… und nun?

Jörg Eigendorf

Chefreporter des Investigativ-Teams bei der „Welt“-Gruppe und erst seit kurzem Mitglied des Netzwerk Recherche

1. Zunächst einmal muss das Netzwerk Recherche vorbildlich geführt werden, um nicht anfechtbar zu sein. Außerdem ist es aus meiner Sicht nicht in der neuen Welt angekommen. Es ist sehr skeptisch gegenüber dem Wandel, der mit den digitalen Medien einhergeht. Daher sollte es sich der Realität stellen, anstatt skeptisch und ablehnend auf Entwicklungen des Leseverhaltens und des Medienkonsums zu blicken.

2. Engagement ist Bürgerpflicht. Jeder sollte sich irgendwo für eine gute Sache einsetzen. Für Journalisten ist ein Engagement beim Netzwerk Recherche auf alle Fälle eine sehr sinnvolle Möglichkeit, etwas Gutes zu tun – zumal es gerade jungen Kollegen eine gewisse Bühne bietet. Natürlich ist es schwer, vor allem für Journalisten mit Familie, freie Zeit für solche Engagements zu finden. Aber dass es geht, zeigen die vielen regionalen Presseclubs.

Sebastian Heiser

Investigativ-Redakteur bei der „taz“, Betreuer des Projekts „open taz“ und Mitglied des Netzwerk Recherche

1. Inhaltlich sehe ich keinen Grund für Veränderungen. Nirgendwo sonst wird so selbstkritisch über den Journalismus und seine Auswüchse diskutiert. Nirgendwo sonst gibt es so einen intensiven Austausch über Recherchemethoden. Und weil dabei auch immer wieder neue Ideen für Recherchen entstehen, würde ich sogar sagen: Ohne das Netzwerk wäre der Journalismus in Deutschland ein Stück schlechter.

2. Ich fürchte, dass es kaum noch einmal jemanden wie Thomas Leif geben wird, der sich so stark mit dem Netzwerk Recherche identifiziert und hier so viel seiner Zeit freiwillig investiert. Jetzt wird es spannend, ob es klappt, die ehrenamtliche Arbeit auf viele Schultern zu verteilen. Die Alternative ist, auf bezahlte Kräfte zu setzen. Das Netzwerk Recherche arbeitet ja profitabel genug, um mit den Gewinnen eine Vollzeit-Stelle einzurichten.

David Schraven

Leiter des Ressorts Recherche bei der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ und Beisitzer im Vorstand des Netzwerk Recherche

1. Das Netzwerk muss sich auf die wichtigen Fragen konzentrieren. Um es konkret zu machen: Unsere Jahrestagung ist gut, ihr tut aber eine stärkere Fokussierung nicht schlecht. Und wir brauchen nicht fünf Fachkonferenzen – dafür nur zwei von der Qualität der „Tunnelblick“-Konferenz in Köln. Zudem muss mehr Arbeit auf mehr Schultern geladen werden. Dann bewältigen wir die Situation.

2. Wir müssen alle Probleme und Sorgen auf den Tisch legen. Dann müssen wir die vor uns liegenden Aufgaben klar benennen. Wir wollen weiter Bücher publizieren, Recherchen anstoßen und Konferenzen organisieren. Wir müssen hier jedem zeigen, was er selbst tun kann, um das gemeinsame Ziel zu erreichen, den Journalismus zu verbessern. Dann übernehmen die Leute in unserem Netzwerk die vor uns liegenden Aufgaben selbst. Ich bin überzeugt, dass unser Netzwerk stark genug ist, sich selbst zu erneuern.

Oliver Schröm

Leiter des Ressorts Investigative Recherche beim „stern“ und seit kurzem wieder Mitglied des Netzwerk Recherche

1. Nach Jahren war ich dieses Jahr mal wieder auf der Jahrestagung des Netzwerk Recherche. Schätzungsweise 500 Kollegen tummelten sich dort, auch viele junge Kollegen, Volontäre, Journalistik-Studenten. Die Panels und Workshops platzten teilweise aus den Nähten. Es war informativ, anregend und spannend – auch für ältere, erfahrene Kollegen. Also das Netzwerk muss sich wahrlich nicht neu erfinden.

2. Das Netzwerk hat kein Führungsproblem. Hans Leyendecker macht das sehr gut. Ein Mann mit seinem Renommee – einen besseren Vorsitzenden kann man sich nicht wünschen. Ich wünsche dem Netzwerk, dass er weitermacht. Das Problem ist die Buchführung. Und dieses Problem müsste ein Verein, der mittlerweile über so hohe Rücklagen verfügt, lösen können – indem es sich einen Profi für die Finanzen gönnt.

Umfrage: ULRIKE SIMON

Erschienen in Ausgabe 09/2011 in der Rubrik „Medien“ auf Seite 39 bis 48. © Alle Rechte vorbehalten. Der Inhalt dieser Seiten ist urheberrechtlich geschützt. Für Fragen zur Nutzung der Inhalte wenden Sie sich bitte direkt an die Redaktion.