig, als Dokumentarfilmer und Fotojournalist für eine internationale Kundschaft“.

Pauline Tillmann (28)

freie Korrespondentin in Russland

Korrespondentin in Osteuropa wollte sie immer werden. Also lernte sie neben dem Politikstudium Russisch; volontierte beim BR, recherchierte 2009 in Russland für eine Hörfunkreportage zur Renaissance des orthodoxen Glaubens (wofür sie den Peter-Boenisch-Gedächtnispreis erhielt) und arbeitet zurzeit für die Deutsche Welle in St. Petersburg. Und sie engagiert sich für den Nachwuchs, als Mentorin einer Schülerzeitung.

Stolz auf: ihr Georgien-Feature in der Sendung „Breitengrad“ auf Bayern 2.

Förderer: Claus Liesegang („Schwäbische Zeitung“), Daniela Philippi (Ex-BR-Hörfunk, heute Seehofers Sprecherin).

In zehn Jahren: wäre sie gern Korrespondentin im ARD-Hauptstadtstudio in Berlin.

Bernhard Weiß (28)

freier Journalist

Weiß hat sich Institutionen ausgesucht, die als Gralshüter des Qualitätsjournalismus gelten. Als „Junior“ in der „Geo“-Zeitschriftenfamilie bespielt er vor allem „Geo kompakt“, „Geo Wissen“ und „Geo Epoche“. Im Auftrag von „Spiegel“ und „Netzwerk Recherche“ konzipierte er zudem im vergangenen Jahr eine Fachkonferenz zum Thema „Fact Checking“ und leitet seitdem Seminare u. a. beim Deutschlandradio. Stolz auf: Geschichten mit gewaltigem Rechercheaufwand wie „Der lange Weg zur Erde“ („Geo kompakt“). Förderer: gute Freunde, die zufällig auch Journalisten sind. In zehn Jahren: möchte er „kreativ, gelassen, mutig, neugierig, selbstbewusst und in der Umgebung von Menschen“ arbeiten, „die bereit sind, sich zu verändern“.

Paul Wrusch (27)

„taz“-Redakteur

Auch Paul Wrusch entstammt dem Journalistik-Studiengang der Uni Leipzig und volontierte beim Kooperationspartner „taz“ – die ihn gleich als Redakteur dabehielt, bei der „sonntaz“, bei taz.de und nun im Inlandsressort, wo er kürzlich aufdeckte, dass die Dresdner Polizei während einer Demo gegen Rechts massenhaft Handydaten abschöpfte. Der Polizeipräsident nahm bereits seinen Hut.

Stolz auf: eine Reportage über die Nachwuchswerbung der Bundeswehr an Schulen. Förderer: Georg Löwisch, Martin Reichert, Wolf Schmidt (alle „taz“). In zehn Jahren: kann er sich durchaus vorstellen, so wie jetzt auch „mit begeisterungsfähigen Menschen gemeinsam an einer Zeitung zu arbeiten“, ohne „in thematische Schrebergärtchen zu verfallen“.

Felix Zeltner (29)

freier crossmedialer Journalist

Der „Tonspur“-Blog auf arte.tv sieht aus, als stehe ein großes Team dahinter. Tatsächlich macht Zeltner ihn allein: Er erzählt die Geschichten von Musikern „auf sechs Kontinenten“ – in Reportagen und Interviews, Videos und Audiofiles, verlinkt und verknüpft. Dafür gewann Zeltner, der seinen musikalischen Sachverstand beim BR-„Zündfunk“ schliff, auch Apps entwickelt und für „Spiegel“ und WDR arbeitet, den Axel-Springer-Preis und war für den Grimme-Online-Preis nominiert.

Stolz auf: k. A.

Förderer: Mario Vigl (ADAC-Reisemagazin), Angela Gatterburg („Spiegel“), Angelika Schindler, Thomas Salb (beide Arte). In zehn Jahren: „Hauptsache gesund und munter.“

Nachgefragt bei „Top 30 bis 30“-Talenten aus den Vorjahren

Was machen sie heute?

Tina Groll

… ist seit 2009 bei „Zeit Online“ und leitet dort das Karriere-Ressort. Mithilfe des Otto-Brenner-Recherchestipendiums deckte sie 2010 einen Bankenskandal auf. Außerdem ist sie als Schatzmeisterin im Vorstand von „Netzwerk Recherche“. (mehr über NR s. S. 38).

Helge Bendl

… verließ „Zeitenspiegel“ Richtung Berlin und arbeitet nun als freier Journalist und Fotograf, oft auch im Ausland, etwa im Kongo. Daneben war er außerdem als UN-Malaria-Botschafter aktiv und bereiste dafür Ganges und Brahmaputra von Quelle bis Mündung.

Julia Knolle

… ist seit Juni „editor at large“ bei Condé Nast und soll die Multimedia-Strategie im Haus voranbringen. Nachdem sie sich im vergangenen Jahr vom Modeblog „Les Mads“ verabschiedet hatte, arbeitete sie frei und schrieb mit Jessica Weiß das Buch „Modestrecke“.

Corinna Arndt

… promoviert seit 2009 im Fach Soziologie an der Universität Cambridge zur Politisierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Südafrika nach Ende der Apartheid. Und arbeitet nebenher weiterhin für Radio und Print aus und über Südafrika und die Region.

Karen Naundorf

… machte besonders von sich reden, als verschollen geglaubte Szenen des Filmklassikers „Metropolis“ in Argentinien auftauchten und sie diesen Scoop fürs „Zeit Magazin“ aufschrieb. Sie ist „Weltreporter“-Korrespondentin in Südamerika und schrieb außerdem einen Argentinien-Reiseführer.

Lars Gaede

… Ex-DJSler, arbeitete zuletzt bei „Zeit Campus“ und drehte für N24 eine Reportage über den Berliner Hau
ptbahnhof. Mitte September zieht er von Hamburg nach München um dann als fester Redakteur beim „stern“-Ableger „Neon“ anzufangen.

Erschienen in Ausgabe 09/2011 in der Rubrik „Titel“ auf Seite 18 bis 25 Autor/en: Recherche und Steckbriefe: Daniel Kastner, Ela Dietrich. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.